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|28|6 MÜNSTER 21. BIS 23. SEPTEMBER 1852 Schulen PFARRER ÜBER LEHRER
Оглавление„Nicht der Schullehrer, sondern der Pfarrer ist der eigentliche vom Heilande selbst durch seine Kirche bestellte Lehrer und Erzieher der Jugend und der ganzen Gemeinde. Der Lehrer ist nur der Gehilfe des Pfarrers, nicht der selbstständige Erzieher.“ Der Münsteraner Domkapitular Franz Caspar Krabbe, der lange als Schulrat gewirkt hat, findet auf dem Katholikentag in seiner Heimatstadt deutliche Worte.
Der Pfarrer steht über dem Lehrer. Dem entspricht: Die Kirche steht über dem Staat. Konfessionell gemischte Schulen seien „verderblich und verwerflich und als solche von dem apostolischen Stuhle ausdrücklich verworfen“, erklärt die Generalversammlung. Diese Ansichten bergen im 19. Jahrhundert eine gewaltige Sprengkraft. Denn spätestens seit Einführung der allgemeinen Schulpflicht – in Preußen 1717 – betrachtet auch der Staat die Schulen als sein Revier. Viele Lehrer, die sich von Geistlichen bevormundet fühlen, haben insbesondere in Südwestdeutschland die Revolution von 1848 unterstützt.
Die Teilnehmer der Generalversammlung beratschlagen dagegen, wie der kirchliche Einfluss auf die Schulen noch zu steigern ist. Ein Antrag sieht vor, die Erziehung der katholischen Jugend überall Schulbrüdern und -schwestern zu übertragen. Krabbe befürchtet jedoch, diese könnten sich als Mitglieder von Kongregationen der Autorität der Pfarrer entziehen. Und der Kirchenhistoriker Friedrich Michelis gibt zu bedenken: „Dieses beständige Antragen auf Einführung des Institutes der Schulbrüder enthält im Allgemeinen ein gewisses Misstrauensvotum gegen unseren ganzen Lehrerstand und trägt sehr dazu bei, den Lehrer von dem Geistlichen zu entfremden.“ Schließlich stoßen auch die französischen Ursprünge der Bewegung auf Misstrauen.
Krabbe wird beauftragt, einen neu formulierten Antrag einzureichen. Die Generalversammlung spricht schließlich „den dringenden Wunsch aus, die katholischen Vereine wollen eifrigst dazu mitwirken, dass die Elementarschulen entweder Schulbrüdern und Schulschwestern oder solchen weltlichen Lehrern und Lehrerinnen übergeben werden, welche unter Leitung der kirchlichen Oberhirten eine echt religiöse Bildung und Erziehung erhalten haben“.
Das Thema „Schulen“ bleibt den Katholikentagen erhalten. Immer wieder kommt es zum Streit zwischen Kirche und Staat. Gesetze zur staatlichen Schulaufsicht in Baden 1864 und in Preußen 1872 verschärfen die Kulturkämpfe. Über den Streit, ob Bekenntnis- oder „Gemeinschaftsschulen“ den Regelfall darstellen sollen, zerbricht 1928 die Koalition unter dem Reichskanzler Wilhelm Marx, einem Zentrumspolitiker. Und auch nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem im Umfeld der großen Bildungsreformen der 1960er-Jahre, flammt der Streit noch einmal heftig auf.
WAS NOCH?
Adolph Kolping setzt sich mit seinem Anliegen durch, die Gesellenvereine von den rein religiösen Marianischen Kongregationen getrennt zu halten. Statt die Gründung einer Katholischen Universität voranzutreiben, hoffen die Teilnehmer der Versammlung darauf, dass die Kirche etliche bestehende und „nach ihren Stiftungsurkunden und späteren Rechtstiteln“ Katholische Universitäten für die Kirche zurückgewinnt. Für die Priesterausbildung unterstützen sie die Bischöfe in ihrem Anliegen, Knabenseminare „nach Vorschrift des Konzils von Trient“ einzurichten. Das katholische Berliner Krankenhaus erhält ebenso Unterstützung wie der neu gegründete Pressverein und der schwäbische Pfarrer Eduard Ortlieb in seinem Bemühen um die Kirchenmusik. Die Generalversammlung ruft außerdem zu Spenden für den zum Katholizismus übergetretenen englischen Priester und späteren Kardinal John Henry Newman auf, dem in einem Gerichtsprozess eine hohe Geldstrafe droht.
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Die Teilnehmer der Generalversammlung in Münster diskutieren, wie der kirchliche Einfluss auf die Schulen noch zu steigern ist. Zu dem Thema hat die Münchener humoristische Wochenschrift „Fliegende Blätter“ schon 1848 eine Karikatur gebracht. Der Kommentar dazu lautet: „Schulmeister und Pfarrer stehen in einem gleichen Verhältnisse zueinander wie der Hund zum Hirten. – Was soll nun, wenn man diese beiden voneinander trennt, aus den anvertrauten Schafen werden?“