Читать книгу Gegenstrom - Ilja Albrecht - Страница 12
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ОглавлениеDie kleine Kammer lag im Dunkeln.
Die einzige Beleuchtung kam von den zwei Computermonitoren, auf denen Zahlenkolonnen senkrecht aneinander vorbeirasten, Bilder verschiedenster Überwachungskameras im Zeitraffer vorspulten, Perspektiven und Orte wechselten und ineinander überblendeten und Polizeiakten durchsucht wurden.
Ein leises Summen aus dem Nebenraum zeugte davon, dass der luft-/wassergekühlte Serverraum einwandfrei funktionierte. Ein konstantes Vibrieren, das ihn auf perverse Art mit Macht erfüllte. Befehle wurden beinahe so schnell ausgeführt, wie der Gedanke an sie aufgeblitzt war. Die Anlage war das Schnellste, was er sich jemals hätte vorstellen können. Er fühlte sich eins mit dem Programm und der Hardware.
Er war dem Polizisten recht schnell auf die Spur gekommen. Blohm, Hauptkommissar aus Hamburg, Leiter einer internationalen Einheit von Sonderermittlern des deutschen BKA, die Top-Truppe aus Berlin, im offenen und dunklen Netz eine sagenumwobene und gesichtslose Gruppe. Aber nicht für ihn. Blohm fuhr zwar einen alten analogen Wagen, das aber war ein Jaguar XJS. Genauso hätte er sich ein rotes Kreuz aufs Dach malen können. Er hatte ihn innerhalb fünf lächerlicher Minuten gefunden, nachdem Blohm die dritte Geschwindigkeitsbegrenzung durchbrochen hatte und mit Karacho auf den Parkplatz des Hamburger Flughafens gerast war.
Schnitt zur Ankunftshalle. Er traf eine Frau, Gesichtserkennung ab und bestätigt, Detective Sergeant Gwendoline Caulfield vom CID Barnet, obwohl dieser Eintrag gerade upgedatet worden war, weg aus Barnet und rein in die NCA. Herzlichen Glückwunsch zum Karrieresprung.
Damit war die Zielgruppe komplett. Saunders, Caulfield, Mendelsohn, Blohm. NCA und BKA. Nichts aus England bisher, das NCA-Gebäude hatte er noch nicht knacken können. Man würde nicht zufrieden sein. Das musste besser gehen.
Wie anders war das Leben jetzt, da er nicht mehr draußen an der frischen Luft war. Raus aus der Enge der Familie und dem miefigen Currygeruch ihres Lebensmittelhandels war er schon länger. Aber nun lagen auch die Computerlabore der Fakultät schon weiter weg im Dunkeln. Er war jetzt kein kleiner Doktorand mehr, er saß am Steuerpult des schnellsten Rechners Englands, wenn nicht ganz Europas. Kein Riesencomputer wie bei diesen Angebern in der Schweiz oder dieser Lagerhalle in Wales. Nein, das hier war der Computer. Ein Rechenwerk gebaut aus Teilen, die außer den Entwicklern niemand kannte, so unglaublich schnell wie nichts anderes auf der Welt. Und wer hatte es unter Kontrolle? Nicht die Guten, nicht die Offiziellen. Wie immer hatten die Bösen das meiste Geld, und er war jetzt das digitale Herzstück dieses Bösen. Vernetzt mit jeder Kamera, jedem zugänglichen Datensatz und natürlich mit jedem Kommunikationsmittel.
Die beiden Polizisten fuhren in einen Hamburger Vorort im ländlichen Norden. Wie vorausberechnet zur Witwe des Ingenieurs, den man getötet hatte. Wieder so ein Naivling, der sich gewehrt hatte, anstatt zu erkennen, wann man unterlegen war. Sein Tod war grausig gewesen, aber irgendwie auch faszinierend. Und niemand hatte Verdacht geschöpft. Bis heute Morgen.
Dass die NCA ermittelte, war klar – internationales Opfer. Und eben kein Selbstmord wie bei dem deutschen Banker. Aber dass sie das BKA hinzuzogen und nach Hamburg flogen, während ein BKA-Profiler extra aus dem Urlaub in Schottland und nach London geholt wurde, das war bedenklich. Oder vielleicht logisch, wenn Anstetter irgendjemandem was gesteckt hatte. Aber das musste mündlich geschehen sein, über seine Elektronik und in seinem Wagen war nichts gelaufen. Auch der Bankmensch hatte keine Daten verschickt, zumindest nichts, was man verfolgen konnte. Aber das war ein Programmierer, also musste man abwarten, was die Detectives in Erfahrung brachten, dann würde man sehen.
Er stand auf und streckte sich. Der Hamburger Kommissar fuhr mit seiner englischen Kollegin in ein Restaurant, danach ging es nach Berlin, das hatte Caulfield ihrem neuen Kollegen auf ihrem Steinzeithandy geschrieben. Der andere Deutsche Mendelsohn war im NCA-Hauptquartier. Danach würde er mit seinem Kollegen und dem Opa in diesem B&B zu Abend essen. Die Menschen waren so vorhersehbar, wenn man Daten, Bilder und Kommunikation aufzeichnete, in eine Gleichung mit Umwelt- und Zeitfaktoren warf und dann Wiederholungen wie auch Abweichungen analysierte. Abermillionen Rechengänge deckten alles ab und ließen keinen Raum mehr für Geheimnisse.
Auch heute gab es nichts mehr herauszufinden. Er stellte sicher, dass die Suchalgorithmen für jede Zielperson eingestellt waren. Vor allem der Bot für diesen Profiler. Auf den hatte es die Gruppe am meisten abgesehen.