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Alte Zeiten – Viktoria

Ach, wie schön ist doch das Leben. Ach, wie beschissen ist doch das Leben. Zwischen diesen Polen bewegt sich mein Dasein nach der Trennung von Ingrid. Ein Jahr lang waren wir ein Kopf und ein Arsch, oder wie dieser blödsinnige Spruch lautet. Aber weil ich die Finger nicht von ihrer Freundin lassen konnte, hatte sie mich dann buchstäblich vom Acker gejagt. Viktoria hieß die Freundin. Viktoria, die Siegerin. Groß, schlank, blond und so ziemlich für alles aufgeschlossen. Aber sie war alles andere als eine Siegerin. Als regelmäßiges Ritual wurde sie von ihrem Vater, einem fanatischen, christlichen Fundamentalisten, verprügelt und wohl auch missbraucht. Worüber sie nie mit mir gesprochen hatte, aber ich konnte eins und eins zusammenzählen. Es waren ihre äußeren Reize und, ich geb es zu, auch Mitleid, was mich schwach werden ließ.

Ach Ingrid, warum übtest du keine Nachsicht mit einem inzwischen Sechzehnjährigen, der in diesem zarten Alter schon glaubte, Nachholbedarf zu haben. Sofern man in diesem Alter weiß, was Liebe ist, wusste ich, dass ich Ingrid liebte. Und Viktoria? Hm, schwer zu sagen. Aber wenn ich von meinen Träumen damals, wenn es nicht gerade Alpträume waren, ausgehe, so war es einzig und allein Ingrid, die mich nach der Trennung nächtens heimsuchte, also auch ein Alptraum, in Wehmut. Viktoria kam da nur am Rande vor. Und ich Hornochse hab mir das mit Ingrid versaut. Tränen? Scheißdrauf, mit sechzehn, als Junge, da weint man nicht. Doch, man weint, und meine Mutter hat mich damals über meinen Kummer hinweggetröstet. Sie nahm mich in den Arm und meinte: „Mein Kleiner (mein Kleiner!), das wird nicht das letzte Mal in deinem Leben gewesen sein, da müssen wir alle durch, zumindest wir, die wir uns ein zartfühlendes Herz bewahrt haben. Das hatte früher auch dein Vater, bis er zu saufen anfing.“

Aber was treibt einen Mann, der früher nie Alkohol getrunken hatte, dazu, das Saufen anzufangen? Eine verlorene Liebe?

Ach was, da hätte ich auch mit der Sauferei angefangen nach dem Liebesaus mit Ingrid.

Nein, mein Vater war nach 30 Jahren beim Benz entlassen worden, freigestellt, wie es so zynisch hieß. Innerbetriebliche Sparmaßnahmen. Wär ja noch schöner, wenn man auf jeden Rücksicht nehmen wollte, egal, wie lange er schon dabei war. Meinen Alten hatte das völlig aus der Bahn geworfen. Da macht es ihm der Tröster Schnaps viel leichter, das halbwegs zu verkraften. Er zerriss sein SPD-Parteibuch und trat der DKP bei.

„Bei den Sozen war ich auch 30 Jahre und – was hat’s uns genutzt? Kein SPD-Betriebsrat hat uns geholfen. Genossen der Bosse, das waren die!“

Sogar mit den Zielen der RAF hat er sympathisiert, aber deren Morde abgelehnt. So war er, mein Alter, herzensgut und vom Le-ben bitter enttäuscht. Der Seelentröster Alkohol hat ihn schließlich aus dem Sattel geworfen und ihn mit 56 Jahren ins Grab befördert. Da war ich 20 und bei den Jusos mit sozialistischer Theorie und Plakate kleben beschäftigt. Das Herunterreißen von NPD-Plakaten gehörte zur Grundausbildung.

Dann mal ab nach Paris

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