Читать книгу 50 - Хидео Ёкояма - Страница 8

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Ihn beim Titel zu nennen gehörte zur Samurai-Ehre. In diesem Moment wurde im Hauptquartier ein Komitee für das Disziplinarverfahren einberufen, in dem über Sōichirō Kajis Entlassung entschieden werden würde. Man beeilte sich, damit man bei der Pressekonferenz nicht etwa von einem Angestellten, sondern von einem »ehemaligen Polizisten« reden konnte.

Andererseits rief es in Shikis Herz auch starken Widerwillen hervor, Kaji mit dem Titel »Polizeihauptmeister« anzusprechen. Er spürte, dass es ihm unangenehm war, einen Kollegen als Verdächtigen zu vernehmen. Es war eben doch wie eine Familie. Egal, ob man jeden Tag Kontakt miteinander hatte oder nicht.

Dennoch musste man zuerst an die gegenwärtige Situation denken.

»Die Tat, die Sie begangen haben, erschüttert die Polizei der Präfektur W.«

»Ja …«

Kaji senkte den Kopf in einer Geste der Scham.

»Ich habe dadurch alle Mitglieder der Präfekturpolizei in Schwierigkeiten gebracht, und mir fehlen die Worte, mich dafür zu entschuldigen.«

Shiki nickte ein Mal.

»Da die Tat von einem Polizisten begangen wurde, müssen wir uns auf die Reaktion der Massenmedien einstellen. Insofern wird dieses Verhör etwas anders als gewöhnlich. Ich werde Sie zuerst direkt zum Vorfall befragen.«

Es war gut, die üblichen einleitenden Fragen auslassen zu können, wie nach dem Geburtsort, den Vorstrafen, dem Lebenslauf und dem Rangregister. Das alles wurde dokumentiert, wenn jemand als Polizist eingestellt wurde.

Shiki warf einen Blick auf die Unterlagen vor sich.

Keiko Kaji. 51 Jahre.

»Also, dann beginne ich. Haben Sie Ihre Ehefrau Keiko Kaji umgebracht?«

Kaji richtete sich auf und fing nach kurzer Pause an zu sprechen.

»Weil sie … mir leidtat.«

»Ihre Frau war krank?«

Kaji nickte kurz.

»Bei Keiko wurde Alzheimer diagnostiziert.«

Das brachte Shiki ziemlich aus der Fassung.

»Es gab schon seit etwa zwei Jahren Anzeichen. Sie hatte immer häufiger Kopfschmerzen und Schwindel und hat ständig Medikamente dagegen genommen. Aber weil es nicht besser wurde, sondern sich sogar verschlimmerte, habe ich sie, obwohl sie sich gesträubt hat, im April ins Krankenhaus gebracht. Ich hab ihr die Diagnose nicht mitgeteilt, aber sie scheint etwas geahnt zu haben. Sie hat Medizinbücher konsultiert und sich immer öfter gefragt, ob sie nicht vielleicht Alzheimer haben könnte …«

Die Krankheit war also ungewöhnlich schnell fortgeschritten.

Man verwechselt Daten oder Wochentage. Manchmal kann man die Uhr nicht mehr lesen. Man verliert Dinge und vergisst wichtige Verabredungen. Um solche Verfehlungen zu reduzieren, macht man sich Notizen, vergisst dann aber, dass man sich etwas notiert hat. Und wenn man merkt, was man vergessen hat, ist das zutiefst verstörend. Man kämpft gegen die Angst. Fragt sich, wie lange man noch ein Mensch bleibt …

»Im Sommer war sie sich sicher, an welcher Krankheit sie litt. Sie hat immer wieder ›Ich will sterben, ich will sterben‹ zu mir gesagt. Ich habe ihr Mut gemacht. Ihr gesagt, dass ich ohne sie nicht weiß, was ich tun soll. Sie gefragt, wer, wenn sie stirbt, die Blumen auf Toshiyas Grab gießen soll …«

Shiki blickte auf die Unterlagen.

Toshiya Kaji. Vor sieben Jahren an akuter myeloischer Leukämie verstorben. Dreizehn Jahre zum Zeitpunkt des Todes.

»Aber das hat eher das Gegenteil bewirkt … Das war vor drei Tagen.«

Die Beschreibung des Verbrechens begann also.

