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11. Kapitel
ОглавлениеEs geht voran. Aus zwei Mitgliedern der Company sind inzwischen drei geworden. Neu zum Team gehört Richard Joseph Forster. Ihr Plan als Zweimannfirma alles allein abzuwickeln, erweist sich als nicht durchführbar. Zu aufwändig, um alle Details abdecken zu können. Ihre beiderseitigen Ressourcen erschöpften sich schnell. Wollten sie international agieren, brauchten sie dringend eine Personalverstärkung. Da kam mit Dick J. der richtige Mann hinzu. Mit seinen Kontakten in den USA stellt er das fehlende Glied in ihrer Kette dar.
Roger Schneiders Vermarktungsstrategie basiert auf der Grobplanung von Paul. Aber er findet nicht den richtigen Ansatz. Als er festgestellt, dass der entscheidende Punkt in einer schlüssigen Story zur Wiederentdeckung des verschollen geglaubten Bildes liegen müsse. Dafür wollte er Dick Forster einspannen.
Die Gelegenheit ergab sich während einer Sitzungspause. Roger startet einen Testballon um auszuloten, wie sein Gegenüber auf das sensible Thema Kunst und deren gewinnbringende Verkaufsmöglichkeiten reagieren würde. Sie hatten nach Stunden intensiver gemeinsamer Arbeit eine Auszeit nötig und machten sich auf den Weg zur Cafeteria. Das gemeinsame Projekt stand vor dem Abschluss. Roger und Dick J. mühten sich in der Endabstimmung und feilten an den Werbetexte.
Richard und Roger verstanden sich prächtig. Sie nutzten gemeinsam ihre Freizeit, wenn Dick J. alle zwei Wochen für jeweils drei Tage aus den Staaten herüber düste. Selbst die Abteilungsleitung, in Person von Müller P. fand an der vorliegenden Präsentation nichts zu mäkeln und gab sich begeistert. Als Projektleiter berichtete Roger Schneider regelmäßig seinem Vorgesetzten und informierte ihn über den aktuellen Sachstand.
Roger holt für sie beide Kaffee. Dick J. sucht nach einem ruhigen Tisch an einem der Fenster mit Blick in den Garten. Sie brauchen eine Sichtveränderung um abschalten zu können. Eher beiläufig platziert Roger seine erste Frage. “Dick stell dir vor, wir beide hätten ein wertvolles Bild gefunden und wollten es für möglichst viele Dollars verhökern. Wir dürften aber keinem erzählen, wo wir das Gemälde aufgetrieben haben. Wie würdest du das anstellen?“
Forster ging auf die willkommene Abwechslung dankbar ein. Mit solchen Gedankenspielchen ließen sich die grauen Zellen in seinem Schädel schnell wieder aktivieren. Für seine Antwort lässt sich Dick Zeit. Im Geist checkt er mögliche Fallstricke durch. Roger ist ein Schlitzohr, der fragt so etwas nicht einfach so ins Blaue hinein.
Er lehnt sich in seinem Stuhl genüsslich zurück, probiert in aller Ruhe einen Schluck Kaffee. Dann schaut er Roger so an, als habe er seinen Trick durchschaut. Er liebt diese theatralischen Akzente, übertrieb dabei manchmal, immer dann, wenn er sich als Denker und Retter der Menschheit gab, ging seine Mimik mit ihm durch. Da sie sich schon gut kannten, und Roger einige dieser denkwürdigen Auftritte miterlebt hat, konnte er sich meist nicht zurückhalten und prustet vor Lachen einfach los. Dick J., dann ganz in seiner Rolle aufgehend, legt einfach eine andere Platte auf und versucht nochmals das Ganze von vorn.
Ein breites Grinsen. Dann sprudelt es nur so aus ihm heraus, eben wie bei einem echten Verkäufer. „Also, ich würde das Bild neu erfinden und jedem erzählen, wie wertvoll es wäre. Ich habe dir doch von meiner Nichte Emeraldine erzählt? Oder? Egal. Prächtiges Mädchen, hat ihren Collegeabschluss mit Bravour hin gezaubert und ist nun bei der Washington Post als Redakteurin eingestiegen. Mit der würde ich die Zeitungsspastis der ganzen Welt mit Berichten über mein Bild zuschütten, bis jeder von diesen Heinis felsenfest schwören würde, das Kunstwerk sei wirklich echt wertvoll.“ Nach diesem Redemarathon holt Dick erst ein mal tief Luft bevor er zu Roger rüber sieht. „Und was würdest du Schlaumeier machen?“
Dick wirkt nachdenklich und seiner kurzen spontanen Rede folgt Schweigen. Er nippt verlegen an der Kaffeetasse. In Gedanken versunken schaut er abwesend aus dem Fenster auf den nahegelegenen Wald. Roger, völlig überrascht, welche Wendung ihr harmloses Gespräch genommen hat, blickt verlegen unter sich.
