Читать книгу Die Hauptsache - Hilary Leichter - Страница 6

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»Und was ist dein Traumjob?«, fragt mich mein ernster Freund, das Kinn auf die Hand gestützt.

»Schwer zu sagen«, antworte ich.

»Du musst es versuchen!«

Ich besinne mich auf meinen größten Wunsch. An manchen Tagen habe ich das Gefühl, er wird mir erfüllt, aber dann verschwindet das Gefühl wieder, so wie ein Niesreiz manchmal wieder verschwindet. Es heißt, dass sich schon bei den ersten Anzeichen von Entfristung der Herzschlag beschleunigt, einem das Blut in die Wangen schießt. Ich habe sie alle gelesen, die Broschüren und Flugblätter. Manche Aushilfen schwören darauf, dass Schüttelfrost, Pulsrasen und Schweißausbrüche die ersten körperlichen Anzeichen einer nahenden Entfristung sind. Ich habe Angst, die Symptome meiner eigenen Entfristung zu verpassen, sie einfach zu übersehen. Sie nennen es auch: die Beständigkeit.

»Wenn man’s merkt, dann merkt man’s eben«, sagen die vom Glück Begünstigten. »Man kann es nicht erzwingen.«

Manche Aushilfen werden nie entfristet und sterben, noch bevor sie im Leben Fuß gefasst haben.

»Mein Traumjob ist ein Job, der bleibt«, sage ich zu meinem ernsten Freund. »Vielleicht bekomme ich ihn nicht morgen oder über Nacht, aber eines Tages werde ich aufwachen und so sein wie du.«

»Aber Süße, du kannst doch sein, was du willst!« Er streicht mir mit beiden Händen die Haare glatt, die sofort wieder in ihren Ausgangszustand zurückpuffen.

Mein ernster Freund, derjenige, der mit spitzen Fingern die Spinnen von meinem Teppich zupft und behutsam auf die Fensterbank legt, wohnt nicht bei mir. Keiner meiner Freunde wohnt bei mir, dafür sind ihre Freizeitpullover bei mir eingezogen, pillerige, haarige Wesen in meinem Schrank voller Business-Outfits. Manchmal bringe ich dem falschen Mann den falschen Pullover zurück, aber immer bleibt der Fehler unbemerkt. Was wir miteinander haben, ist nicht von Dauer, und das wissen sie auch. Sie kommen an bestimmten Abenden in der Woche, in bestimmten Wochen im Monat, sie sind eine Aneinanderreihung von offenen Armen, flauschige Papierpüppchen, die sich dem Sonntag entgegenziehen.

Ich habe sie meiner Mutter vorgestellt, aber persönlich begegnet ist sie ihnen, den Leitlinien für befristetes Leben entsprechend, nur ein einziges Mal. Zuvor hatte sie die Fotoziehharmonika begutachtet, die sich aus meinem Portemonnaie bis auf den Küchenboden zog.

»Der hier«, sagte sie, »hat hübsche Augen.«

»Mein Gourmetfreund.«

»Dein Bauch wird immer voll sein. Kluges Mädchen. Und der da?«

»Mein größter Freund.«

»Hm. So groß sieht er gar nicht aus.«

»Er hat nicht ganz aufs Bild gepasst.«

»Hm.«

»Den hier mag ich am liebsten«, sagte ich und ging die Selfies und Passfotos durch. Sie kniff die Augen zusammen und musterte sein komisches Grinsen. »Gibst du mir deinen Segen?«

»Sehe ich etwa wie eine Kupplerin aus?«, fragte sie und feuerte das Foto auf den Tisch. Meine Anspielung auf entfristete Verpartnerung hatte sie enttäuscht.

Im Küchenschrank meiner Mutter standen saubere, leere Tassen. Sie stärkte und bügelte ihre Kleider und brachte ihre Wimpern mit einer Zange in Form. Selbst wenn sie krank war, trug sie ihre Lieblingsohrringe.

»Sei vernünftig«, höre ich sie noch immer sagen. »Erzähl mir von deinen Jobs.«

Die Hauptsache

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