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|11|EINLEITUNG Hundert Katholikentage LAIEN MACHEN GESCHICHTE

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Hundert Katholikentage: Ohne sie sähe die katholische Kirche anders aus. Denn auf ihnen übernahmen selbstbewusste Katholiken eigenständig Verantwortung für ihre Kirche in der Welt. Das ist bemerkenswert, denn die Päpste betrachteten die Laien oft nur als Schafe, die sie auf den rechten Weg zu treiben und – notfalls mit scharfen Hunden – von gefährlichen Weideplätzen fernzuhalten hatten. Auch das römische Kirchenrecht fordert eine straffe Unterordnung der Laien unter die klerikale Hierarchie. Die Katholikentage haben diesen Erwartungen immer wieder getrotzt – und gerade dadurch die Kirche vorangebracht.

Hundert Katholikentage: Ohne sie sähe Deutschland heute anders aus. Denn die Katholiken betrieben auf ihren Generalversammlungen keine Nabelschau. In der Lehre und im Wirken der katholischen Kirche sahen sie das Heilmittel gegen die gesellschaftlichen und sozialen Missstände ihrer Zeit. Die Katholikentage waren und sind daher viel mehr als Treffen frommer Christen, die sich selbst und ihre Kirche feiern. Sie stellen die zentrale Säule einer Macht dar, die wie wenige andere die deutsche Gesellschaft geformt hat: des sozialen und politischen Katholizismus. Dessen Bedeutung wird chronisch unterschätzt – vielleicht, weil die Geschichtsschreibung in Deutschland bis heute stark protestantisch geprägt ist.

Hundert Katholikentage: Auf ihnen brachten die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen – Adlige, Kleriker, Bauern, Arbeiter und Bürger, Akademiker ebenso wie Händler und Handwerker – ihre Interessen zur Sprache. Die Teilnehmer diskutierten Themen, die jeden angingen, etwa die Gestaltung von Arbeit, Schule und Freizeit, den Umgang mit Fremden und Außenseitern, Familienmodelle und Geschlechterrollen. Dabei setzten sie sich intensiv mit tatsächlichen und vermeintlichen Gegnern auseinander: dem modernen Staat, Liberalismus, Sozialismus, Nationalsozialismus, den Protestanten, Juden, Freimaurern und Kritikern aus den eigenen Reihen.

Nicht selten wirkten die Katholikentage konservativ, oft stellten sie sich neuen gesellschaftlichen Entwicklungen entgegen, etwa wenn es um die Emanzipation der Frauen und sexueller Minderheiten ging. Gerade in Kunst und Wissenschaft verschliefen die Katholiken manche neue Entwicklung. Oft vertraten sie aber auch zukunftsweisende Ideen: Während in Europa der Nationalismus grassierte, wurden auf den Katholikentagen bei aller Deutschtümelei auch der Universalismus der Weltkirche und das Ideal einer internationalen Friedensordnung beschworen. Besonders fruchtbar waren – gestützt auf das christliche Menschenbild – Überlegungen zu einem „Dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus, die schließlich in das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft mündeten. Schon an der Sozialgesetzgebung des Deutschen Reichs wirkten die Katholiken entscheidend mit. Kirchliche Vordenker wie der „Arbeiterbischof“ Wilhelm Emmanuel von Ketteler beeinflussten zudem maßgeblich die Soziallehre der Weltkirche.

Die Katholikentage gebaren aber nicht nur Ideen, sondern auch Organisationen. Zahlreiche katholische Vereine entstanden in ihrem Umfeld, sie wuchsen mit der Zeit zu einem dicht geknüpften Netz zusammen, das weltweit einmalig ist. Die Vereine dienten in den meisten Fällen nicht zuerst der Frömmigkeit oder der gemeinsamen Pflege des Glaubens, sondern gingen ganz praktische Probleme an. So widmeten sie sich der Armenfürsorge und der Erwachsenenbildung, unterstützten die Katholiken |13|in der Diaspora oder Auswanderer und Missionare. Kurz: Die deutschen Laien übernahmen Verantwortung – und gewannen dadurch Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit in der hierarchischen Kirche. Wie sehr die Päpste in Rom auch immer mit der Moderne haderten: Die Vereine trugen entscheidend dazu bei, dass die deutschen Katholiken sich nach und nach mit der Demokratie und der Idee der Menschenrechte anfreundeten.