„Hey Mann, was ist denn los?“ mehr weiß Roger nicht zu sagen. Schnell ist alles vorbei, Dick murmelt verlegen eine Entschuldigung. „Wo waren wir stehengeblieben?“ Roger merkt, dass irgendetwas mit seinem Partner nicht stimmte. Wenn es mit ihrer gemeinsamen Arbeit und dem bevorstehenden Projektabschluss zu tun hat, dann muss es sofort geklärt werden.
Richard tat sich schwer mit dem jüngeren Roger über sein Problem zu reden. Ständig rührt er verlegen mit dem Löffel in seinem Kaffeebecher herum. Es dauerte eine Weile bis er anfing zu reden. Dick J., der ansonsten so fröhliche, coole Typ, der über alles und jeden einen Witz auf Lager hatte, bemühte sich nach passenden Worten zu suchen. Er schien mit sich zu kämpfen, ob es nicht besser sei, einfach aufzustehen und zu gehen. Bei persönlichen Dingen schweigt er lieber. Privates hat nichts mit dem Job zu tun, das sollte lieber draußen bleiben. Dann fasst er sich doch ein Herz. Erst zögernd, die Worte kommen langsam über seine Lippen, doch nach den ersten Sätzen ist es leichter seinem Frust Luft zu machen.
„Deine Frage hat mir bewusst gemacht, dass ich ein alter Mann geworden bin. Wenn wir in zwei Wochen hier fertig sind, dann ist auch meine Zeit in der Firma wohl zu Ende. Die letzte Saison wird abgepfiffen.
Schluss, Aus, Ende der Vorstellung!
Bei uns in den Staaten ist es anders wie in Old Germany, da bist zu von einem Tag auf den anderen raus aus dem Geschäft, bekommst einen Scheck und das war`s dann auch schon.“ Der letzte Halbsatz sollte lustig klingen, kam aber nicht so rüber.
„Angenommen, das mit dem Bild wäre echt, Mann, was könnten wir beide da anstellen. Ich kenn drüben jede Menge Leute, die nicht einmal merken würden, wenn wir denen die Dollarbündel unter dem Arsch wegziehen.“ Roger spürt instinktiv, ein Partner vom Format eines Dick J. Forster, dem Alleskönner, der mit seinem Netzwerk Türen, ja Tore, aufreißt, den bräuchte er. So einen hat er gesucht, vielleicht in diesem Augenblick auch gefunden.
„Gehen wir heute Abend zusammen essen? Ich hole dich um 19 Uhr im Hotel ab!“wechselt Roger das Thema. Was er wollte hat er erreicht. Jetzt die Sache sich beruhigen lassen, nicht vorschnell handeln und die Pferde scheu machen. So kommt er an sein Ziel.
Mit einem kurzen „Ok“ nahm Richard Forster die Einladung an. Roger räumte die Kaffeetassen ab und stellte das Geschirr auf das Regal für die Küche der Cafeteria. Die Pause hatte ihnen beiden gut getan, jetzt freute er sich auf den letzten Teil der gemeinsamen Arbeit am Projekt. Er könnte mit seinem Freund zum Abendessen nach München runter fahren. Er hat schon eine Idee, wie er es anstellen würde, um bei der anderen Sache konkreter werden zu können. Das Ziel anvisieren, sachte vorgehen und nicht gleich die Katze aus dem Sack herauslassen. Der Abend versprach amüsant zu werden.
Im Hofbräuhaus ist es immer Stimmung. Roger fackelt beim zweiten Bier nicht lange. Ein konkretes Angebot, ein kurzes Nachdenken und alles ist geregelt. Jetzt haben sie nur noch ein Gesprächsthema. Dick J. erklärt, wie er von Amerika aus die Sache in Umlauf bringen wolle. Roger Schneider ist baff, staunt nur noch. Diese Professionalität. Der absolute Wahnsinn.
Mit Paul, dem zweiten Hauptbeteiligten in der Company, hat Roger im Vorfeld seine Initiative abgestimmt. Paul hat nichts gegen einen solchen Vorschlag, bedingt sich jedoch aus, er müsse vor einer Aufnahme von Dick J. in die Gang diesen Kennenlernen. Ihm genüge es, wenn er den neuen Partner zu Gesicht bekäme, seine Stimme hören könne. Ein indirektes Treffen im Englischen Garten erschien ihnen beiden als hierfür ideal. Roger wollte ein solches Treffen arrangieren.
