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A) Einführung

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Milton Friedmann schrieb Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in seinem Buch „Kapitalismus und Freiheit“: „Es gibt eine, und nur eine, soziale Verantwortung eines Unternehmens – seine Ressourcen zu nutzen und Aktivitäten vorzunehmen, die dazu dienen, seine Profite zu steigern, solange es die Regeln beachtet, das bedeutet, sich an einem offenen und freien Wettbewerb ohne Täuschung oder Betrug beteiligt“.1

Unternehmen vertreten diese Auffassung, zumindest offen, kaum noch. Sie bekennen sich zum großen Teil zu ihrer Verantwortung für die Gesellschaft und die Umwelt. Dabei sehen sie sich Druck von verschiedenen Seiten ausgesetzt. Konsumenten und Mitarbeiter erwarten, dass Unternehmen hohen Standards in Bereichen wie Menschenrechte, Umweltschutz, Diversität und Inklusion gerecht werden. Davon machen sie in vielen Fällen Konsumentscheidungen oder Entscheidungen darüber, wo sie tätig werden möchten, abhängig.

Darüber hinaus spielen derartige Faktoren häufig auch bei Entscheidungen über Investitionen eine Rolle. 2006 entwickelte eine Gruppe institutioneller Investoren mit Unterstützung der UN die „Principles for Responsible Investment“; zahlreiche Investoren, darunter der weltweit größte Vermögensverwalter Blackrock, haben sich dieser Initiative angeschlossen. Die Prinzipien besagen im Wesentlichen, dass Investoren verstärkt sogenannte ESG-Kriterien bei Investitionen berücksichtigen werden und von Unternehmen Informationen hierzu verlangen.

Das Kürzel ESG steht für Environment, Social, Governance. Der Begriff geht zurück auf einen Bericht den die Finanz-Initiative des UN Umweltprogramms (UNEP Finance Initiative) 2004 veröffentlichte. Dieser trug den Titel „The Materiality of Social, Environmental and Corporate Governance Issues to Equity Pricing“ und befasste sich mit den möglichen finanziellen Folgen des Klimawandels, Beschäftigungsrisiken und Risken der öffentlichen Gesundheit, politischen Rechten und der Unternehmensführung,

Im Anschluss daran wurde im Auftrag der UNEP Finance Initiative 2005 ein Bericht mit dem Titel „A legal framework for the integration of environmental, social and governance issues into institutional investment“ veröffentlicht, der den Begriff in der heute üblichen Form etablierte. Er definierte ESG-Themen als solche, die eines oder mehrer der folgenden Charakteristika aufweisen:

 • Sie sind im Fokus der öffentlichen Anliegen

 • Sie sind qualitativ und nicht ohne weiteres finanziell mess- oder bewertbar

 • Sie spiegeln äußere Faktoren wider, die von Marktmechanismen nicht gut erfasst werden (wie beispielsweise Umweltverschmutzung)

 • Sie sind häufig der Gegenstand eines strenger werdenden regulatorischen Rahmens

 • Sie tauchen in der Lieferkette eines Unternehmens auf

ESG-Kriterien sollen danach in zweifacher Hinsicht eine Rolle bei Entscheidungen über Investitionen spielen. Einerseits können sie Einfluss auf die künftige Wertentwicklung und damit das Risiko einer Anlage haben; andererseits sind sie bei der Einschätzung der Folgen eines Investments für die gesamte Gesellschaft zu berücksichtigen.

Inzwischen wird der Begriff ESG häufig auch allgemeiner im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit und der sozialen Verantwortung von Unternehmen gebraucht.

