Читать книгу Auf zum Nullarbor - Hermine Stampa-Rabe - Страница 21

Bei jungen Gastarbeitern im Backpacker Hostel 23.01.2013: Waikerie – Renmark: 90 km

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Mitten in der Nacht wache ich wieder von der eingefallenen Kälte auf. Diesmal werde ich nicht wieder warm. Um 5.00 Uhr stehe ich müde auf, rolle meine Unterlage zusammen und stelle fest, dass mein Schlafsack an der Fußspitze, wo ich ihn als Schutz meiner Füße vor dem hereinziehenden kalten Wind in die Tasche gesteckt hatte, außen nass geschwitzt ist. Also lege ich ihn draußen auf meinem Fahrrad so hin, dass der Wind ihn trocknen kann. So schnappe ich mir meine Waschtüte mit meiner sauberen Garderobe – der mit der dickeren Hose, die eine dünne Fleece-Schicht innen aufweist und auch meine festeren Socken, sowie das graue Sporthemd und gehe zur Dusche.

Unter dem Bord hing gestern schon diese Spinne. Ob sie giftig ist, weiß ich nicht. Sie hängt noch immer erwartungsvoll unter ihrem Netz und wartet auf neue Nahrung. Ich mache einen großen Bogen um dieses Bord. Ab nun sind mir alle Borde oder Sitzbänke suspekt. Überall kann so ein Tierchen lauern. Aber daran werde ich mich auch noch gewöhnen. Die Menschen hier leben doch alle damit – warum ich nicht auch?

Mit neuen Sachen vollständig angezogen, kehre ich zu meinem Zelt zurück und packe alles auf mein Rad. Und als ich die runde, blaue Cool Box auf meinen Gepäckträger legen will, fällt mir ein, dass ich darin ja noch seit Perth 2 l Wasser mittransportiere. Warum eigentlich? Das Wasser war doch für das Nullarbor gedacht. Und dieses Gebiet liegt doch glücklicherweise schon hinter mir. Und über Tag trinke ich höchstens 1 ½ l. Warum schleppe ich mich eigentlich damit noch ab? Kurzentschlossen hole ich den Wasserbeutel heraus und begiesse damit einen Baum. Ungewohnt leicht läßt sich die runde, blaue Cool Box auf meinen Gepäckträger legen. Da hinein werde ich nun alle meine Esswaren stecken. An diese komme ich dann besser in den Pausen ran.

So nehme ich die Straße nach Renmark bei strahlender Morgensonne und 16°C unter meine Räder. Die Straße ist ganz schön wellig. Aber aufgrund meiner Gepäckerleichterung kann ich angenehm leicht hinaufgelangen. Den Sturzhelm tief vorn in die Stirn gezogen, blendet mich die Sonne nicht. Es rollt sich prima. Waikerie ist umgeben von endlosen Weinplantagen. Mal wieder halte ich an, um mir die Trauben anzusehen. Dunkelblaue! Ich fotografierte sie und fahre weiter. Später halte ich wieder an, um zu sehen, ob hier gelbe Trauben hängen. Nein, auch dunkelblaue. Ich nasche eine kleine Beere davon. Sie zergeht zuckersüß und saftig auf meiner Zunge! Eine ganze Traube wandert in meine Packtasche für den Abend. Ohne schlechtes Gewissen aufgrund der vielen Trauben, die dort an jeder Weinpflanze hängen, radle ich glücklich weiter.

In einem Ort finde ich ein Geschäft, in dem Autoreifen verkauft werden. Das erinnert mich an meinen Bruder Helmut, der Autoschlossermeister von Beruf war. Deshalb weiss ich, dass hier intelligente und tatkräftige Männer vorhanden sind. Ich stoppe und schiebe mein Rad in die große Eingangshalle. Ein Mann sitzt in seinem offenen Büro und schaut ganz verwundert auf mich, die ich mit meinem Sturzhelm auf dem Kopf und dem bepackten Rad bei ihm in der Halle stehe. Er tritt mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu mir. Und dann erkläre ich ihm mein Missgeschick mit dem umgekippten Fahrrad und zeige ihm die nach rechts verbogene Lowrider-Aufhängung am Vorderrad. Nur 1 cm ist noch zwischen meinem Laufrad und dem Metallbogen vorhanden.

