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|36|10 KÖLN 6. BIS 9. SEPTEMBER 1858 Marienfrömmigkeit KÖLN UND SEINE HEILIGKEIT
ОглавлениеBraucht Köln eine Mariensäule? Domkapitular Johann Jacob Broix, der als Vorsitzender des Kölner Komitees die Generalversammlung 1858 mit vorbereitet hat, lässt keinen Zweifel aufkommen: Seine Heimat sei schließlich „die Metropole des Rheinlandes, die heilige, die katholische Stadt Köln, welche bereits im Mittelalter die heilige Jungfrau als die unbefleckt Empfangene begrüßte und als solche für sich und die ganze Erzdiözese zur Patronin erwählte“.
Die Marienfrömmigkeit blüht im 19. Jahrhundert wieder auf, und daran hat die Generalversammlung ihren Anteil. Schon auf ihrem zweiten Treffen 1849 in Breslau hat sie sich die Gottesmutter zur Patronin erwählt. Fünf Jahre später gab Pius IX. seiner glühenden Verehrung für die heilige Jungfrau auf eine ganz besondere Weise Ausdruck: Er erklärte die Unbefleckte Empfängnis Mariens zum Dogma. Das war ungewöhnlich, denn eigentlich wurden Glaubenssätze nur dann dogmatisiert, wenn sie massiv angegriffen wurden. Das trifft in diesem Fall ausdrücklich nicht zu. Es handelt sich vielmehr um ein Devotionsdogma, das die Gottesmutter angesichts der vielfältigen Bedrohungen von Kirche und Kirchenstaat geneigt stimmen und zum Eingreifen in dieser Welt veranlassen soll. Maria, so hat es seitdem jeder Katholik zu glauben, war vom ersten Moment ihres Lebens an frei von der Erbsünde. Marienerscheinungen erleben nach der Verkündigung des neuen Dogmas eine Hochkonjunktur. In der ersten Hälfte des Jahres 1858, also gerade erst, hat sich die Gottesmutter dem Hirtenmädchen Bernadette in Lourdes als „Unbefleckte Empfängnis“ zu erkennen gegeben.
WAS NOCH?
Über die modifizierte Geschäftsordnung wird ausgiebig diskutiert. Ausschüsse gibt es nach der Geschäftsordnung von 1859 für die äußeren Angelegenheiten, für das Missionswesen, für christliche Barmherzigkeit sowie für christliche Wissenschaft und Kunst. Die Versammlung empfiehlt das Collegium für Geistliche in Nordamerika im belgischen Löwen und unterstützt die katholische Kirche in Griechenland und Palästina. Der in der Schweiz geborene ungarische Abt Jacques Mislin fordert nach dem Beispiel Nordamerikas eine christliche Kolonisierung Palästinas und schließt mit der Bitte der Kreuzfahrer: „O Herr, komme dem heiligen Lande zu Hülfe, errette das heilige Grab aus den Händen der Ungläubigen!“
Die Kölner feierten die Verkündigung des Dogmas 1854 mit einer großen Prozession. Um die Mariensäule zu planen, gründeten sie – natürlich – einen Verein; Broix übernahm den Vorsitz. Pius IX. schenkte dem Erzbischof von Köln einen Marmorstein aus den Katakomben. 25.000 Menschen waren dabei, als dieser 1857 als Grundstein für die Säule gelegt wurde. Aber nicht alle Kölner hielten den neugotischen Bau für eine gute Idee, auch nicht alle Katholiken. Einige forderten, die Kräfte lieber zu bündeln, um den Dom fertigzustellen oder Maria durch ein Spital für unheilbar Kranke zu ehren. Doch das Bedürfnis nach einer großen Geste siegte, zumal der Bürgermeister gerade ein klassizistisches Reiterstandbild zur Erinnerung an den – protestantischen – König Friedrich Wilhelm III. plante.
Mit der Einweihung haben die Kölner bis zum Tag der liturgischen Feier der Geburt Mariens am 8. September gewartet – und bis zur Generalversammlung. Die Einweihung der Säule bildet den Höhepunkt des Programms, und die Kölner zeigen, was sie können: Sie schmücken die Straßen und Häuser mit Laubgewinden, Blumenkränzen und Wimpeln, überall läuten |37|die Kirchenglocken. Den Festumzug führen die Schülerinnen der katholischen Mädchenschulen an, es folgen Frauen, Mitglieder des Gesellenvereins, ein Chor, Innungen und Gewerke, der Vorstand des Marien-Vereins, der Kölner Klerus, der Bürgermeister und Stadtverordnete, schließlich Mitglieder der Generalversammlung sowie der Vereine und Bruderschaften.
Die Einweihung der Mariensäule ist der Höhepunkt der zehnten Generalversammlung.
Die Säule stehe „wie heute, so den fernsten Jahrhunderten zum Zeugnisse: Köln ist die treue, römische Tochter!“, jubelt Broix. Und tatsächlich, die Mariensäule steht immer noch, wenn auch etwas versetzt, weil sie einer Straßenbahntrasse im Weg war. In dem umgebenden Park neben der Kirche Sankt Gereon wird heute jeden Samstag um 17 Uhr öffentlich der Rosenkranz gebetet – „auf dass unsere Stadt Köln wieder den Titel ‚heilig‘ verdient“, wie die Organisatoren schreiben.