Читать книгу Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) - Holger Hembach - Страница 18

3) Der UK Modern Slavery Act

Оглавление

Der „UK Modern Slavery Act“ gehört im Wesentlichen zu den Gesetzen, die zum Schutz vor Menschenrechten durch die Erhöhung von Transparenz und die Information von Verbrauchern beitragen sollen. Verbraucher und Nichtregierunsorganisationen sollen in die Lage versetzt werden, Druck auf Unternehmen auszuüben, damit diese effektive Maßnahmen gegen moderne Sklaverei und Menschenhandel ergreifen.94 Er verpflichtet bestimmte Unternehmen, über die Risiken moderner Sklaverei in ihren Lieferketten zu berichten und die Maßnahmen zu beschreiben, die sie ergreifen, um diese Risiken abzumildern bzw. moderne Sklaverei zu verhindern.

Darüber hinaus führt das Gesetz jedoch auch die Straftatbestände Menschenhandel, Sklaverei, Leibeigenschaft und Zwangsarbeit ein. Des Weiteren enthält es Regelungen zur Einziehung von Vermögenswerten bestimmter Straftäter, zum Umgang mit Opfern moderner Sklaverei, zur Zuständigkeit bei Straftaten auf See und zur Schaffung des Amtes eines Anti-Sklaverei-Kommissars.

Seine Verabschiedung diente damit auch der Umsetzung internationaler Verpflichtungen95 nach der „Council of European Convention on Action against Trafficking in Human Beings“, nach der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2011/36/EU) sowie des Palermo Protokolls.96 Die Einführung spezifischer Delikte, die Sklaverei und Leibeigenschaft unter Strafe stellen, war auch eine Reaktion auf das Urteil des EGMR im Fall C. N. gegen das Vereinigte Königreich, in dem der Gerichtshof geurteilt hatte, dass die Gesetze im Vereinigten Königreich keinen hinreichenden strafrechtlichen Schutz gegen Verletzungen des Verbots von Sklaverei und Zwangsarbeit nach Art. 4 EMRK boten.97

Dementsprechend verweist Section 1 Abs. 2 des UK Modern Slavery Acts hinsichtlich der Definition der Begriffe Sklaverei und Leibeigenschaft auf Art. 4 EMRK. Nach Section 1 Abs. 1 macht sich strafbar, wer eine andere Person in Sklaverei oder Leibeigenschaft hält, unter Umständen, unter denen der Täter wusste oder wissen musste, dass die andere Person in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten wird. Bei der Beurteilung, ob eine Person in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten wird, kommt es auf alle Umstände des Einzelfalles an (Abs. 3). Das Gesetz nennt beispielhaft den Umstand, dass es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt, ihre familiären Verbindungen und jede physische oder geistige Krankheit, die sie verletzlicher als andere Personen machen.

Ein weiteres Kerndelikt des UK Modern Slavery Act ist das des Menschenhandels („human trafficking“). Die Straftat des Menschenhandels begeht, wer eine Reise einer anderen Person arrangiert oder durchführt, um die Ausbeutung dieser Person zu ermöglichen. Diese Definition unterscheidet sich von den Definitionen des Palermo Protokolls und der EU-Anti-Menschenhandel-Richtlinie insofern, als die Letztgenannten das Erfordernis der „Reise“ nicht nennen (siehe unten S. 64). Die britische Regierung ging jedoch davon aus, dass das Erfordernis der Reise im Palermo-Protokoll impliziert sei.98 Eine unabhängige Überprüfung des Gesetzes und seiner Umsetzung, die die Regierung in Auftrag gegeben hatte, kam zu dem Ergebnis, dass die Definition des Menschenhandels angepasst werden sollte.99

Der für Zwecke dieses Buches wichtigste Bereich ist die Berichtspflicht: Section 54 des UK Modern Slavery Acts verpflichtet Unternehmen einer bestimmten Größe, ein „modern slavery statement“ betreffend die Risiken von Sklaverei und Menschenhandel in ihrem Geschäftsbereich oder ihrer Lieferkette zu veröffentlichen. Öffentliche Stellen oder Behörden sind also nicht berichtspflichtig. Dies wird häufig kritisiert.100

Zur Erstellung eines Modern Slavery Statement verpflichtet sind:

 – Kommerzielle Organisationen, gleich welcher Rechtsform und unabhängig von ihrem Sitz oder dem Ort ihrer Registrierung

 – die ein Geschäft oder einen Teil ihres Geschäftes im Vereinigten Königreich betreiben

 – die Güter oder Dienstleistungen anbieten

 – die einen jährlichen Gesamtumsatz von 36 Millionen Pfund oder mehr erzielen.

