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Im Mahlstrom der Sterne

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17. August 3580

Verwirrt schüttelte Reginald Bull den Kopf. Für einen kurzen Augenblick hatte er geglaubt, ES zu sehen, hatte jenes wahrhaft homerische Gelächter wieder vernommen, das der Unsterbliche von Wanderer so oft hatte hören lassen.

Mittlerweile hielt Bully nichts mehr von solchen Späßen, schon gar nicht, wenn sie sich gegen die Menschheit richteten.

Heute bin ich nicht mehr beeindruckt, dachte er bitter. Wenn du uns helfen kannst, ES, dann tue es! Aber zieh dir nicht meine Feindschaft zu. Ich kann sehr nachtragend sein, weißt du das, uralter Freund?

Niemand antwortete ihm, nur sein Gegenüber blickte ihn matt an. Reginald Bulls Lippen bebten, als er den Mann anherrschte: »Wer sind Sie? Was haben Sie hier unten verloren?«

»Major Rondrogen«, antwortete der Verwahrloste schwach. »Solare Abwehr.«

Da war es wieder, dieses jäh erwachte Misstrauen, das ihm die gerade erst zurückgewonnene Kraft aus den Adern saugen wollte. Bully hatte das untrügliche Empfinden pechschwarzer Gewitterwolken, die sich über ihm zusammenballten.

»Was ist das für ein Scheißspiel?«

»Ich verstehe nicht«, sagte Breslauer.

»Du bist auch nicht gemeint«, herrschte Bull den Roboter an. »Ich will von ihm wissen, was hier abläuft. Er ist doch kein Aphiliker!« Mit einer kantigen Kopfbewegung deutete er auf den verwahrlosten Mann.

»Doch, doch«, sprudelte Rondrogen hervor. »Ich bin aphilisch.«

Er war nicht mehr bei Sinnen. Vermutlich hatten ihm die Einsamkeit und die stete Furcht, von Aphilikern aufgespürt zu werden, einen Knacks verpasst. Bully konnte sich vorstellen, dass der Mann seit Jahren keinen anderen Menschen mehr gesehen und nur noch mit sich selbst geredet hatte. Diese verfluchte Sonne Medaillon würde alles zerstören, wofür Menschen je gekämpft hatten.

»Seit wann hausen Sie hier unten?«, fragte er schon ein wenig versöhnlicher.

»Fünf Wochen – oder sind es Jahre? Ich weiß nicht. Mein Gedächtnis lässt mich manchmal im Stich.«

»Wovon leben Sie?«

»Dies und das ...« Rondrogen zuckte mit den Achseln. »Was so abfällt für mich. Es gibt überall etwas, vor allem in den Schiffshangars.« Er kicherte leise und wühlte mit den Händen durch sein verfilztes Haar.

In Bully wuchs das Verlangen, die Wahrheit aus dem Mann herauszuprügeln. Das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sich nicht mehr leugnen, so intensiv wie im Augenblick hatte er es nie zuvor wahrgenommen. Als greife eine fremde Macht nach seinem Bewusstsein.

ES!, riefen seine Gedanken. Bist du hier, dann zeig dich! Mach der Tragödie endlich ein Ende!

Unvermittelt trat Rondrogen auf ihn zu und umarmte ihn zitternd. Ein fürchterlicher Gestank hüllte Bully ein, eine Mischung aus Schweiß, Magensäure und Schmierstoffen. Wie lange mochte der ehemalige SolAb-Agent kein Wasser mehr gesehen haben?

Reginald Bull fühlte sich schrecklich unwohl, als müsse er die eigene Haut abstreifen wie eine Schlange ihr zu klein gewordenes Schuppenkleid. Oder wie ein Schmetterling, der unter Anstrengung die Puppenhülle sprengt, um endlich seine prachtvollen Flügel auszubreiten und in den lauen Sommerhimmel aufzusteigen. Das war wieder der Bully, der das Blut des ausgeschlagenen Backenzahns geschmeckt und sich geschworen hatte, niemals mehr der Unterlegene zu sein. Endlos lange Jahrhunderte lag das alles zurück. Nachts war er schweißgebadet aufgeschreckt, hatte sich mies und elend gefühlt und sich in den Kissen vergraben, aber er hatte an sich gearbeitet. Mit einer unglaublichen Zähigkeit.

Letztlich hatten ihm nur noch die Tränen seiner Mutter weh getan. »Versprich mir, dass du nie eine Waffe in die Hand nehmen wirst!«, hatte sie von ihm verlangt. »Wer eine Waffe trägt, wird auch durch die Waffe umkommen.« Sie war verbittert gewesen, weil der Krieg ihr viele liebe Menschen genommen hatte.

