Читать книгу Die Hauptsache - Hilary Leichter - Страница 7

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Meine Ansprechpartnerin in der Agentur heißt Farren. Feuchtigkeitsgepflegt, mit frischem Teint und glänzendem Lipgloss, ist sie der Inbegriff von Selbstbewusstsein und Selbstfürsorge. Ihre Nägel sind stets glitzernd lackiert und blitzen unter weißen Manschetten wie Sternbilder zwischen Wolkenlücken hervor. Dies nun also, denke ich, sind die aus dem Himmel greifenden, mit Formularen und Verträgen hantierenden Hände, die mir ehrliche Arbeit verschaffen werden.

Während unseres ersten Gesprächs kletterte Farren auf ihren Schreibtisch und dirigierte mich in ihren bequemen Stuhl. Der Vorgang erschien mir so seltsam und beunruhigend, als wäre sie an die Decke gekraxelt, um mich in ein System aus Seilen einzuspannen. Ich fragte mich, ob ich einer Prüfung unterzogen wurde. Es fiel mir schwer, nicht einzuschlafen.

»Und? Wie fühlt sich das an?«, fragte sie und schob schwungvoll einen Stoß Papier beiseite, um für ihre Beine Platz zu machen.

»Wow, Farren, das ist ja der Wahnsinn!« Die ergonomische Lehne ihres Stuhls nahm mir jede Nervosität, versetzte mich in Trance, vielleicht beides.

Bin ich eingenickt? Schon möglich.

Denn was danach geschah, kann ich nicht genau sagen. Ein Moment der Ergo-Telepathie vielleicht, eine Gelegenheit für die Agentur, der nackten Mechanik meines Geistes auf den Grund zu gehen. Den geheimen Antrieb zu erkunden, das verborgene Gewinde, das die Taktung meines Humankapitals offenbart. Und dann: ein Schaudern, ein kurzes Unwohlsein, wie in einem Bürostuhl, der sich dreht und etwas zu weit nach hinten kippt. Vielleicht fühlt es sich so an, wenn man Beständigkeit erlangt, dachte ich, während mein hoffnungsvoller Geist durch einen engen Tunnel raste. Ich fühlte meinen Puls, wartete auf eine Melodie, das Klingeln eines Glöckchens oder irgendeinen anderen versteckten Hinweis, dass mir Entfristung gewährt worden war.

War sie aber nicht. Befristete Beschäftigung flutete meine Blutbahn aufs Neue. Altvertraut und flüchtig.

»Alles okay?«, fragte Farren. Sie reichte mir ein Formular, berührte mit kaltem glitzerndem Fingernagel meinen Ellenbogen. Nur der Nagel, nicht der Finger! Ich wusste nicht, ob sie mich trösten oder kratzen wollte.

»Alles bestens. Danke, Farren.«

»Sehr gut! Dieser Traumjob darf dir nämlich auf keinen Fall durch die Lappen gehen!«

Auch ich wollte nicht, dass mir Jobs durch die Lappen gingen, wollte es nicht und will es auch jetzt nicht. Ständig fülle ich Formulare aus. Ständig schüttle ich Hände. Ständig werde ich eingestellt, immer wieder aufs Neue. Die Arbeit zu erledigen, die man mir gibt, sie gut zu erledigen, darin besteht der erste Schritt auf dem sicheren Weg zur Entfristung.

Die Hauptsache

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