An einem Freitagmittag hat er hierzu die Gelegenheit. Richard ist startklar für den Rückflug. Roger bringt seinen Gast zum Münchner Flughafen. Zeit für einen kleinen Bummel ist genügend eingeplant. Also keine Eile, kein Stress. Ein Spaziergang im Englischen Garten etwas besseres vor dem langen Flug über den Ozean, was konnte es schöneres geben.
Den Chinesischen Turm, eines der Wahrzeichen für den Erholungspark in der Innenstadt, hat Paul für dieses erste konspirative Zusammentreffen auserkoren. Getarnt als das kulinarische Angebot studierender Tourist hat sich der Privatermittler Paul Jordebrecht vor der Essensausgabe der Schankwirtschaft postiert. Noch bleibt er abseits. Unauffällig reiht er sich in die Warteschlange ein. Paul hat den fünf Positionen vor ihm stehenden Roger und seinen Begleiter genau im Blickfeld. Er verfolgt jede Geste, beobachtet, wie die beiden sich über das Speisenangebot austauschen. Nun ist Paul vorne am Tresen angelangt, bestellt Weißwürste und eine Laugenbrezel dazu. Süßen Senf natürlich auch.
Aus den Augenwinkeln beobachtet er die Platzsuche von Roger. Sondiert das Umfeld. Der Biergarten ist um diese Zeit schon gut besucht. Doch noch sind genügend Möglichkeiten eine Bank seiner Wahl zu finden vorhanden. Paul, mit seinem Essensteller in der Hand jonglierend schaut sich suchend um. Ganz wie im Krimi, den er zu lesen begonnen hat. Er kennt sich im Spionagemilieu aus, da laufe das genauso ab. Wie zufällig steuert Paul dann eine von zwei jungen Leuten besetzte freie Bank an. Er nickt kurz, setzt sich umständlich auf das andere Ende der Bank mit Blickrichtung auf Richard. Roger sitzt mit dem Rücken zu ihm.
Zur Kellnerin grunzt Paul „a Halbe Dunkles“ und konzentriert sich scheinbar auf seine Weißwurst, die er gekonnt von der Wursthaut befreit. Zuzeln ist nicht sein Ding. In den Biergärten ist es Mode geworden, auf diese urtümliche Art die Weißwürste zu verzehren. Wenn, dann noch Schnupftabak zur Einsatz kommt, dann ist in Pauls Augen die Sauerei vollkommen. Das schreit zum Himmel. So tief wird er nie sinken. Elendige Manier. Nein Danke, lieber mit Messer und Gabel gesittet speisen, auch wenn er nur vespert.
Immer wieder sucht sein Blick die beiden vor ihm sitzenden Männer. Er beobachtet, registriert jede der Gesten, jedes Lachen. Mit diesem Richard, den Roger immer als Dick J. tituliert, wäre eine Zusammenarbeit vorstellbar. Seine Stimme klingt angenehm und auch sonst schien der Gast aus Amerika nicht auf den Mund gefallen zu sein. Sein deutsch mit leichtem Akzent nahezu einwandfrei, das überrascht ihn, hat Paul nicht erwartet.
Die Idee einer indirekten Observation ist einfach genial. Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Paul observiert vom Nebentisch aus, beobachtet passiv. Er gefiel sich in der Rolle des stillen Beobachters. Als Paul genug gesehen und gehört hatte, trank er mit einem großen Schluck sein Bier aus, schob den leeren Teller von sich. Am anderen Ende der Holzbank gab es einen Personenwechsel, völlig unbemerkt von Paul war zwischenzeitlich das Liebespaar von einem äußerst korpulenten Mann in Lederhose und Trachtenwams ersetzt worden. Der kernige Ureinwohner, eine Maß vor sich, zerteilte mit dicken fettigen Fingern ein Backhendl, dessen Teile er gierig verschlang.
„Herr Nachbar, obacht, passen`s auf, ich steh auf, net das hinten runterfalln.“
„Jo mei, basst scho“ grunzt der Angesprochene, der nach einem kurzen Blick wieder auf seinen Teller stiert und mit den Fingern Pommes frites in seinen offenen Rachen schaufelt. Runtergespült dann alles mit einem Schluck Bier. Fehlt nur noch ein kräftiger herzhafter Rülpser und die Sache wäre filmreif. Dick verfolgt diese kurze Sequenz am Nachbartisch staunend mit offenem Mund. Er glaubt begeistert er habe zwei bayrische Originale in Aktion gesehen. Bei jeder Gelegenheit ihres weiteren Gespräches folgt nun sein obligatorischer Zusatz
„Basst scho, basst scho.“