Der Deutsche Bund und seine Mitgliedsstaaten 1815 bis 1866.


1848 fuhren in Deutschland gerade die ersten Eisenbahnen – wie hier in der Stadtansicht von Mainz aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Deutschland, so wie wir es heute kennen, lässt überall Spuren der Katholikentage erkennen, gerade auch der frühen. Das ist umso bemerkenswerter, als die Treffen der Katholiken einer uns heute fremden Welt entstammen. Einer Welt, in der eine Reise von einem Ende Deutschlands zum anderen noch nicht ohne Kutsche möglich war und eine große körperliche Belastung bedeutete. Im Jahr 1848 verbreiteten sich Nachrichten zumeist noch nicht schneller, als Pferde reiten und Tauben fliegen konnten. Der Großteil der Bevölkerung lebte mehr schlecht als recht von der Landwirtschaft. Deutschland bestand aus einem Bund zahlloser kleinerer und größerer Staaten, in denen ein Kaiser, mehrere Könige und zahlreiche Fürsten herrschten. Diese Fürsten waren seit der Zeit Napoleons zumeist protestantisch. Und sie glaubten, die katholische Kirche in ihren kleinen Ländern genauso unter ihre Kuratel stellen und dem Staat dienstbar machen zu können, wie sie es mit den protestantischen Landeskirchen schon seit der Reformation handhabten. Die Landesherren verstanden sich in ihrem Herrschaftsbereich als summus episcopus, als oberster Bischof. Sie wollten das entscheidende Wort bei der Besetzung von Bischofsstühlen und Pfarrstellen sprechen, die Ausbildung der Kleriker kontrollieren und viele Ausdrucksformen der katholischen Volksfrömmigkeit unterdrücken, die ihnen als zurückgeblieben und abergläubisch galten.

Doch die Fürsten hatten die Rechnung ohne die deutschen Katholiken gemacht. In der Revolution des Jahres 1848 nutzten diese geschickt die neuen Freiheiten, obwohl die Päpste die Menschenrechte wiederholt scharf verurteilt hatten. Überall entstanden katholische Vereine nach bürgerlichem Recht, die zumeist ausgerechnet nach Pius IX. benannt wurden. Und auf dem Dombaufest in Köln fassten am 15. August 1848 einige Vertreter der Piusvereine den Beschluss, eine „Generalversammlung des katholischen Vereins Deutschlands“ zu organisieren, die heute als erster Katholikentag gilt. Als Ort wurde Mainz gewählt. Die Stadt am Rhein war zentral gelegen und auch per Schiff erreichbar. Bis zur Säkularisation residierte dort ein Erzbischof, der als Kurfürst und Erzkanzler zu den mächtigsten Männern des Alten Reichs gehörte. Und in unmittelbarer Nähe, in Frankfurt, beriet jetzt das Parlament in der Paulskirche über die Zukunft Deutschlands; zahlreiche katholische Abgeordnete kämpften dort als Mitglieder des „Katholischen Klubs“ für die Interessen ihrer Kirche. Vor allem war Mainz aber Sitz eines Kreises betont papsttreuer Katholiken, zu dem etwa Domkapitular Adam Franz Lennig und sein Neffe Christoph Moufang zählten, die bei der Einberufung der Generalversammlung federführend waren.

Die Bischöfe wurden nicht um Erlaubnis gefragt. Die Initiative der Laien gab ihnen vielmehr den Anstoß, sich ebenfalls zu organisieren: Im Oktober und November 1848 tagte in Würzburg die erste deutsche Bischofskonferenz.

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Der Mainzer Domkapitular Adam Franz Lennig: Er war die treibende Kraft bei der Einberufung der ersten Generalversammlung.

Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland schon mehr als 400 katholische Vereine mit gut 100.000 Mitgliedern. Massenhaft sandten die Katholiken Petitionen an das Paulskirchen-Parlament. Es scheint, als ob sie nur auf den Startschuss gewartet hatten, sich zusammenzuschließen. Schon vorher hatte sich gezeigt, dass Katholiken Massen mobilisieren konnten, etwa als beim „Kölner Ereignis“ 1837 unterschiedliche Vorgaben des staatlichen und des kirchlichen Eherechts zu einer Eskalation führten. Der Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering weigerte sich, konfessionsverschiedene Ehen einzusegnen, wenn die Brautleute nicht ausdrücklich versprachen, ihre Kinder katholisch zu erziehen. Dafür verbrachte er anderthalb Jahre in Festungshaft. Vor allem im Münsterland kam es zu heftigen Protesten. Wenige Jahre später, 1844, pilgerte fast eine Million Menschen zum Heiligen Rock in Trier. Und auch international gab es Vorbilder, die Hoffnung machten, so die „Catholic Association“, eine Massenorganisation, mit der die irischen Katholiken gegenüber der britischen Regierung für ihre Rechte kämpften.

Die Gegner der Generalversammlungen nannten deren Protagonisten bald „ultramontan“, weil sie sich „ultra montes“ – über die Berge, die Alpen hinweg – am Papst in Rom orientierten, obwohl sie sich zugleich auf die vom Papst verdammten Freiheiten beriefen. In den Stürmen einer Zeit voller Umbrüche und Ungewissheiten sahen viele Katholiken im Nachfolger Petri den Felsen, an dem sie sich festklammern konnten. Denn sie fühlten sich verlassen und verraten. Die Diplomaten des Wiener Kongresses hätten „die schönsten Länder“ in die Hände protestantischer Machthaber gespielt, um „dieselben fortan zu protestantisieren“, erklärte etwa der Münchener Geschichtsprofessor Johann Nepomuk Sepp 1850 auf der Generalversammlung. Das ursprünglich herablassend gemeinte „ultramontan“ machten sich die Teilnehmer der Generalversammlungen bald stolz zu eigen.

Von Anfang an dienten die Katholikentage auch der Außenwirkung. Wilhelm Heinrich von Riehl – ein Protestant, der als Begründer der Volkskunde gilt – schrieb 1851 nach einem heftigen Streit auf einem protestantischen Kirchentag: „Ein solcher Zwischenfall ist auf einem katholischen Vereinstage bei der eigentümlichen Leitung und Organisation dieser Vereine ganz undenkbar. Man will auf den katholischen Versammlungen wesentlich nicht diskutieren, sondern für längst fertige Resultate neue Bekenner gewinnen und die alten neu begeistern. … Die Generalversammlung der katholischen Vereine ist ein wirkungsreiches Schauspiel, welches die Mitwirkenden vor allen Dingen für die Draußenstehenden aufführen.“

Dass dieses Schauspiel über bald 170 Jahre hinweg schon hundert Mal aufgeführt werden konnte, ist nur durch seinen kontinuierlichen Wandel zu erklären. Die heutigen Katholikentage leben nicht zuletzt von dem, was anfangs nur Beiwerk war: den öffentlichen Veranstaltungen. In den ersten Jahren waren die Katholikentage vor allem Arbeitstagungen der Vertreter katholischer Vereine und Verbände, zu denen weitere prominente Katholiken eingeladen wurden. Seit 1872 konnte dann jeder |15|katholische Mann Mitglied werden, der den entsprechenden Beitrag bezahlte. Neben den Mitgliedern, die in den geschlossenen Veranstaltungen abstimmungsberechtigt waren, gab es Teilnehmer, die gegen ein geringeres Entgelt nur die öffentlichen Veranstaltungen mit ihren Vorträgen besuchen durften – ein Extra, um in die gastgebenden Städte hineinzuwirken.

