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Vorwort

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»Unterbrich mich nicht!«

Genervt bremse ich eine Zwischenbemerkung aus. Sie stört meinen Gedankengang. Sie bringt mich aus dem Konzept. Sie unterbricht mich.

Verständlich. Niemand lässt sich gerne unterbrechen, ausbremsen oder irritieren. Wir machen lieber weiter wie bisher. Nicht nur in Monologen oder Vorträgen. Auch sonst. Unterbrechungen mögen wir nur, wenn sie Unangenehmes betreffen. Etwa eintönige Arbeit oder einen immer gleich anstrengenden Alltag. Da sehnen wir sie herbei. Die Kaffeepause, den Urlaub, die Abwechslung. Ansonsten sind Unterbrechungen eher störend. Verständlich!

Aber weder klug noch hilfreich.

Hilfreiche Unterbrechung

Auch und gerade wo sie zur Herausforderung werden, sind Unterbrechungen meines Lebens eine riesige Chance. Manchmal kommen sie unerwartet, vielleicht besonders krass. Mein Herz beginnt zu flackern und ich werde mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren. Mein Partner oder meine Partnerin zieht aus und es kommt zur Trennung. Meine Mutter stirbt und ich finde mich plötzlich in letzter Reihe vor. Ein Autounfall bringt meine Reise- und Finanzplanung durcheinander. Jede und jeder von uns hat solche Unterbrechungen bereits erlebt, diese und andere.

Wir haben sie meist als unangenehm empfunden. Viele davon erwiesen sich später allerdings als besondere Chance für einen Neuanfang mit neuen und anderen Möglichkeiten.

Die geistlich-theologische Unterbrechung in diesem Buch bietet auch so eine Chance. Sie kann natürlich nur bewusst und gewollt geschehen. Ich stelle mich den Zwischenrufen. Ich setze mich wichtigen Fragen aus. Ich nehme mir Zeit, unterbreche meinen Alltag und lasse mich auf andere, neue und vielleicht ungewohnte Gedanken ein.

mit Denken

Mit, nicht ohne Denken soll und wird dies geschehen, auch und gerade bei Themen des Glaubens. Was nicht selbstverständlich ist. Selber denken ist nicht jedermanns Sache.

Klar, Denken zeichnet uns Menschen aus, macht uns vermutlich erst zu dem, was wir sind. »Ich denke, also bin ich«, meinte René Descartes, Philosoph und Naturwissenschaftler. Wir alle denken. Wir denken nach und reflektieren das, was geschehen ist. Noch lieber, wenn vermutlich auch seltener, sind wir Vordenker für eine bessere Zukunft.

»Die Meisten denken hauptsächlich über das nach, was andere Menschen über sie denken«, so kommentierte der Schauspieler Sean Connery die seiner Meinung nach häufigsten Gedanken. Mag sein. Es gibt Leute, die reden erst und denken dann. Andere behalten ihre Gedanken lieber für sich. Manche sind immer schon um Gedankensprünge voraus, andere hinken gedanklich hinterher. Unbestritten ist, wir sind ein Volk der Denker.

Und doch ist Denken nicht jedermanns Sache. Jederfraus übrigens auch nicht. (Für alle, die Wert auf eine geschlechtergerechte Sprache legen – mir fällt das manchmal schwer, ich gebe mir dennoch alle Mühe.)

Leichter als selber zu denken, ist das Wiederholen der Gedanken anderer. »Überlass das Denken den Pferden, die haben größere Köpfe!« So hat mein Vater mich manchmal ermahnt, wenn er meinte, meine eigenen Gedanken taugten nichts oder täten jetzt nichts zur Sache. Die Folgen des Hörens auf »größere Köpfe« haben besonders seine Generation und die meiner Großeltern schmerzhaft zu spüren bekommen.