Im Keller, hinter einem engen, muffigen Bretterverschlag, hatte er einen alten Kartoffelsack aufgehängt und mit Sand und Splitt gefüllt. An diesem Sack hatte er seinen Frust und seine Verbitterung ausgelassen und sich die Fingerknöchel grün und blau geschlagen. Aber er war stolz auf sich gewesen. Der kleine, fast schon pummelige Bully hatte sich Muskeln antrainiert und Monate später den drei Schlägern auf den Cent alles heimgezahlt. Er hatte sie zu Boden geschickt, ohne selbst eine Schramme davonzutragen, und sich Respekt verschafft.

Nur für Sekundenbruchteile waren die Erinnerungen aufgeflammt. Sie hinterließen das unangenehme Gefühl, dass es derzeit viel weniger gab, auf das er stolz sein konnte. Er hatte es nicht geschafft, die Lieblosigkeit auf der Erde aufzuhalten, war im Gegenteil selbst der glühendste Verfechter der Aphilie gewesen.

»Meine Ortungen zeigen eine größere Anzahl von Kampfrobotern«, warnte Breslauer. »Wir sollten ...«

»... schnellstens von hier verschwinden. Na, dann los!«

Zehn Minuten später erreichten sie die Peripherie des großen Klärwerks. Auf dem Areal von mindestens vier Quadratkilometern wurden alle Abwässer der Hauptstadt gereinigt, die Feststoffe in Energie umgewandelt und das gewonnene klare Wasser ins Hauptversorgungssystem eingespeist. Mit seinem Handabdruck öffnete Bully einen Reparaturschacht.

»Ich war da noch nie drin«, murmelte Rondrogen.

... eher schon in einem der Fäkalienkanäle, schoss es Bull durch den Sinn. Fahrig wischte er sich mit der Hand über die Stirn. Dass er derart gereizt reagierte, war früher nicht der Fall gewesen. Hatte ihn die Aphilie dauerhafter verändert, als er es sich eingestehen wollte?

»Die Kampfroboter riegeln diesen Sektor hermetisch ab«, meldete Breslauer. »Dass wir noch entkommen können, wird immer unwahrscheinlicher.«

Reginald Bull griff nach der nächsten Halterung und zog sich in die Wartungsröhre. »Vorwärts, Rondrogen! Du auch, Breslauer. Der letzte macht die Tür zu!«

Nach einem schweißtreibenden Aufstieg endete der Schacht scheinbar im Nichts. Der Widerschein von Breslauers Scheinwerfer zeigte von Moderflecken überzogene Stahlwände. Zahlreiche Röhren führten von hier aus weiter, doch waren alle zu eng, die Flüchtlinge aufzunehmen.

Bully machte den Roboter auf einen breiteren Stollen aufmerksam.

»Das ist ein Staugang, Sir«, erklärte Breslauer. »Die Großfilteranlagen pumpen hin und wieder Wasser durch diese Stollen ab.«

»Also eine Art Glücksspiel.« Bully nickte grimmig. »Sie müssen mir nicht folgen, Rondrogen, falls Sie befürchten ...«

Der Major winkte wortlos ab. Seine verbissene Miene ließ erkennen, dass er unter keinen Umständen umkehren würde. Er hatte endlich neue Hoffnung geschöpft, und die Bedrohung durch die aphilischen Kampfroboter bestand überall.

Minuten später, sie hatten den Staugang betreten, hallte ein klatschendes Geräusch durch die Stahlröhre. Es wurde von einem dumpfen Gurgeln verdrängt, dann schwoll das Tosen der heranschießenden Wassermassen zum Orkan. Bully schaffte es nicht einmal mehr, sich herumzuwerfen, bevor die gischtende, schäumende Flut ihn von den Beinen fegte. Innerhalb von Augenblicken verlor er jede Orientierung, er wurde gegen die Wand geschleudert, schrammte daran entlang und konnte den übermächtigen Zwang, tief einzuatmen und frische Luft in seine gequälten Lungen zu pumpen, kaum noch unterdrücken.

Ebenso abrupt, wie es begonnen hatte, wurde das Tosen leiser. Reginald Bull hatte den Eindruck, in endlose Tiefe zu stürzen.

