Читать книгу Auf zum Nullarbor - Hermine Stampa-Rabe - Страница 15

17.01. 2013: Quorn – Wilmington: 41 km

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Als mein Wecker um 4.20 Uhr klingelt, stehe ich auf. Draußen ist es noch stockfinster. Ich wundere mich, weshalb das Geräusch der Wasserspülung in der Toilette wie ein Echo von draußen wieder zurückschallt. Da fällt mir mein Engel von gestern ein, der mir erzählte, dass die rosa Gallahs Geräusche nachahmen. Sie sind sehr gelehrig und können in Gefangenschaft bei richtiger Behandlung bald sprechen. Und draußen sitzen sie massenweise in den hohen Bäumen. Vielleicht saß einer auf dem Dach dieser sanitären Anlage? Warum nicht? Denn ich befinde mich allein auf dem Campingplatz.

Eigentlich wollte ich in der Dunkelheit starten. Meine Packtaschen stehen abreisebereit in der Stube. Aber ein Blick an die Glastür läßt mich diesen Wunsch gleich wieder vergessen. Im Zimmer brennt das Licht. Draußen ist es finster. Und was sehe ich an meiner Glastür? Daran schwirren viele große Flügeltiere herum, die gern herein möchten. Sie haben die Größe von Hornissen, sehen aber grau aus. Sie versuchen, sich gegenseitig mit ihrem Stachel des Hinterleibes zu stechen. Und da soll ich die Tür öffnen? Nein, das geht tatsächlich nicht. Die wären alle hereingekommen. So lege ich mich auf mein Sofa und warte die Zeit ab, bis es draußen hell ist. Und mit der Helligkeit verschwinden meine unerwünschten Zaungäste.

Wunderschön orange färbt sich der Himmel am Horizont. Mit dem fertig bepackten Rad starte ich um 6.30 Uhr in den ruhigen Morgen. Meine zu fahrende Straße kenne ich. So verlasse ich diesen freundlichen Ort und radle auf einer heilen Teerstraße Richtung Wilmington hinaus. Kurz darauf schiebt sich die Sonne über den Horizont und taucht alles in ihren strahlenden Schein. Vor mir breitet sich plattes und wild bewachsenes Gelände aus. Hinter mir lasse ich die Berge der Flinders Range zurück.

Rechts am Wegesrand liegt ein totes Känguru, muss in der Nacht angefahren worden sein. Ein männliches Tier ist es nicht. Vielleicht befindet sich im Beutel noch ein Junges? Das Tier liegt aber auf dem Bauch. Und ich mag es nicht umdrehen. Was soll ich mit einem jungen Känguru-Baby anfangen? Nein, das geht tatsächlich nicht.

So radle ich weiter. Die Luft ist mit 26°C angenehm kühl. Aber mit der Zeit beginnt die Sonne, mir ihre feurige Glut entgegen zu schleudern. Die heutige Strecke bis Wilmington soll nur 40 km betragen. Und auf dieser Entfernung möchte ich die Hitze unbedingt aushalten.

Von Zeit zu Zeit überquere ich eine kleine Vertiefung, die zu einem Fluss gehört, der aber nun in dieser Jahreszeit ausgetrocknet ist. In der Mitte der Vertiefung der Straße steht jeweils ein Wasserstandsanzeiger mit einem Pegelstand bis 2 m. Wenn ich nun nach rechts und links sehe, erblicke ich große und alte Bäume beidseitig des trockenen Flussbettes. Im Untergrund scheint weiterhin Wasser vorhanden zu sein, denn sonst wären diese urigen und knorrigen großen Bäume schon längst abgestorben. Ich radle weiter.

Schafherden grasen mal links, mal rechts. Eine Herde steht auf einem umgepflügten Acker. Was sie da fressen sollen und können, bleibt mir rätselhaft. Auch Pferde grasen auf einer anderen Weide.

So langsam nähere ich mich Wilmington. Vor mir hat sich eine weitere Gebirgskette aufgebaut. Davor muss mein gewünschtes Ziel liegen, kann es aber beim besten Willen nicht entdecken.

Ein Fuchs schnürt quer über die Straße. Auf der rechten Seite springt ein Känguru ins dichtere Gebüsch. Zum Fotografieren ist es einfach zu schnell weg.

Nun radle ich auf das nächste angefahrene und getötete Känguru zu. Dieses hat einen gehörigen Schlag abbekommen. Hierbei ist nicht auf den ersten Blick feststellen, ob es sich um ein weibliches oder männliches Tier handelt. Die Eingeweide liegen überall herum. Es sieht grauenvoll aus. Wer wird diese toten Tiere von der Straße nehmen oder auffressen?

Dann mache ich rechterhand voraus auf einem Feld ein einzelnes großes Tier aus. Ich vermute ein Känguru. Nein, es stellt sich heraus, dass es sich um einen Emu handelt. Den fotografiere ich und rolle weiter. Die Hitze ist noch auszuhalten. Bald muss ich doch ankommen!