Noch weiter verbreitet ist heute vermutlich eher die Oberflächlichkeit des Denkens. Der Psychologe C.G. Jung meinte: »Denken ist schwer, darum urteilen die Meisten.«

Als Autor dieses Buches mit Denk-Anstößen gestehe ich ein wenig beschämt: Ich schaue gerne Filme, bei denen es nicht allzu viel zu denken gibt. Action und Thriller entspannen mich. Auch was meine Meinungsbildung angeht, bin ich vermutlich oft nicht überaus eifrig und gewissenhaft. Lieber als gewichtige Texte zu lesen, verfolge ich Diskussionen in Talkrunden, etwa bei »hart aber fair« mit Frank Plasberg. Manches von dem, was andere sagen, mache ich mir zu eigen. »Meine« Lebensweisheiten stammen nicht unbedingt von mir selbst. Die Prinzen mit ihrem »Es ist alles nur geklaut!« übertreiben wohl ein bisschen, aber die Richtung stimmt.

Es ist wie mit der Entdeckung neuer Länder. Die Zeiten eines Kolumbus sind vorbei. Die Landkarten haben keine weißen Flecken mehr. Trotzdem gibt es für mich als Reisenden immer wieder Neues zu entdecken. Ja, Kolumbus war schon vor mir in Amerika – aber jetzt bin auch ich endlich dort gewesen und konnte mir ein eigenes Bild machen.

Ja, es ist alles schon gedacht, gesagt und aufgeschrieben. Folglich ist die Zeit der wirklich »großen« Denker womöglich vorbei. Uns bleibt nur das Nach-Denken, die Wiederholung des bereits Erkannten. Dies jedoch bleibt spannend wie die Reise in ein mir noch unbekanntes Land.

Viele Zeitgenossen lehnen sich zurück und verzichten auf eigene Gedanken. »Das Denken ist die schwerste Arbeit, die es gibt. Dies ist der Grund, dass sich so Wenige damit beschäftigen.« So hat es Automobilhersteller Henry Ford behauptet. Unzählige kluge Gedanken zum »Denken« wurden formuliert. Ich denke über sie nach und stimme zu. Oder auch nicht, wie bei der Sache mit den »Pferden, die größere Köpfe haben.«

Was Sie hier lesen, will Sie zum Denken anregen. Da Sie damit nicht allein sind, werden Sie zu Mit-Denkern und machen sich gemeinsam mit Menschen aus allen Generationen und weltweit auf die abenteuerliche Reise der Gedanken. Am Ende denken Sie selbst! Gratuliere!

Noch einmal etwas spezieller zu diesem Buch: Gerade in Sachen Religion sind Nachdenken, Mitdenken und manchmal auch Vordenken wichtiger denn je. Ohne eigenes Denken wird Religion entweder zur Ideologie oder zur Droge. Manchmal kommt beides zusammen. Die Leute werden krank davon und zerstören sich selbst und andere. Wer beim Glauben seinen Verstand wie Mantel und Hut an der Garderobe abgibt, macht sich nicht nur unglaubwürdig, sondern auch hilflos und abhängig von anderen Meinungen und Menschen. Und schlimmer, er gefährdet sich selbst und andere.

Das Buchcover

Ein passendes Covermotiv zu finden hat gedauert. Nun sehen Sie einen Ausschnitt aus einem der neun Bilder vom »Schöpfungsweg«. Der 2008 im Alter von 64 Jahren verstorbene Künstler Werner Steinbrecher hat den biblischen Schöpfungsbericht kurz vor seinem Tod bebildert. Die Tafeln sind Teil eines Besinnungsweges in und um Ebstorf im Landkreis Uelzen. An der Entwicklung des Projektes war ich beteiligt und habe die vielen Diskussionen mit Werner genossen. Er war ein kluger Kopf. Die alten Texte von der Schöpfung einfach unreflektiert darzustellen, lag ihm fern. Glaube und Naturwissenschaft, Schöpfung und Evolution, Glauben und Denken – das war aus seiner Sicht nicht nur vereinbar, sondern es gehörte unbedingt zusammen. Folglich hat er eine Natur beschrieben, die durch Evolution geschaffen wurde und in der sich ein guter Gott vielfach abbildet, zuletzt auch durch uns Menschen. Der Kosmos als Raum- und Zeitgeschehen war für ihn weder Widerspruch noch Gegensatz zur Ewigkeit Gottes. Kleinste Kieselalgen oder die DNA des Menschen waren nicht Gegenargument zur Schöpfung, sondern belegten den Reichtum göttlicher Möglichkeiten.

