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Alte Zeiten – Ingrid

Die „Stadt meiner Väter“, so habe ich die „Spargelstadt Lampertheim“ als Fünfzehnjähriger genannt. Ein Blödsinn eigentlich. Ich habe nur einen Vater und der stammt aus Sandhofen. Gott, oder wer auch immer, hab ihn selig! Aber dieses Städtchen habe ich damals geliebt, ich war mehrmals in der Woche dort. Warum wohl? Na, ich habe nicht nur diesen Ort geliebt, sondern auch ein Mädchen, Ingrid, hübsch, ein wenig pummelig, mit allem versehen, was man als junger, pubertierender Kerl, kaum trocken hinter den Ohren, braucht. Wehmütig denke ich an unsere ersten zaghaften Küsse und dann das ausgiebige Petting in der letzten Reihe des Kinos zurück.

Und plötzlich fühle ich wieder diesen Schmerz um mein linkes Auge. Mir fällt dieser stadtbekannte Schläger ein, der mir damals auf eben dieses Auge gehauen hat. Ich sehe die Situation, die seit 45 Jahren in meinem Hinterkopf schlummert, glasklar vor mir: Zu dritt sind diese Arschlöcher, zwei halten mich fest und der Obermotz haut mir mit der Faust aufs linke Auge und stellt sich dabei mit Namen vor, begleitet vom hämischen Gelächter seiner Kumpane.

„Scheiß Kerl“, schreit Ingrid und tritt dem Schläger auf den Arsch. „Bloß weil ich dich nicht rangelassen hab. Haut bloß ab, ihr feigen Schweine!“

„Halt’s Maul, dumme Fotze!“, schreit der Schläger. „Sei froh, dass ich dir nicht die Fresse poliere!“

Mut hatte sie schon, meine kleine Ingrid. Sie wusste, wie sie diesen Idioten behandeln musste. Sie kannte den schon seit dem Kindergarten. „Alleine ist der so klein mit Hut“, sagte sie mir einmal und zeigte es mir mit Zeigefinger und Daumen.

Jedenfalls begleiten uns die drei mit höhnischem Gekicher bis zur Haltestelle und warten bis der Bus kommt.

„So, rein mit euch und verpisst euch nach Sandhofen!“

Ingrid ist feuerrot im Gesicht vor Zorn: „Feiges Dreckpack und du“, sie deutet auf den Schläger, „hast es bei mir verschissen bis in die Steinzeit und zurück!“

„Mir doch egal!“ Die Stimme des Schlägers zittert und klingt seltsam belegt.

„Mensch Ingrid, der heult doch tatsächlich, siehst du das?“

„Klar seh ich das, wir waren mal ziemlich dicke miteinander, der tut nur so hart. Ohne seine Leibgarde ist der aufgeschmissen.“

„Aha. Wie dicke wart ihr denn miteinander?“ Ob sie die Eifersucht in meiner Stimme hört?

„Ach lass, les temps sont perdu!“

Ja, Französisch konnte sie auch, meine Ingrid, und nicht nur die Sprache. Sie war überaus intelligent. Aus der ist sicher etwas geworden. Ich hab’ sie leider aus den Augen verloren. War wohl meine Schuld, weil ich gleichzeitig mit ihrer Freundin etwas angefangen hatte, Schuft der ich war. Aber schlechtes Gewissen? Keine Spur, schließlich musste man in diesem Alter so manches ausprobieren.

An der nächsten Bushaltestelle zerrt sie mich wieder aus dem Bus und kühlt mir im Hotel „Darmstädter Hof“ mein lädiertes Auge.

Dann mal ab nach Paris

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