Hart klatschte er ins Sammelbecken. Wasser drang ihm in Mund und Nase ein, doch er unterdrückte weiterhin den quälenden Atemreiz. Sein Schädel drohte zu zerspringen, in den Lungen tobte ein Eissturm. Letztlich konnte er nicht mehr anders, riss hustend und würgend den Mund auf – und durchstieß gleichzeitig die Oberfläche.

»Sind Sie da unten, Sir?«, hallte Breslauers Stimme heran. »Bitte antworten Sie!«

»Ja, verdammt! Ich hab's überlebt. Aber was ist mit dem Major? Häng nicht da oben herum, sondern hilf mir suchen.«

Der Wasserfall ebbte schon wieder ab. Dass das Sammelbecken vorher nicht abgelassen worden war, mochte Zufall sein, doch gerade dieser Zufall, erkannte Bully, hatte ihm das Leben gerettet.

Rondrogen hatte sich das Genick gebrochen. Unnötig zu fragen, ob das schon in der Röhre passiert war oder erst beim Aufprall auf die Wasserfläche. Wassertretend wischte Bully die Feuchtigkeit aus seinen Augenwinkeln. »Leben Sie wohl, Major!«, murmelte er, die Zähne zusammengebissen. Das war wieder so ein sinnloser Tod. Zu fragen, warum Leben so enden musste, hieß, sich in einem hoffnungslosen Konflikt zu verfangen. Niemand konnte die Frage nach dem Sinn des Daseins beantworten. Nicht einmal ES.

»Verfluchte Aphilie!« Reginald Bull schickte seinen ohnmächtigen Zorn in die Finsternis des Sammelbeckens hinauf. Ein vielfaches Echo entstellte seine Stimme bis zur Unkenntlichkeit.

Breslauer zerrte ihn aus dem Wasser. »Die Kläranlage ist umstellt«, behauptete der Roboter. »Hier sind wir vorerst aber noch einigermaßen sicher.«

Zum zweiten Mal drangen sie in den Staugang ein – und schafften es diesmal ohne Zwischenfall bis zum Großfilter. Die Erklärung, weshalb sie nicht angegriffen wurden, lag auf der Hand, als sie die Mikrokameras entdeckten. Es gab keinen Ort mehr, den sie unbemerkt erreichen konnten.

Die Flucht war sinnlos gewesen und von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Reginald Bull hatte es nur nicht einsehen wollen, weil er trotz allem an das Gute im Menschen glaubte und die Erfahrungen seines langen Lebens ihn gelehrt hatten, dass es immer einen Ausweg gab, mochte er noch so unscheinbar sein.

Die Aphiliker hatten ihn eine Rücktrittserklärung verlesen lassen, eine offizielle Information, während der kein Bürger den Empfänger abschalten durfte. Er hatte die Gelegenheit genutzt und war vom vorgeschriebenen Text abgewichen, hatte wenigstens mit zwei Sätzen versucht, sein Patenkind Michael Rhodan zu informieren, der mit der Organisation Guter Nachbar gegen die Aphilie kämpfte.

Gewaltsam war er von der Kamera weggezerrt worden, ein Sprecher hatte die begonnene Erklärung an seiner Stelle fortgeführt: »... mein angegriffener Gesundheitszustand zwingt mich dazu, die Regierungsgeschäfte niederzulegen ...« Lächerlich. Wer nur entfernt Ahnung von der Wirkung eines Zellaktivators hatte, wusste, dass das eiförmige Gerät eine fast vollständige Immunität gegen Viren, Bakterien und Gifte verlieh, dass die Wundheilung stark beschleunigt und verbrauchte Kräfte rasch regeneriert wurden.

Die Aphiliker hatten ihn ins medizinische Zentrum von Imperium-Alpha verlegt. Bull gab sich keinen Illusionen hin. Was ihn erwartete, würde alles andere als angenehm werden.

»Mit Ihrem unlogischen Verhalten bei Terra-TV haben Sie Milliarden Menschen einen schweren Schock versetzt«, begann der Chefpsychologe. »Die Angst, es könnten andere Regierungsmitglieder ebenso erkranken, sitzt tief.«

»Nicht mein Problem«, meinte Bully achselzuckend.

Die Aphiliker waren immer noch versessen darauf, den ersten »Verrückten« nach ihrem Willen umzuformen. Falls ihnen das ausgerechnet beim ehemaligen Regierungschef gelang, hätten sie das als enormen Erfolg vorweisen können.

