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|30|7 WIEN 20. BIS 22. SEPTEMBER 1853 Religion und Geschlecht VOM LEIDEN FROMMER MÄNNER
Оглавление„Mann“ hat es nicht leicht als frommer Katholik. Johann Baptist Heinrich aus Mainz zitiert vor der Generalversammlung in Wien das Vorurteil der Kirchengegner, „dass es sich für einen Mann nicht zieme, fromm zu sein; dass es für den Mann eine Schwäche sei, wenn er vor Gott die Knie beugt; dass es wohl Recht sei, Religion zu haben und sie zu befördern, aber dass es nicht notwendig sei, sich Religionsübungen hinzugeben und so übertrieben fromm zu sein, wie es sich nur für Frauen, für Jungfrauen und für Mütter, aber nicht für Männer schicke“.
Dieses Vorurteil, so der Dogmatikprofessor, müsse zerstört werden. Er wirbt für die Marianischen Sodalitäten, fromme Bruderschaften, die deutlich älter sind als die Vereine nach bürgerlichem Recht. „Wir dürfen uns nicht schämen …, von ganzer Seele fromm zu sein und mit größter Innigkeit uns zu Gott hinzuwenden!“
Doch die Geschlechterklischees und die Rollenvorgaben für Männer und Frauen des 19. Jahrhunderts sind mächtig. Die blühende Marienfrömmigkeit und die von den Jesuiten geförderte Verehrung des Herzen Jesu gelten vielen Zeitgenossen als süßlich und verweichlicht. Die Liberalen sprechen den Katholiken die „echte Männlichkeit“ ab, in vielen Karikaturen werden katholische Männer mit weiblichen Attributen dargestellt und verspottet – eine scharfe Waffe in politischen Auseinandersetzungen, auch noch im 20. Jahrhundert. Frauen haben gefühlvoll, versöhnlich und häuslich zu sein, Männer rational, kämpferisch und gesellschaftlich engagiert. Dementsprechend wird die Religion den Frauen, die Politik den Männern zugeordnet.
Das sehen auch die Teilnehmer des Katholikentags in Wien nicht grundsätzlich anders. Ein Redner zitiert den Philosophen Friedrich Schlegel: „Der Geist des Mannes strebt hinaus; aber er wird wieder zurückkehren an den Herd des Glaubens, den ihm das Weib bewahrt hat.“ Gleich 1848 hat die Generalversammlung beschlossen, dass nur „Männer und Jünglinge“ Mitglieder werden dürfen, da „in dem Vereine, als einem Vereine der Tat, das Frauengeschlecht seine rechte Stellung und Tätigkeit nicht finde“. 1849 wurde Frauen immerhin erlaubt, „als Hörende und abgesondert von den Männern“ teilzunehmen.
WAS NOCH?
Tagungsort ist die Hofburg. Kaiser Franz Joseph wird gefeiert, der entmachtete Kanzler Clemens Wenzel Lothar von Metternich nimmt als Beobachter teil. Mit Michele Viale-Prelà ist auch erstmals ein Nuntius anwesend. Die Generalversammlung richtet eine Kommission für die Amerika-Auswanderer ein. Gebetet werden soll unter anderem für die Wiedervereinigung mit den „schismatischen Griechen“. Mit einer feierlichen Erklärung tritt die Generalversammlung für Katholische Universitäten ein. Der „Entwurf des Organisationsplanes und der Statuten einer katholischen Akademie“ wird vorläufig angenommen. Anträge gegen eine Lotterie, Sonntagsfahrten der Bahnen, das Klatschen nach Vorträgen und unanständige Bilder in der Galerie zu Dresden finden dagegen keine Mehrheit.
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So betet ein Mann: Der Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer nach der Schlacht am Berg Isel im Jahr 1809. Diese Darstellung entstand 1880.
Die Hierarchien in der Familie stellen die Katholiken keineswegs infrage. Eine der größten Gefahren, die die Gesellschaft bedrohten, sei die „zu weit getriebene Schwächung und Beeinträchtigung des Prinzips der Autorität im Hause, in der Schule, im Staate“, erklärt der Präsident der Wiener Generalversammlung, Karl Zell aus Heidelberg. Abhilfe könne – selbstverständlich – die katholische Kirche schaffen. Diese erziehe den Menschen „in allen Lebensaltern und Lebenskreisen so recht dazu, sein subjektives Meinen und Wollen einer höheren Autorität und das Einzelne einer höheren Allgemeinheit stets unterzuordnen“.
Obwohl in der katholischen Kirche Männer die entscheidenden Machtpositionen besetzen, prägen Frauen im 19. Jahrhundert zunehmend deren Gesicht. Sie stellen die Mehrheit der Gottesdienstbesucher, und sie sorgen für den sogenannten Ordensfrühling: In zahlreichen neu gegründeten Kongregationen kümmern sie sich um Arme, Kranke und Kinder. Viele Historiker sprechen daher von einer Feminisierung der Religion in dieser Zeit.