Читать книгу PERRY RHODAN-Kosmos-Chroniken: Reginald Bull - Hubert Haensel - Страница 15
Im Mahlstrom der Sterne
Оглавление17. August 3580
Jeden Augenblick konnte dieses Leben zu Ende sein. Es mutete seltsam an, doch Reginald Bull empfand weder Furcht noch Panik, lediglich eine tiefgehende Trauer; er würde der Menschheit nicht mehr helfen können.
War dies das Ende des Weges? Die Erde – herausgerissen aus ihrer kosmischen Heimat und in eine nahezu völlig unbekannte Region verschlagen, in der ein unglaubliches energetisches Chaos herrschte. Dieser »Mahlstrom« war eine 156.000 Lichtjahre messende Brücke zwischen zwei auseinanderstrebenden Galaxien, die vor etwa zwei Milliarden Jahren kollidiert waren und sich durchdrungen hatten. Staub-, Gas- und Materiemassen aus beiden Sterneninseln bildeten eine schlauchartige Verbindung, die von den Menschen der Erde als »Nabelschnur« bezeichnet wurde.
Erde und Mond, in einer künstlichen Bahn um die Sonne Medaillon gefangen, näherten sich unaufhaltsam dem Schlund, der engsten Einschnürung der Materiebrücke und dem Zentrum aller Turbulenzen.
Wie dürre Spinnenfinger wuchsen die Narben beginnender Strukturrisse über das Schirmfeld. Es war geradezu gespenstisch, hilflos mit ansehen zu müssen, wie die entstehenden Lücken sich blutrot verfärbten.
Ein einziger Lidschlag dehnte sich zur Ewigkeit ...
Heftiger Explosionsdonner ließ Bully zusammenfahren. Eine zweite Detonation und die nachfolgende Druckwelle fegten Breslauers zusammenbrechendes Schirmfeld endgültig hinweg.
Energetische Wirbel ringsum; gedankenschnell verwehende Schleier, die ihn zu streifen schienen; alles stand kopf. Breslauer wurde zum Spielball der Gewalten, krachte dröhnend gegen die Schachtwand und sank von neuem rasend schnell in die Tiefe.
Vergeblich versuchte Reginald Bull, das heillose Chaos seines Gleichgewichtssinnes zu ordnen. Alles drehte sich, rotierte, explodierte. Die Schwerkraft spielte verrückt. Sekundenlang hatte Bully das Gefühl, in die Höhe zu stürzen, danach raste er wieder kopfüber in ein schwarzes Nichts, in dem ein zitternder Scheinwerferfinger den Weg wies.
»Gleich sind wird in Sicherheit«, verkündete Breslauer.
»Und die Kampfroboter?«, stieß Bull würgend hervor.
»Schrott. Freunde haben rechtzeitig eingegriffen – nichtaphilische Roboter.«
Benommen taumelten sie aus dem Schacht. Reginald Bull wurde nicht gewahr, wohin sie liefen, er hatte völlig die Orientierung verloren.
»Wo ... befinden wir uns?«, stieß er keuchend hervor.
»Ganz unten, Sir.«
Bully lachte schrill. Er hatte Imperium-Alpha verlassen, nicht aber seinen Lebensabend hier verbringen wollen. Breslauer legte zudem ein Tempo vor, dass er nur mühsam Schritt halten konnte.
»He, du, Blechkiste, nimm endlich Rücksicht auf einen alten Mann!«
Breslauer dachte gar nicht daran. »Auf wen bitte?«, erkundigte er sich höflich, jedoch ohne sich umzuwenden, geschweige denn innezuhalten.
»Auf mich!«
Keuchend blieb Bully stehen und stützte sich mit beiden Händen und der Stirn an der kühlen Wand ab. Ein klein wenig brachte das seine Lebensgeister zurück. Auch die Impulse des Zellaktivators wirkten belebend.
Immer noch fiel es ihm schwer, sich seinen ungefähren Standort zu vergegenwärtigen. Aber wenn er sich nicht täuschte, lagen vor ihm eine Reihe großer Hallen und daran anschließend die Klär- und Reinigungsanlage.
Vergeblich lauschte er in die menschenleere Weite, sein eigener hastiger Atem übertönte die Stille. Imperium-Alpha verfügte über eine autarke Sauerstoffversorgung. Nicht einmal der Verlust der Erdatmosphäre hätte negative Folgen gezeigt. Ähnlich verhielt es sich mit der Wasserversorgung.
Warum er ausgerechnet jetzt diese Gedanken wälzte? Mit der nötigen Ausrüstung hätte er vielleicht eine Möglichkeit gefunden, die Sicherheitssperren zu umgehen und der Klimaanlage ein schnell wirkendes Narkotikum beizumischen, doch auf eine solche Aktion war er nicht vorbereitet gewesen.
Breslauer beschleunigte plötzlich und verschwand in einem Seitenkorridor. Heiseres Schimpfen erklang, und als der Roboter Augenblicke später wieder zum Vorschein kam, zerrte er einen zerlumpt aussehenden Mann hinter sich her.
Bully kniff die Brauen zusammen.
Unsinn!, sagte er sich. Das kann überhaupt nicht sein.
Und doch ...
Der Mann wirkte auf seltsame Art und Weise zeitlos. Sein zerknittertes, schmutzverkrustetes Gesicht, die dunklen, tief in den Höhlen liegenden Augen, deren Blick unstet und zugleich stechend schien ... Das Haar stand in wirren Strähnen ab, es war lang, reichte bis über die Schultern und hätte unverfilzt und frisch gewaschen wohl eine wallende Mähne ergeben. Dazu der grauscheckige Vollbart, immer wieder zusammengedreht und in vielen Spitzen endend.
Das war das eine Bild.
Das andere war seltsam deckungsgleich. Zumindest was die Runzeln und Falten anbetraf, diesen Ausdruck zeitlosen Alters. Bully blinzelte verwirrt, schüttelte den Kopf, schaute noch einmal hin.
Dieser alte Mann, behauptete sein Verstand, lebte seit Jahren in den unteren Etagen von Imperium-Alpha. Vielleicht ein Immuner, der allen Nachstellungen entgangen war.
Sein Unterbewusstsein gaukelte ihm ein anderes Gesicht vor. Auch das hatte er oft genug gesehen, zumeist im Zusammenhang mit markanten Wendepunkten:
Das Gesicht des Unsterblichen von Wanderer.
Oder: die Superintelligenz ES, das geistige Potenzial eines uralten Volkes, zu dessen Mächtigkeitsballung die Milchstraße gehörte.
Die erste offizielle Begegnung mit dem Geisteswesen, das der Menschheit, um ihre Fähigkeiten zu beweisen, eine Frist von zwanzigtausend Jahren gesetzt hatte, war im Jahr 1976 erfolgt. Bully spürte Bitternis in sich aufsteigen. Eintausendsechshundertundvier Jahre waren seitdem erst verstrichen, noch nicht einmal ein Zehntel der gesetzten Frist, aber dennoch sah es so aus, als würde die Menschheit frühzeitig ihrer Chancen beraubt.
Nach uns werden andere kommen, dachte Bully bitter. Trotzdem ist es ein Scheißspiel.