Bully dachte an Mike. Hatte er die Botschaft verstanden? Michael Rhodan hatte schon immer überraschende Dinge getan. Ein heimliches Lächeln stahl sich auf Reginald Bulls Züge, als er an die ersten Auftritte von Roi Danton dachte, den König der Freihändler. Die Maske als affektierter Stutzer mit Dreispitz und Degen war wirkungsvoll gewesen und Mike auf den Leib geschneidert, er würde sie wohl sein Leben lang nicht wieder ablegen können.

Der Psychologe deutete das Lächeln falsch. »Natürlich könnten wir Sie mit einem Schlag von der Krankheit befreien«, sagte er scharf betont. »Ohne Ihren Zellaktivator würden Sie wieder normal werden.«

»Ich würde nach zweiundsechzig Stunden rapide altern und sterben.«

»Ihr Aktivator hat Sie immer vor dem Irrsinn bewahrt«, folgerte der Psychologe. »Die entscheidende Veränderung kann demnach erst kürzlich eingetreten sein. Sobald wir herausgefunden haben, wodurch das Gerät verändert wurde, erfahren wir mehr über die Krankheit an sich. Und wenn wir erst wissen, wie die Impulse des Zellaktivators beeinflusst werden müssen, damit Sie wieder einer von uns werden, können wir alle anderen Kranken ebenfalls behandeln. Nach der Befragung werden wir Ihnen den Aktivator jeweils für kurze Zeit abnehmen, um ihn zu untersuchen. Sie geraten dabei nicht in Lebensgefahr.«

Während Bull über die Erfolgsaussichten der Aphiliker nachdachte, heulte der Alarm auf. Unbekannte hatten alle Nervenzentren von Imperium-Alpha blockiert. Doch darüber hinaus schien nichts geschehen zu sein. Im medizinischen Zentrum ging alles seinen gewohnten Gang – bis Roboter einen gebrechlich wirkenden Mann in die Räume schleppten.

»Wir wollen nicht gestört werden!«, schnaubte der Psychologe – und sackte von einem Paralysatorschuss getroffen zu Boden.

»Hallo, Dicker!«, rief der vermeintliche Patient Bully zu.

Reginald Bull schaute ungläubig auf. Vierzig Jahre waren unter den herrschenden Gegebenheiten eine lange Zeit. Doch die Stimme war unverkennbar. Obwohl sie sich auseinandergelebt hatten und über Jahre hinaus Gegner geworden waren.

»Michael?«, fragte Bully zögernd.

»Mais oui, Monsieur.« Roi Dantons Stimme hatte einen tadelnden Tonfall. »Vergessen Sie bitte nicht, dass Sie es mit einem Edelmann zu tun haben. Wenn schon, dann Sire bitte!«

Reginald Bull verbiss sich einen Jubelschrei. Dafür war nicht der richtige Zeitpunkt.

»Willkommen bei der Organisation Guter Nachbar«, seufzte Roi. »Wir müssen uns beeilen. Ein Transmitter ist für die Flucht justiert. Lass uns verschwinden, solange noch Verwirrung herrscht.«

Nahezu ungehindert erreichten sie die Transmitterzentrale. »Die Sonderschaltung wird jeden Augenblick enden«, drängte Danton. »Vorwärts!« Er zündete eine Mikrobombe und warf sie zwischen die Kontrollanlagen. »Dreißig Sekunden bleiben uns, bis der Laden hochgeht. Niemand darf uns folgen oder gar den Empfänger anpeilen. – Was ist los mit dir?«, rief er ungeduldig, als Bully unerwartet stehenblieb.

»Vierzig verdammte Jahre lang habe ich die Immunen bekämpft, Mike. Sie werden mich nicht akzeptieren.«

»Mon Dieu, quel fou!«, rief der Mann in gespieltem Entsetzen. Er packte Bully und zog ihn auf den aktivierten Transmitterbogen zu. »Wir gehen jetzt heim, alles andere wird sich erweisen.«

Nacheinander verschwanden sie zwischen den Säulen, bevor die Transmitteranlage in einer räumlich begrenzten Explosion verging.

Der Schmerz überfiel ihn ohne Vorwarnung, als das Entstofflichungsfeld seinen Körper auflöste, um ihn in einem übergeordneten fünfdimensionalen Impuls abzustrahlen. Was üblicherweise ein zeitloser Vorgang war, den ein menschliches Gehirn nicht wahrnehmen konnte, begann sich über diesen Punkt hinaus auszudehnen.

Sekunden schon ...

Halb entstofflicht hing er zwischen den Dimensionen, ohne eine Möglichkeit, den Vorgang beeinflussen zu können. Es gab kein Zurück – aber der Schritt nach vorne blieb ihm ebenfalls verwehrt.

