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Bolkos Jaguar rollte langsam auf den Vorplatz des BKA-Gebäudes.

Gwen Caulfield war noch nie in Deutschland gewesen, daher bot Hamburg ihr bereits eine Reizüberflutung. Vor allem, da sie vor gerade mal fünf Stunden dort gelandet war. Jetzt, nachdem sie mit Überschallgeschwindigkeit und lautem, aber extrem gutem Bluesrock über die samtweiche Autobahn nach Berlin geflogen waren, kam ihr das alte Kasernengebäude vor wie ein Zeitsprung in den Zweiten Weltkrieg. Für einen Moment kamen ihr alle englischen Vorurteile in den Sinn.

»Sieht aus, als ob gleich die SA um die Ecke marschiert. Ging mir auch so. Das hier war früher Ostberlin, die haben alle Kasernen nach Kriegsende gleich weitergenutzt. Wir sind eigentlich in den neuen Towers an der Spree, momentan wegen Renovierung leider wieder hier«, sagte Bolko, der ihren Gedankengang erraten hatte.

Sie parkten, dann gingen sie durch endlose Gänge und stiegen viele Treppen, bis sie schließlich an Halbachs Büro gelangten.

»Und dies ist der Olymp. Keine Bange, meine Chefin frisst nur Männer, und auch von denen nur die Idioten.«

Er klopfte, und sie traten ein. Birte Halbach war am Telefon und sprach englisch. Nicht mit Castlemere, wie sich schnell herausstellte. Sie bedeutete beiden, kurz zu warten, und beendete das Gespräch entspannt und formvollendet. Dann erhob sie sich und begrüßte Caulfield.

»Birte Halbach, sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Gwen. Und meine herzlichen Glückwünsche zur neuen Anstellung, John hat mir heute Morgen alles Wichtige erzählt.«

Caulfield fühlte sich immer noch, als würde sie in Watte gepackt eine Art Film erleben. Und doch jubilierte etwas in ihrem Inneren ständig, weil dies hier Realität, die Erfüllung eines lange ersehnten Traumes war. »Vielen Dank. Ich bin immer noch etwas überrollt von allem. Aber die Kollegen in London und Bolko hier machen es mir leicht. Und Sie alle sprechen so ein gutes Englisch.«

»Nicht, was man erwartet, ich weiß. Aber wir sind hier ja bei der internationalen Abteilung. Bolko spricht auch holländisch, das allerdings eher aus privaten Gründen. Kiran beherrscht Japanisch und Russisch. Letzteres könnte euch in London ja auch helfen. Wie ist es denn gelaufen mit der Witwe von Herrn Anstetter?«

»Einerseits gut, andererseits seltsam«, antwortete Caulfield, als Bolko keine Anstal-ten zu reden machte, sondern ihr zunickte. »Anstetter war tatsächlich kein potenzielles Infarkt-Opfer, zumindest nicht aus gesundheitlichen Gründen. Er war topfit und privat so eine Art Superathlet, im Haus hingen überall Bilder von seinen Cross-Country-Touren. Beruflich stand er allerdings unter ziemlichem Stress.«

»Inwiefern?«

»Man hat ihn verdächtigt, Aufputschmittel zu nehmen und so empfindliche, geheime Daten gefährdet zu haben. Er hat das abgestritten, aber man wollte ihn wohl loswerden. Es sind auch Leute bei ihm gewesen, um ihn unter Druck zu setzen. Daraufhin ist die Frau mit den Kindern zurück nach Hamburg. Anstetter blieb, um sich mit jemandem in einem Pub draußen in Barnet zu treffen. Da hatte er dann diesen Anfall.«

»Haben Sie eine Idee, mit wem und warum das Treffen stattfand?«

Caulfield schüttelte den Kopf. »Ich hatte mit den Zeugen und dem Wirt geredet, nachdem Anstetter abtransportiert worden war. Niemand hat ihn beachtet, der Laden ist allerdings auch sehr beliebt und edel, war voll. Es ist so eine Art teurer Landgasthof, viel Prominenz und daher keine Überwachungskameras. Keiner hat gesehen, ob er mit jemandem zusammengesessen hatte. Die einzigen Zeugen haben ihn zusammenbrechen sehen. Er hat nur noch unzusammenhängend gestammelt, bevor er starb.«

Halbach nickte nachdenklich. Dann stand sie auf und nahm einen Aktenhefter vom Tisch und gab ihn Bolko.

»Gut. Also, ich habe heute Morgen und vorhin noch mal mit John Castlemere gesprochen. Das eben war die Generaldirektorin der NCA Frances Parsons, von der ich Sie herzlich grüßen und ebenfalls beglückwünschen soll, Gwen.«

Caulfield überkam der nächste Schauer. Halbach lächelte und fuhr fort. »Ja, eine Frau, der Großteil des NCA-Direktorats ist übrigens weiblich, Bolko. Erstaunlich und positiv überraschend, so was im Mutterland der Lordschaften. Wir sind heute Morgen schon übereingekommen, dass John Castlemeres Gesuch auf eine gemeinsame Ermittlung und heute Abend dann der Erweiterung des deutsch-englischen Teams stattgegeben wird. Bolko, Sie und Kiran sind in London offizielle Ermittler und unterstehen Castlemere, Ihre Waffen nehmen Sie daher mit und versuchen ansonsten, einen guten Eindruck zu machen. Gwen, lassen Sie Bolko unter keinen Umständen Auto fahren, Sie haben ihn auf der Autobahn erlebt und wissen daher, warum. Ihr beiden fliegt in einer Stunde mit dem kleinen Jet nach London. Kiran erwartet euch in seinem Lieblings-B&B.«

Es klopfte an der Tür. Auf Halbachs Geheiß traten Alenka Motte und Enzo Moretti in den Raum, die andere, junge Hälfte des Kiran-Bolko-Teams.

Alenka war das technische Gehirn der Ermittlungsgruppe. Eine asketische und enorm schnell denkende Oberkommissarin, die den sogenannten Medienterminal bediente und einer der besten Hacker im BKA war. Moretti war ebenfalls Oberkommissar. Ursprünglich als Ergänzung zum Team gekommen, war er zusammen mit Alenka der Motor der Informationsbeschaffung. Dazu hatte er ähnlich wie Kiran ein sehr gutes Gespür für Menschen und Situationen, das ihm und dem Team nicht selten half, wenn es zu entscheiden galt, ob sie belogen wurden.

Halbach stellte Caulfield vor, dann übernahm Bolko.

»Gut, ihr beiden seid ja von Wyman gebrieft. Alenka, du fährst nach Münster und befragst die Mutter von Stefan Kramer nach absolut allem, was relevant ist. Kann sein, dass sie kaum Kontakt zu ihrem Sohn hatte, kann aber auch sein, dass sie uns einiges erzählen kann. Enzo, du besuchst die Witwe von Anstetter in Hamburg. Bleib ein paar Tage, hilf der Dame und versuch mal, mehr Informationen über die Kollegen in dieser Windfirma herauszukriegen. Vor allem will ich wissen, wer von denen Druck ausgeübt hat. Ich gebe dir meine Wohnungsschlüssel, da kannst du pennen, solange das in Hamburg dauert. Alenka, du organisierst wie immer die Videokonferenzen.«

Die beiden nickten. Halbach schloss die Runde.

»Alles klar, alle gebrieft. Na dann gute Jagd und viel Spaß in England, Bolko.«

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