Flott nehme ich die kleinen Packtaschen und meine Lenkertasche ab und überlasse ihm mein Rad. Er braucht nicht lange, um zu wissen, was dagegen zu tun ist. Sofort schiebt er das Fahrrad in die nächste Halle, in der sein Kollege mit einem großen Lkw-Rad beschäftigt ist, bittet ihn, mal herzukommen, sich so hinzuhocken, dass das Vorderrad stramm zwischen seinen Knien eingeklemmt ist und dreht oben an meinem Lenker. Und schwupps – meine Lowrider-Aufhängung sitzt wieder richtig!!!! Ein Wunder!!! Ich strahle die beiden Männer an und bedanke mich. Für sie war es nur eine kleine Abwechslung in ihrer Arbeit, und mir haben sie sehr gern geholfen. Ab nun kann ich wieder mit bestem Wissen und Gewissen voll in die Pedalen treten, ohne Angst zu haben, dass irgendwann plötzlich das Rad von der Lowrider-Aufhängung blockiert wird. Ein tolles Gefühl!

Nach einiger Zeit werde ich auf eine gute Fotomöglichkeit hingewiesen. Ganz erwartungsvoll radle ich weiter und suche sie. Es ist der Murray River, der unter einer und später einer weiteren Brücke entlang fliesst. Ich lehne mein Rad hinter der Brücke ans Geländer, wandere zu Fuß am Brückengeländer zurück und verewige diesen legendären Fluss in meinem Fotoapparat. Auf einer Seite erhebt sich eine mindestens 20 m hohe ockerrote Felswand. Auf der anderen Seite der Brücke stehen abgestorbene Bäume wie die einer untergegangenen Allee im Wasser.

So rolle ich weiter. Überwiegend sind wenigstens auf einer Seite Weinstöcke zu sehen. Die andere Seite ist entweder mit wilder, unberührter Natur bewachsen oder weist Stoppelfelder auf.

An diesem Sturt Highway befindet sich ein breiter Seitenstreifen, auf dem ich gut radeln kann. Auf diese Weise kommen die Road Trains nicht in Konflikte und können einfach geradeaus fahren. Hin und wieder wird aber vorher gehupt. So radle ich Renmark entgegen. Nach einem Caravan-Park Ausschau haltend, dringe ich immer weiter in diesen für den Murray River bekannten Ort. Aber auf den ersten Caravan Park will ich nicht, weil er im Binnenland liegt. Ich erkundige mich in einer Tankstelle, ob es hier noch einen zweiten Caravan Platz gibt. Ja, gibt es. Dazu soll ich weiterfahren. Außerhalb des Ortes befindet er sich am Fluss.

Als ich ihn erreiche und mich anmelde, soll ich pro Nacht $39 bezahlen. Und in diesem Ort wollte ich zwei Nächte verbringen! Das übersteigt mein Budget. So drehe ich um und möchte mich nach einem Backpacker Hotel umsehen. Ja, es soll zwei geben. Das erste finde ich. Es ist unbewohnt. Ich folge dem Hinweis nach dem zweiten und finde es tatsächlich. Zuerst wird am Telefon nachgefragt: „Sie sind tatsächlich 75 Jahre?“

„Ja, das stimmt. Ich bin mit dem Fahrrad hier in Australien unterwegs.“

„Sie können kommen.“

Allerhand junge Leute bevölkern es. Mir wird ein Bett in einem 4-Bett-Zimmer zugewiesen. Die beiden Mädchen, beide aus Korea, räumen ihre Sachen von den beiden leerstehenden Betten für mich. Aber ich lasse noch alles Gepäck draußen am Rad, nehme nur mein kleines Notebook und setze mich in den Aufenthaltsraum, um meine Korrespondenz zu beantworten.

Hier lese ich, dass mein gestern von Gudrun in Waikerie aufgenommenes Video schon im facebook steht und von einigen auch schon gesehen wurde. Leider können meine Englisch sprechenden Freunde nichts davon verstehen. Beim nächsten Mal muss ich die Übersetzung gleich zur Hand haben.

Total müde dusche ich und krabble ins Bett. Ein Teil der hier gerade anwesenden Jugendlichen sind mit dem Auto in die Stadt gefahren, um schoppen zu gehen. Ich wurde vorher auch gefragt, ob ich mich ihnen anschließen möchte. Aber ich habe für heute meinen Sport getrieben. Da ich für zwei Nächte buchte, kann ich morgen prima ausschlafen. Möchte mir morgen den Hafen und die hier üblichen Raddampfer ansehen und fotografieren, ansonsten mich mal wieder erholen.

Auf zum Nullarbor

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