Panik wallte in ihm auf. Er begann sich zu fragen, wie es Mike gelungen sein konnte, in Imperium-Alpha einzudringen; vielleicht hätte er schon sehr viel eher darüber nachdenken sollen. Die Aphiliker handelten logisch und ohne Emotionen, das wusste er aus eigener Erfahrung. Spätestens nach der misslungenen Fernsehansprache hätten sie gewarnt sein müssen. Möglicherweise war ihnen da schon klargeworden, dass Reginald Bull auf den Beistand der Verrückten hoffte. Perry Rhodans Sohn kannte die Zugangskodes für Imperium-Alpha, die Aphiliker hätten die Gelegenheit nutzen können, sich zweier gefährlicher Gegner auf elegante Weise zu entledigen.

Reginald Bull war von der Krankheit in den Wahn getrieben worden.

Auch Roi Danton war krank gewesen, sehr viel länger schon als Bull. Eine Bombe, ausschließlich dafür gedacht, ihre Fluchtroute zu verschleiern, hatte vorzeitig gezündet und den Transmitter zerstört. Das war ein bedauerlicher Unfall, aber leider nicht zu ändern.

War die Flucht nur deshalb so überraschend leicht geglückt, weil die Aphiliker den Transmitter manipuliert hatten? Mörder!, schrien Bullys Gedanken. Ihr verfluchten Mörder werdet die Menschheit zugrunde richten.

Wie lange hielt dieser Zustand inzwischen an? Es war ihm unmöglich, die Zeit zu definieren, denn außer den eigenen hektischen Überlegungen gab es keinen Bezugspunkt.

War er nichts als ein Hauch von Energie, eingefangen von Magnetfeldern zwischen den Dimensionen? Dagegen sprach, dass er sich sehen konnte, als nebliges, durchscheinendes Etwas mit menschlichen Umrissen. Doch das war keine optische Wahrnehmung, die Bilder entstanden in ihm, in seinem Geist.

Und die Umgebung? Nichts. Keine Konturen, keine Farben, aber Stille. Ein ungreifbares, unbegreifliches Medium, vielleicht nur die Trägerwelle, ein überlichtschneller Impuls.

War da nicht eine Berührung?

Wer bist du?

Ich bin – du.

Phantasierte er? Zerfiel sein Bewusstsein, so, wie sich seine Beine allmählich aufzulösen begannen? Die Hände ebenfalls, die Arme ... Reginald Bull starrte auf die an den Ellbogen endenden Stümpfe.

Zurück!, hämmerten seine Gedanken. Ich muss zurück!

Ein Schatten streifte ihn, ein sich verdichtender Schemen, ein Gesicht.

Sein Gesicht!

Reginald Bull hätte schwören können, dass sein eigenes Ich ihn angegrinst hatte. Überdeutlich hatte er es gesehen: die roten, kurzgeschnittenen Haare mit den leichten Geheimratsecken, deren Ausweitung mit der ersten Zelldusche gestoppt worden war; die Narbe vom Haaransatz quer über die Stirn bis zur linken Augenbraue; ebenso die schlecht verheilte Narbe auf der linken Wange. Beides hätte er sich mit einer einfachen Bioplastbehandlung entfernen lassen können, doch er hatte nie den Wunsch dazu verspürt. Die Narben gehörten zu ihm wie der Zellaktivator und seine Erinnerungen. Beides ...

Er materialisierte.

Für Sekundenbruchteile begleitete ihn noch das fahle Flackern des erlöschenden Transmitterfeldes, danach herrschte Dunkelheit.

»Mike?«

Keine Antwort.

»Verdammt, Michael, wo steckst du?«

Hart und schneidend stieß Bully die Worte hervor. Fast wie früher, als Michael Rhodan die unmöglichsten Streiche ausgeheckt hatte. Ein aufgewecktes Kind war er von Anfang an gewesen, manchmal zu lebhaft, und zum Beispiel die Sache mit dem Spielzeugroboter ...

Von irgendwo über ihm drangen verhaltene Vibrationen herab, begleitet von einem fernen Rumoren. Die Assoziation startender Raumschiffe lag nahe.

Und noch etwas registrierte Reginald Bull: Die Schwerkraft hatte sich verändert. Sie war höher als gewohnt. 1,2 bis 1,3 Gravos, schätzte er. Das bedeutete, er befand sich nicht mehr auf der Erde, erst recht nicht auf dem Mond.

PERRY RHODAN-Kosmos-Chroniken: Reginald Bull

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