Ja, die Kreuzung erscheint und mit ihr das Hinweisschild Wilmington. Meine Augen nach dem Schild für den Caravan-Park aufreißend, radle ich in den Ort hinein und folge dem Hinweisschild. Aber zuvor halte ich an einem kleinen Kaufmannsladen, um mich dort vielleicht ein wenig ausruhen zu können. Draußen herrschen schon 42°C. Drinnen ist es angenehm kühl. Meine Augen saugen sich an einem großen Stück einer Wassermelone fest. Die möchte ich haben und lasse sie mir samt Messer, Gabel und Löffel geben. Es befindet sich hinter der Eingangstür ein Bord, vor dem zwei Stühle stehen. Draußen las ich ja auch die Bezeichnung CAFE für dieses Geschäft. Also setze ich mich dort hin und labe mich an der herrlichen Frucht. Ein einziges Gedicht!

Mir gehen die beiden toten Kängurus nicht aus dem Kopf und frage den Kaufmann: „Wer holt sie von der Straße, oder werden sie dort stinkend vergammeln und austrocknen?“

„Nein“, sagt er. „Das erledigen in ganz kurzer Zeit unsere Vögel und der Fuchs.“

Die junge Verkäuferin empfiehlt mir den Beautiful Valley Caravan Park. Der andere liegt weiter im wilden Binnenland. Nein, dahin zu fahren, habe ich kein Interesse.

Es dauert nicht lange bis zu meinem Tagesziel. Der Besitzer weist mir freundlicherweise einen großen Aufenthaltsraum mit drei Tischtennistischen und einem Fernseher zu. Auch darf mein Rad mit hinein. So brauche ich kein Zelt aufzubauen. In dem wäre ich auch geröstet und alles in meinen Packtaschen durchgebacken worden. Und das Thermometer zeigt mir im Raum 38°C an.

In meinem Notebook erhalte ich zwischen meinen Emails einen Tipp, wie ich mich trotz der Bullenhitze abkühlen kann: meinen Kopf unters Wasser halten und die Nase dünn mit Vaseline von außen und innen bestreichen, dann von der Apotheke rehydriertes Wasser mit Salz und Nasal saline Spray für die Nasenschleimhäute kaufen.

Aber ich bin mal wieder von der Hitze – wenn auch fünf Grad weniger als draußen – wie erschlagen und lege mich auf das von dem Besitzer ausgeklappte Sofa. Als ich wieder aufwache, reiss ich mich zusammen, ziehe mich ausgehfertig an und habe vor, zur Apotheke zu gehen, um mir den Nasen-Spray zu kaufen. Da dieser Caravan-Park aber 1,5 km außerhalb des Ortes Wilmington liegt und ich zu faul bin, umsonst in den Ort zu gehen, betrete ich das Office und frage meinen Wirt, der ein weißes Pony als Freund hat, nach einer Apotheke.

„Nein, hier gibt es keine, aber morgen in Orroorroo. Machen sie ein Taschentuch nass und legen es sich um ihr Genick. Hier werden die kleinen Kinder schon zum Schutz vor der austrocknenden Hitze so erzogen: Die Eltern suchen sich kleine, runde Steinchen, kochen sie aus und geben jedem Kind eins davon in den Mund, wo es immer bleiben muss. Damit wird dafür gesorgt, dass immer wieder neuer Speichel gebildet wird und die Mundschleimhaut nicht austrocknet. Genial, nicht wahr?“

Wie ich diese Bullenhitze die ganzen Monate hier aushalten soll, ist mir schleierhaft. Außerdem kann ich auch keine so weiten Strecken am Tag zurücklegen, wie ich es mir vorgenommen hatte. Meine Fahrradtour wird ein Brief mit sieben Siegeln.

Es ist 16.00 Uhr. Hier im großen Aufenthaltsraum, in dem ich einquartiert bin, herrschen jetzt auch schon 40°C. Mal sehen, wie heiß es nun draußen ist. Draußen herrscht im Moment dieselbe Hitze, weil einige Wolken aufgezogen sind und die Sonne verdecken. Eigentlich ist es nicht zum Aushalten!!

Darum fasse ich mir ein Herz, gehe zu meinem Caravan-Wirt und frage ihn: „Gibt es für ihre Gäste keinen kühlen Aufenthaltsraum?“

„Nein, gibt es nicht.“

„In meinem großen Raum, wo ich schlafen darf, herrschen 45°C. Das ist nicht zum Aushalten. Gibt es hier im Ort ein Restaurant, in das ich mich bis zum Abend setzen darf?“

„Nein, ein Restaurant gibt es nicht, nur ein Hotel. Wollen sie da schlafen?“

„Nein, ich bin nicht reich. Ich werde in dem großen Raum schlafen, wenn es kühler geworden ist.“

„Kommen sie mit. Ich bringe sie in einen kühlen Raum.“

Und damit wandere ich hinter ihm her bis zu einem seiner kleinen Gästehäuser, in das er hineingeht und mich mitnimmt. Sofort stellt er die Aircondition an. Nach einer ganzen Zeit ist die Temperatur auf 33°C gefallen. Mein kleines WIFI funktioniert hier wieder. Der Akku lädt sich auf. Was für ein Glück.

Auf zum Nullarbor

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