Und was ganz besonders war: Werner Steinbrecher nahm in allen Bildern zur Schöpfung das Kreuz auf. Jesus Christus wird zum Schlüssel des Verstehens – auch für die Schöpfung, auch für Glauben und Denken.

Jesus denkt

Die geschnitzte Skulptur eines unbekannten Künstlers, ausgestellt im Kolumba-Museum des Erzbistums Köln, hat mich einst beeindruckt. »Christus in der Rast« zeigt Jesus in ungewohnter Position.

Jesus – nicht sterbend am Kreuz oder leidend den Balken tragend, nicht am Tisch mit seinen Jüngern oder heilend Hände auflegend, nicht mit Kindern oder selbst ein Kind in der Krippe und auch nicht als Auferstandener im Glanz seines Sieges. Nein, Jesus als nachdenklicher Typ, den Kopf auf Hand und Unterarm gestützt. Jesus denkend, sinnierend, mit fragendem Gesichtsausdruck. Einer, der nicht alles weiß. Einer, der auch zweifelt.

Ob er deshalb immer wieder in Wüste und Einsamkeit den Menschen entfloh, weil er dort in Ruhe denken wollte? Ob er sich deshalb mit Schriftgelehrten und Pharisäern herumstritt, weil sie in die falsche Richtung dachten und folglich auch lebten? Ob er deshalb den einen Geschichten erzählte, schlicht und tiefsinnig zugleich, und den anderen kurze Merksätze mitgab - damit seine Gegenüber selber zu Denken begannen? Damit sie mit-dachten?

»Nein, er wollte ihr Leben, ihr Handeln verändern!«, höre ich mich selbst widersprechen. Der Glaube ist keine Gesinnung, kein Gedankengebäude, keine Weltanschauung. Er zielt auf Nachfolge Jesu, auf ein Leben mit Konsequenzen – und natürlich habe ich Recht damit.

Wie Denken und Handeln zusammengehören, wird sich im Folgenden noch zeigen.

Der Autor dieses Buches steht vor der Herausforderung, sein Leben neu anzupacken. Über vierzig Jahre Dienst – und nun Rentner. Das gibt zu denken. Ich habe ein Land vor mir, das ich noch nie betreten habe. Mein Berufsleben ist vorbei. Was kommt jetzt? Ich ziehe Bilanz und weiß doch, es kann nur eine Zwischenbilanz sein, eine Unterbrechung. Meine Lebensreise geht weiter, ist nicht vorbei, noch nicht. Wie viele Jahre ich noch habe, weiß niemand. Auf jeden Fall werde ich nun etwas langsamer unterwegs sein. Ich muss mich sortieren, herausfinden, was dran ist, was ich will und was mir wichtig ist.

Worauf es ankommt

Was ist mir bisher wichtig geworden? Worauf kommt es an? Was macht unser aller Leben aus und was ist mein spezieller Anteil daran? Worauf ruht mein Glaube und wie wird er durch mich und uns gemeinsam für andere relevant?

Ob Jesus auch über diese Fragen nachgedacht – und am Ende womöglich Antworten darauf gefunden hat? Dann will ich unbedingt mitdenken.

Ich freue mich, wenn Sie sich gemeinsam mit mir diesen aus meiner Sicht vor allem geistlich-theologischen Fragen stellen und sich auf eine Unterbrechung Ihres Alltags einlassen.

Wenn Sie mögen, können Sie für sich allein oder zusammen mit anderen (z.B. im Haus- oder Gesprächskreis) auch die mit ✪Sternchen gekennzeichneten Anregungen aufnehmen. Wenn ein Gebet so markiert ist – beten Sie gerne mit.

✪Gleich zu Beginn können Sie ja einmal für sich selbst, aber auch gemeinsam mit anderen überlegen, welche Rolle das Denken in Ihrem Leben – und auch im Glauben spielt.

mit Denken

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