Читать книгу 50 - Хидео Ёкояма - Страница 15
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Оглавление6.45 Uhr. Verhörzimmer drei …
Die seltsame Stimmung, die von Shiki ausging, übertrug sich, und auch Sōichirō Kajis Gesicht hatte sich etwas verhärtet.
Shiki setzte sich nicht.
»Es tut mir leid, Sie so früh am Morgen zu stören. Wir würden jetzt fortführen, was wir gestern Mittag abgebrochen haben.«
»…«
»Polizeihauptmeister Kaji, wo waren Sie am 5. und 6. Dezember und was haben Sie dort gemacht?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Am Morgen des 6. waren Sie auf dem Shinkansen-Bahnsteig des Bahnhofs K. Ist das richtig?«
Kaji wurde schlagartig blass.
»Wohin sind Sie mit dem Shinkansen gefahren?«
»Das kann ich nicht sagen …«
Also war er wirklich eingestiegen.
»Die Präfekturpolizei steckt jetzt in einem ziemlichen Dilemma.«
»Das tut mir sehr leid …«
»Dass Sie am Bahnhof K waren, steht in der heutigen Tageszeitung.«
»Was …!«
»Und dort stellt man sich auch die Frage, was Sie am Morgen des 6. vorhatten.«
Kaji blinzelte mehrfach. Er sah aus, als würde er die Bedeutung dieser Frage abwägen.
Es war einfach gewesen, ihn zum Reden zu bringen. Shiki wurde bei dem Gedanken ungeduldig. Kaji hatte gestern von allein eine Falschaussage gemacht. Die hatte Shiki zurückgewiesen. Gesagt, dass er sich darüber keine Sorgen zu machen brauche. Und Kaji hatte sich diese Worte sicherlich zu Herzen genommen.
Ohne dass man ihm Aussagen vorgab, würde man ihn nun nicht mehr zum Reden bringen.
Es war Shikis letzte Option. Aber jetzt, da das Verhör zum Stillstand gekommen war, war es noch schäbiger, wenn Kaji indirekt Shikis Pläne mitbekam und von selbst das Gewünschte wiedergab, als wenn Shiki ihm die Aussagen direkt vorgab.
Nein, falsch. Jetzt war jedes Mittel recht. Hauptsache, er konnte seine Pflicht erfüllen.
Für diesen Mann vor ihm, der keinerlei Freunde oder Familie mehr hatte, würde Shiki die Polizeikarriere, die er sich bisher aufgebaut hatte, nicht zerstören.
Shiki setzte sich.
»Polizeihauptmeister Kaji. Sie haben sich vom Tod angezogen gefühlt.«
Er konnte nicht glauben, dass es seine Stimme war, die da sprach.
»Auch nach Ihrem Selbstmordversuch konnten Sie an nichts anderes denken als den Tod.«
Kaji machte ein Gesicht, als hätte er endlich gefunden, wonach er gesucht hatte.
Yamazaki legte seinen Stift zur Seite und blickte Shiki an. Hör auf damit. Ohne dass er sprach, drang seine Stimme an Shikis Ohren.
Shiki fuhr fort.
»Sie sind am 6., weil Sie einen Ort zum Sterben gesucht haben, durch die Präfektur gelaufen. Ist das richtig?«
Kajis Lippen bewegten sich langsam.
»Ja … das ist richtig.«
Ausgelöscht. Diese Geschichte.
Tief in seinem Kopf spannte sich eine Sommerlandschaft auf. Der Geräteschuppen war völlig zerstört. Vater redete. Du bist doch ein Mann! Sei nett zu deiner Mutter. Unter den zerbrochenen Holzlatten waren die Bücher. Zerrissen. Verdreckt. Vater nahm sie mit seinen Arbeitshandschuhen in die Hand und warf sie in eine Tonne, steckte sie in Brand …
Er hörte Insekten zirpen.
Nein … Das war das Geräusch eines Kugelschreibers. Kurita schrieb Protokoll.
Shikis Körper zitterte leicht.
Er versuchte aufzustehen, aber schwankte.
Seine Brust fühlte sich eng an. Er hätte am liebsten Hemd und Anzug zerrissen, um sich zu befreien.
»Aufhören!«
Das war seine eigene Stimme.
»Aufhören!«
Shiki war zum Protokolltisch geeilt und hatte sich das linierte Papier von Kurita geschnappt. Zerriss es. Zweimal, drei-, vier-, fünfmal. Von Kajis Aussage war nichts mehr übrig, und die Schnipsel lagen auf dem Tisch verstreut.
Kurita hatte seine Schildkröten-Abwehrhaltung eingenommen, Yamazaki die Augen geschlossen und das Gesicht zur Decke gewendet.
Nur Shikis schwerer Atem erfüllte das Verhörzimmer.
Die Tür öffnete sich, und Iyo kam mit vor Wut zuckendem Gesicht hereingestürmt. Er hatte von Raum vier nebenan durch die verspiegelte Scheibe alles mitangesehen.
»Sie sind gefeuert! Sie sind nicht mehr länger Vernehmungsbeamter! Hauen Sie ab!«
»Das hier ist mein Zimmer! Also hauen Sie lieber ab!«, schrie Shiki, ohne nachzudenken, zurück.
»Wa… Wie bitte? Sagen Sie das noch einmal! Sagen Sie’s noch mal, ich hab’s noch nicht ganz verstanden!«
Nun war es zu spät. Es gab kein Zurück.
»Ja, ich sag das, so oft …«, begann Shiki seine Antwort.
»Herr Shiki!«
Der Zwischenruf kam von Kaji.
»Bitte hören Sie auf, Herr Shiki.«
Kaji sank von seinem Stuhl und stützte sich mit beiden Händen auf dem Fußboden ab.
»Ich flehe Sie an. Bitte hören Sie auf. Ich sage die Wahrheit. Ich sage, wie es wirklich war. Also hören Sie bitte auf …«
Alle Augen ruhten auf Kaji. Shikis. Iyos. Yamazakis. Kuritas. Und auch Sasaoka, der in dem Moment das Zimmer betreten hatte, starrte Kaji an.
Kaji schloss die Augen. Seine Tränen benetzten den Fußboden.
»Es ist wahr, am 6. bin ich zum Shinkansen-Bahnsteig gegangen. Aber eingestiegen bin ich nicht. Ich bin den ganzen Tag in der Präfektur umhergelaufen, um einen Ort zum Sterben zu suchen. Der Park … ein Kaufhaus … der Fluss … ich bin immer weitergegangen, um einen Ort zu finden, an dem ich sterben kann.«
Shiki öffnete seine Augen mit einem Ruck.
»Herr Kaji, Sie …«
»Das ist die Wahrheit!«
Kajis Stirn berührte den Fußboden.
»Es ist wirklich wahr! Bitte glauben Sie mir, Herr Shiki. Es war genau so! Genau so …«
Kajis Stimme erstarb, und in Verhörzimmer drei wurde es still.
Kaji hatte »ein halbes Geständnis« abgelegt.
Die Geschichte war zu Ende, das Buch geschlossen.