Schließlich haben auch Staaten ein Interesse daran, dass Unternehmen sich ihrer Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt bewusst sind. Die Transformationsprozesse, die in vielen Bereichen als notwendig oder wünschenswert angesehen werden – beispielsweise, um den Klimawandel zu bekämpfen – sind häufig ohne Mitwirkung der Wirtschaft kaum zu bewältigen.2

Unternehmen haben auf diese Erwartungen in der Vergangenheit vor allem im Rahmen ihrer „Corporate Social Responsibility“ geantwortet. Allerdings sind solche Maßnahmen und ihre Ergebnisse für Verbraucher nur schwer überprüfbar. Aus Sicht des Unternehmens kann es daher genug sein, wenn Konsumenten glauben, das Unternehmen sei besonders nachhaltig.3 Das hat zum sogenannten „green-washing“ geführt, also den Versuch, das eigene Unternehmen oder bestimmte Produkte als ökologisch oder sozial besonders verantwortungsvoll darzustellen, ohne diesem Standard tatsächlich gerecht zu werden.

Eine mögliche Antwort darauf ist Transparenz. Je besser Verbraucher sich informieren können, wie „nachhaltig“ oder „fair gehandelt“ Produkte wirklich sind, desto geringer ist die Gefahr des Greenwashing. Es gibt inzwischen ein große Zahl and Siegeln und Zertifikaten, die bestätigen, dass Unternehmen oder Produkte bestimmten Anforderungen genügen. Gerade durch ihre Vielzahl erschweren sie aber die Information, denn kaum jemand möchte sich vor einer Kaufentscheidung zunächst ausführlich damit auseinander setzen, was ein bestimmte Zertifikat oder Siegel bestätigt und was nicht.

Auch der Gesetzgeber versucht in bestimmten Bereichen, die Transparenz zu erhöhen. Regelungen wie der UK Modern Slavery Act (dazu unten S. 28) oder die EU-Konfliktmineralienverordnung verpflichten Unternehmen zu bestimmten Informationen, um bestimmte Probleme im Zusammenhang mit der Produktion oder der Herkunft von Gütern sichtbar zu machen. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen wird von vielen bezweifelt.4

Deshalb gibt es international vermehrt Regelungen, die Unternehmen zu konkreten Maßnahmen verpflichten, um den Schutz von Menschenrechten und Umwelt zu gewährleisten. In dieses Umfeld fügt sich das LkSG ein.

Das Gesetz gehörte zu den umstrittensten der letzten Legislaturperiode. Die Kritik entzündete sich sowohl am Konzept des LkSG als auch an seiner konkreten Umsetzung. In konzeptioneller Hinsicht bemängelten Kritiker unter anderem, dass der Staat an der politischen Aufgabe, den Schutz der Menschenrechte im Ausland zu gewährleisten, gescheitert sei, und dies nun den Unternehmen aufbürde, dass die Gewährleistung der Menschenrechte eine staatliche Aufgabe sei und dass das Gesetz in geradezu imperialistischer Weise deutsche Wertvorstellungen ins Ausland exportiere. Bezüglich der Umsetzung wurde bemängelt, das Gesetz belaste Unternehmen übermäßig und sei wegen seiner Unbestimmtheit verfassungswidrig.

Es wird sich zeigen, ob diese verfassungsrechtlichen Bedenken durchgreifen. Jedenfalls langfristig werden Unternehmen mit Pflichten der Art, wie das LkSG sie vorsieht, leben müssen.

Einige Länder haben bereits Gesetze erlassen, die Unternehmen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten auferlegen, in anderen werden sie ernsthaft erwogen. In der Endphase der Produktion dieses Buches legte die EU-Kommission einen Entwurf der „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ vor. Diese erlegt bestimmten Unternehmen Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt auf und orientiert sich u.a. an den UN Guiding Principles for Business and Human Rights (siehe dazu unten S. 21). Dieser Trend wird sich nicht zurückdrehen lassen.

1 Zitiert nach: The Social Responsibility of Business is to Increase its profits, The New York Times Magazine, September 13, 1970, 13. September 1970. 2 Nietsch, Corporate Social Responsibility Compliance, S. 3. 3 Vgl. Smith zum Slogan „ein verkaufter Kasten Bier schützt einen m2 Regenwald“, PR and Greenwashing: Wie wahr ist die Wahrheit, CSR-News, 06.06.2018 https://csr-news.org/2018/06/06/pr-und-greenwashing-wie-wahr-ist-die-wahrheit/. 4 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte, S. 4.

Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

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