Gesamtumsatz bedeutet dabei der Umsatz der Organisation oder ihrer Tochterunternehmen, der durch die Veräußerung von Gütern oder Dienstleistungen erzielt wird, die zu den normalen Aktivitäten dieser Organisation oder ihrer Tochtergesellschaften gehören, nach Abzug von Umsatzsteuer, anderen Steuern und Rabatten.101 Das Fehlen einer Definition des Begriffs „Geschäftstätigkeit“ („carrying on a business“) erschwert es in einigen Fällen, festzustellen, ob ein Unternehmen der Berichtspflicht unterfällt. Nach den Hinweisen, die die Regierung zur Umsetzung des Gesetzes gibt, sind Kriterien, die auf eine Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich hindeuten, eine Registrierung im UK Companies House, Geschäftsräume im Vereinigten Königreich, die Erbringung von Dienstleistungen im Vereinigten Königreich, das Erzielen von Einkommen im Vereinigten Königreich.102 Die Umsatzgrenze ergibt sich nicht aus dem Text des Gesetzes; sie wird auf Grundlage des Gesetzes vom Innenministerium festgelegt.

Der Bericht muss in jedem Geschäftsjahr veröffentlicht werden. Er muss, abhängig von der Gesellschaftsform, von der Führung des Unternehmens unterzeichnet sein, also etwa vom Vorstand im Falle einer Aktiengesellschaft oder von einem „General Partner“ im Fall einer „Limited Partnership“ (Section 54 Abs. 6).

Das „Modern Slavery Statement“ kann Informationen enthalten über (Section 54 Abs. 5)

 – die Struktur der Organisation, ihr Geschäft und ihre Lieferketten

 – ihre Herangehensweise („policies“) bezüglich Sklaverei und Menschenhandel

 – ihre Prozesse zur Ausübung der Sorgfaltspflicht bezüglich Sklaverei und Menschenhandel in ihrem Geschäftsbereich und in ihren Lieferketten

 – die Teile ihres Geschäftsbereichs und ihrer Lieferketten, in denen es Risiken von Sklaverei und Menschenhandel gibt und die Schritte, die sie eingeleitet hat, um diese Risiken einzuschätzen und mit ihnen umzugehen

 – die Effektivität dabei, sicherzustellen, dass Sklaverei und Menschenhandel in ihrem Geschäftsbereich oder in ihren Lieferketten nicht stattfindet, auf Grundlage der Indikatoren, die sie für angemessen hält

 – das Training, das sie ihren Mitarbeitern über Sklaverei und Menschenhandel anbietet.

Berichtspflichtige Organisationen müssen das „Modern Slavery Statement“ auf ihrer Webseite veröffentlichen und deutlich erkennbar verlinken, wenn sie über eine Webseite verfügen (Section 54 Abs. 7); andernfalls müssen sie es auf Anfrage zur Verfügung stellen (Section 54 Abs. 8).

Es gibt keine öffentliche Stelle, bei der die Berichte eingereicht oder deponiert werden müssen. Zunächst sammelten Nicht-Regierungsorganisationen die Modern Slavery Statements und stellten sie auf Webseiten zur Verfügung, um den leichten Zugriff zu ermöglichen und die Vergleichbarkeit zu erleichtern. Inzwischen stellt die britische Regierung eine solche Webseite (Modern Slavery Registry) zur Verfügung.103 Die Einreichung der Berichte auf dieser Webseite ist aber freiwillig. Die Nicht-Regierungsorganisationen haben daher ihre entsprechenden Webseiten geschlossen.104 Das Archiv mit früheren Berichten, Analysen der Berichte usw. ist aber weiterhin zugänglich.

Das Gesetz sieht keine echten Sanktionen für Verstöße gegen die Berichtspflicht vor. Der zuständige Minister kann bei einem Gericht eine Anordnung beantragen, ein Modern Slavery Statement zu erstellen, wenn ein Unternehmen gegen die Berichtspflicht verstößt (Section 54 Abs. 11). Diese Vorschrift ist aber bislang nie angewandt worden,105 obwohl nach Berichten von Nicht-Regierungsorganisationen 40 % der berichtspflichtigen Unternehmen seit Inkrafttreten des UK Modern Slavery Acts konsistent gegen ihre Berichtspflicht verstoßen haben.106 Als Reaktion auf Berichte über Zwangsarbeit durch Uiguren in Xinjiang kündigte die britische Regierung im Januar 2021 an, künftig finanzielle Sanktionen für Verstöße gegen die Berichtspflicht einzuführen.107

Die britische Regierung hat eine Handreichung zur Anfertigung der Modern Slavery Statements veröffentlicht.108 Dennoch ist es ein häufiger Kritikpunkt, dass die Berichte nach dem UK Modern Slavery Act nicht zu einer echten Information über die Risiken moderner Sklaverei in Lieferketten und über die Maßnahmen dienen, die Unternehmen ergreifen.109

Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Подняться наверх