Seit 1928 wurden die Beschlüsse nicht mehr in den geschlossenen Versammlungen, sondern in exklusiveren Kreisen gefasst, etwa auf „Vertretertagen“ oder Arbeitstagungen des Zentralkomitees mit Delegierten der Verbände und weiteren Sachverständigen. Doch diese Treffen wurden schließlich räumlich und zeitlich von den Katholikentagen getrennt. Nach 1974 formulierten die Katholikentage überhaupt keine verbindlichen Beschlüsse mehr.

Dagegen entwickelte sich das Zentralkomitee zu einem starken und eigenständigen Organ, das sich vor allem auf seinen Vollversammlungen mit Erklärungen und Stellungnahmen zu Wort meldet. 1868 wurde es erstmals von der Generalversammlung gewählt. Es sollte vor allem für mehr Kontinuität zwischen den einzelnen Veranstaltungen sorgen. Bald übernahm Karl Heinrich zu Löwenstein – kommissarisch – die Aufgaben des Gremiums, und das für fast drei Jahrzehnte. Nach seiner Neugründung 1898 wurde das Zentralkomitee mehrfach umgebildet. Heute wählt eine „Arbeitsgemeinschaft der katholischen Organisationen Deutschlands“ nur noch knapp 100 der insgesamt rund 230 Mitglieder der Vollversammlung, dazu kommen Vertreter der Diözesanräte und Einzelpersönlichkeiten.

Für die Vorbereitung der Generalversammlungen waren zunächst örtliche Lokalkomitees zuständig, die gastgebenden Vereine hatten in den ersten Jahrzehnten als sogenannte Vororte die Umsetzung der Beschlüsse zu überwachen. Heute organisieren Trägervereine die einzelnen Katholikentage, in die Vertreter des Zentralkomitees und der gastgebenden Diözesen eingebunden sind.

Während die geschlossenen Versammlungen der Katholikentage an Bedeutung verloren, wurden die öffentlichen Veranstaltungen immer wichtiger, zahlreicher und größer. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren auch die gewaltigsten Saalbauten Deutschlands zu klein geworden, für die Katholikentage wurden jetzt riesige Hallen aus Holz erbaut. Ausreichend Hotelzimmer gab es für die Gäste ebenfalls nicht, weswegen die eigens eingerichteten Wohnungskommissionen immer mehr Privatwohnungen vermittelten und schließlich auch Massenunterkünfte einrichteten. Denn Arbeiterumzüge und Prozessionen zogen riesige Menschenmengen an. Seit der Zeit der Weimarer Republik prägten Massenkundgebungen und Gottesdienste unter freiem Himmel die Katholikentage. Zudem wurde das Programm umfangreicher, zahlreiche Veranstaltungen fanden schließlich parallel statt. Die Katholikentage dienten immer weniger dazu, verbindliche Beschlüsse zu fassen, stattdessen traten das Gemeinschaftserlebnis, die Feier des eigenen Glaubens und die Selbstvergewisserung in einer mehr und mehr verweltlichten Umgebung in den Vordergrund.

Die Teilnehmer der Katholikentage wurden nicht nur zahlreicher, sondern auch immer vielfältiger. Am Anfang standen überschaubare Treffen gestandener Männer in gesicherter Position – schließlich hatte nicht jeder die finanziellen Möglichkeiten und die Zeit, quer durch Deutschland zu reisen. Unter den 83 Vereinsdelegierten, die 1848 in Mainz zusammenkamen, waren 33 Priester, 15 Beamte, elf Akademiker, acht Kaufleute, vier Lehrer, drei Künstler, zwei Bauern oder Winzer, drei Handwerker, ein Angehöriger des niedrigen Adels, ein Journalist und zwei, die ihren Beruf nicht angaben. Die Versammlungen glichen Treffen in vertrauter Runde, das gesellige Festmahl war fester Bestandteil des Programms, die ausgebrachten Toasts wurden in den Berichten protokolliert. Auch wenn die unteren Schichten des Volkes kaum direkt repräsentiert waren, betonten die Anwesenden ihre Verbundenheit mit ihnen und sahen sich |16|als deren Vertreter. Und obwohl die Priester zeitweise sogar die Mehrheit der Mitglieder stellten, kamen auch sie als Vertreter bürgerlicher Vereine. Der Charakter der Generalversammlungen als Laientreffen blieb daher unstrittig. Nach und nach öffneten sich diese dann für Arbeiter, Jugendliche und Frauen.