»Am 4. Dezember, richtig?«

»Ja. An Toshiyas Todestag.«

Er hatte seine Frau am Todestag seines Sohnes umgebracht …

Shiki fühlte sich, als würde man ihm mit einem schweren Gegenstand aufs Herz schlagen.

»Mittags sind wir zusammen zum Friedhof gegangen. Keiko hat das Grab gefegt, den Grabstein gründlich gereinigt und lange Zeit gebetet. Wenn er nicht gestorben wäre, wäre er an dem Tag volljährig geworden. Sie hätte gern ein Foto von ihm in festlicher Kleidung gemacht. Ihr standen Tränen in den Augen, als sie das gesagt hat. Aber …«

Kaji hörte auf zu reden und blickte ins Leere. In seinen Augen spiegelte sich die Szene wohl gerade noch einmal.

Shiki wartete schweigend.

Kajis trockene Lippen bewegten sich.

»Am Abend war Keiko sehr aufgeregt. Dass sie noch nicht zum Grab gegangen sei. Ich sagte ihr immer wieder, dass sie schon gegangen war, aber vergeblich. Sie konnte sich nicht erinnern. Keiko ist fast wahnsinnig geworden. Dass sie Toshiyas Todestag vergessen habe. Dass sie keine Mutter mehr sei. Kein Mensch mehr sei. Sie hat geschrien, dass sie sterben will … mit Händen und Füßen um sich geschlagen, ist herumgetobt und gegen Dinge gestoßen, hat mit Gegenständen um sich geworfen … Ich hab verzweifelt versucht, sie aufzuhalten, aber Keiko hat nur laut geweint und immer wieder gerufen: ›Bitte bring mich um, bring mich um! Ich will sterben, bevor ich Toshiya vergesse … Ich will wenigstens als Mutter sterben …‹ Hat meine Hände zu ihrem Hals geführt und gesagt: ›Ich flehe dich an, ich flehe dich an!‹«

Shiki ballte seine Hände im Schoß.

»Ich habe sie erwürgt … sie tat mir so leid, … dass ich sie mit eigenen Händen erwürgt habe. Es tut mir so leid …«

Tötung auf Verlangen …

Dann ein Quietschen. Kurita hatte seinen Stuhl zurückgeschoben und war aus dem Zimmer geeilt. Viertel nach neun. Der wollte wohl in der Pressekonferenz Kajis Geständnis weitergeben.

Shiki drehte sich wieder um.

In Kajis Augen standen Tränen. Aber sie waren immer noch genauso klar wie zuvor. Er hatte seine Frau von ihrem Leid befreit. War das der Grund dafür, dass seine Augen so klar waren?

Shiki wollte dieses Buch erst einmal schließen.

Eine gewichtige Aussage. Mit eincem Inhalt und einer Schwere, die seine Brust nicht tragen konnte. Es fühlte sich an, als würde Keikos Weinen und Schreien im Verhörzimmer widerhallen.

Doch bevor er eine Pause einlegen konnte, gab es noch eine Sache, die Shiki fragen musste. Und die hatte mit den »zwei fraglichen Tagen« zu tun, die der Leiter des Kriminaldezernats, Iwamura, erwähnt hatte.

»Polizeihauptmeister Kaji.«

Shiki blickte Kaji in die Augen.

»Was haben Sie nach der Tat gemacht?«

Kaji erwiderte Shikis Blick sofort.

Aber … er antwortete nicht.

15 Sekunden … 30 Sekunden … eine Minute …

Kaji war einfach still. Es war kein böser Wille zu erkennen. Keinerlei Widerstand. Nicht einmal seine Lippen zitterten. Der verkrampfte Körper von Protokollant Yamazaki sprach von seiner Anspannung. Die Stille war undurchdringlich.

Erstaunlich. Vor wenigen Minuten war Kaji noch ein Paradebeispiel für ein »volles Geständnis« gewesen.

Shiki beugte sich über den Tisch.

Kaji überlegte wohl, was die Frage bedeutete. Mit dieser kleinen inneren Hoffnung fragte Shiki ein zweites Mal.

»Nach der Tötung Ihrer Frau bis zu Ihrer Selbstanzeige sind zwei ganze Tage vergangen. Wo waren Sie währenddessen und was haben Sie getan?«

Kaji saß mit noch immer verschlossenen Lippen da.

Für einen Moment kreuzten sich Shikis und Yamazakis Blicke. Sie gaben sich ein Signal. Ihre Augen sagten:

Sōichirō Kaji ist »zur Hälfte geständig«.

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