Wenn die Mitglieder verbindliche Beschlüsse fassten und in Resolutionen Position zu drängenden Fragen bezogen, geschah das oft in Abgrenzung zu anderen gesellschaftlichen Gruppen. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang bildete die Zentrumspartei wie selbstverständlich den politischen Arm des deutschen Katholizismus, der Katholikentag wurde zu ihrer „Heerschau“. Nicht zuletzt dieser engen Verbindung war es zu verdanken, dass die Beschlüsse der Katholikentage keine reinen Absichtserklärungen und Idealvorstellungen blieben. Oft entsprachen sie dem Programm der Zentrumspartei, die sie in konkrete Politik und gesellschaftliche Veränderungen umsetzte.

Diese Verbindlichkeit und politische Durchschlagskraft haben Katholikentage heutzutage nicht mehr. Im Einsatz für Demokratie und Rechtsstaat, für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz treffen sich die Katholiken dafür inzwischen mit anderen gesellschaftlich engagierten Gruppen. Die schwindenden Differenzen zum Protestantismus ermöglichten die ersten Ökumenischen Kirchentage. Allgemein öffneten sich die Veranstaltungen für Nichtkatholiken. Judentum und Islam sind inzwischen nicht nur Gegenstand mehr oder weniger kluger Vorträge katholischer Gelehrter, sondern Partner im Dialog. Auch das Verhältnis zum Staat hat sich entspannt. Die Grenzen der Einflusssphären, etwa in der Wohlfahrtspflege, in den Schulen und bei den Eheschließungen, sind im Großen und Ganzen fest gezogen. Alles in allem ist das Ringen von Kirche und Staat einem wohlwollenden Miteinander gewichen.

Seitdem der Kampf gegen äußere Gegner an Bedeutung verloren hat, kommen zunehmend auch innerkirchliche Kritiker zu Wort. Auf den Katholikentagen wird inzwischen oft intensiver über die Verfasstheit der katholischen Kirche als über ihr Einwirken auf die Gesellschaft diskutiert. Die Demonstration von Einigkeit, die in schwierigen Zeiten im Vordergrund stand, ist in den Hintergrund getreten. Stattdessen präsentieren Katholikentage heute mehr und mehr das ganze Spektrum der Möglichkeiten, katholisch zu sein. Spätestens seit 1968 ist auch Kritik am Papst und an den Bischöfen nicht mehr tabu.

Die Rolle des Episkopats hat sich ebenfalls grundlegend gewandelt. Auf dem ersten Katholikentag war kein Bischof anwesend, 1849 besuchte der Ortsbischof in Regensburg immerhin den Gottesdienst, nach und nach wurde es üblich, dass die Ortsbischöfe oder der Münchener Nuntius der Versammlung den Segen spendeten. Die Mitglieder der ersten Generalversammlungen waren jedoch peinlich darauf bedacht, ganz und gar im Sinne der Kirchenleitung zu handeln und bloß keine bischöflichen Kompetenzen zu berühren. Inzwischen beehrt meistens fast der gesamte deutsche Episkopat die Katholikentage. Die Bischöfe erhalten für ihre Reden und Statements viel Aufmerksamkeit, aber das Kirchenvolk hadert auch oft mit ihnen – und verärgert sie nicht selten.

In den Staaten des Deutschen Bundes, im Deutschen Kaiserreich, in der Weimarer Republik, in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland: Seit 1848 haben die Katholiken Deutschlands über alle Umbrüche hinweg mit ihren regelmäßigen Treffen Geschichte geschrieben – und Geschichten gemacht. Hundert davon werden in diesem Buch erzählt. Sie gehen jeweils von zentralen Ereignissen und Themen der einzelnen Katholikentage aus. Zusammengenommen sollen sie aber ein Mosaik bilden, das zeigt, wie vielfältig der deutsche Laienkatholizismus in den vergangenen 170 Jahren gewirkt hat.

Hundert Katholikentage

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