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2014 - Krankenhaus von Alessia - Ausgetrickst

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An dem Tag, als Hatem sich verabschiedet hatte, durfte Carina nachmittags zum ersten Mal aufstehen.

Mithilfe einer Schwester verließ sie das Zimmer.

Sie musste sich noch vorsichtig bewegen, aber eigentlich ging es ganz gut. Nach so langer Zeit, die sie im Freien verbracht hatte, fühlte sie sich in dem Raum eingesperrt und nahm daher das Ziehen im Bauch gerne auf sich.

Sie war gespannt, ob tatsächlich jemand vor ihrem Zimmer saß und siehe da: Dort saß auf einem Stuhl nicht weit von ihrer Tür ein junger Araber, den sie aber noch nie zuvor gesehen hatte. Soweit sie es beurteilen konnte, war er keiner der Männer, mit denen sie durch die Wüste geritten war.

Das war aber auch nicht überraschend, sie hatte ja von Hatem gehört, dass sich der kleine Trupp von circa 60 Reitern, der von Dubai aus aufgebrochen war, hier mit viel mehr Männern treffen wollte.

Natürlich wollte sie sofort von ihm wissen, was er hier machte und wo der Scheich zu erreichen sei.

Doch der junge Mann sprach offenbar nur Arabisch.

Sie bat die Schwester, die aus Alessia war, aber auch ganz passabel Englisch sprach, für sie zu übersetzen, doch der Tarmane zuckte trotzdem die Achseln.

Entweder wusste er wirklich nichts, oder er stellte sich ganz geschickt dumm.

Er richtete schöne Grüße vom Scheich aus, er wünsche ihr eine gute Besserung und würde ihr selbstverständlich den Heimflug ab Alessia (via Dubai) nach Deutschland bezahlen, sobald es ihr besser ging. Eine höfliche Form zu sagen: „Schau, dass du nach Hause kommst.“

Carina war empört. Schon wieder versuchte der Kerl ihr vorzuschreiben, was sie zu tun hatte. Da war er aber an die Falsche geraten! Und so dachte sie sich einen Plan aus.

Am sechsten Tag nach ihrem Erwachen konnte sie schon wieder einigermaßen laufen und da sie Angst hatte, dass der Scheich tatsächlich weiterziehen würde, riss sie sich zusammen. Bis zum Erreichen ihres Zieles musste sie einfach kommen.

Ihr war klar, dass sie nicht darauf hoffen konnte, dass einer der Männer, die sich regelmäßig abwechselten, vor ihrer Tür einschlief. Sie wusste aus Erfahrung und aus dem Erlebnis in der Wüste, dass die Männer dafür viel zu gut trainiert waren. Sie konnte also nicht einfach an ihnen vorbeischleichen.

Und so wartete sie, ob nicht einer von ihnen einmal kurz seinen Platz verlassen würde. Und tatsächlich suchte der junge Mann, der ihr zwei Tage vorher die Grüße ausgerichtet hatte, die Toilette auf. Er war keine zwei Minuten weg, aber das reichte Carina. Sie huschte in einen Materialraum schräg gegenüber von ihrem Zimmer. Dort zog sie sich an.

Sie musste nicht lange warten, dann kam die Schwester und schaute nach, wo sie hingegangen war. Dann fand sie Carinas Zettel: „Ich muss etwas erledigen, bin in ein paar Stunden wieder da.“

Wie von der Tarantel gestochen, sprang der junge Mann auf und begann nach ihr zu suchen.

Als er sie nicht an den üblichen Stellen, wie Terrasse, Kantine und Toilette fand, rannte er nach draußen.

Da er dann erst einmal stehenblieb, um zu schauen, ob er sie irgendwo sehen konnte, hatte Carina kein Problem zu ihm aufzuschließen. Nun musste sie ihm nur noch folgen!

Er zückte sein Handy und telefonierte, dann stieg er in ein Taxi.

Glücklicherweise gab es vor dem Krankenhaus mehrere Taxis und so stieg Carina in das nächste wartende Fahrzeug ein. Sie fühlte sich ein wenig kitschig, wie in einem schlechten Film, als sie auf Englisch sagte: „Folgen Sie bitte dem anderen Taxi.“

Der Fahrer schien gut Englisch zu verstehen, blickte sie nur einen Moment lang prüfend an, ob das ein Witz gewesen sei, dann fuhr er grinsend los. Er murmelte vor sich hin, dass er sich schon immer Mal gewünscht hatte, dass jemand das zu ihm sagte.

Zuerst fuhren sie zum nahe gelegenen Markt. Der Junge stieg aus und fragte ein paar Leute. Als er nichts erreichte, fuhren sie weiter zum Bahnhof.

Dort passierte das Gleiche: Der Junge fragte einige Personen, die vor dem Bahnhof standen, dann rannte er hinein und fragte vermutlich auch dort. Als er wieder herauskam, stieg er erneut in sein wartendes Taxi ein.

Und weiter ging die Fahrt.

Carina hatte ihren Fahrer, der das Spiel zu genießen schien, jeweils gebeten zu warten und war einfach sitzen geblieben. Sie hatte das Gefühl, dass der Junge nur einige Plätze vorweisen wollte, an denen er sie gesucht hatte, denn wäre sie tatsächlich im Getümmel des Marktes verschwunden, so hätte sein reines Nachfragen bei einigen Passanten das bestimmt nicht zu Tage gebracht.

Schon nach fünfzehn weiteren Minuten hielten sie vor einem Haus. Es schien ein großes Grundstück zu sein, das von einer hohen Mauer umgeben war. Nachdem die Mauer gut erhalten und gepflegt war, schien der Besitzer dieses Grundstücks nicht gerade am Hungertuch zu nagen. Außerdem war die Gegend, in der sie waren, keinesfalls das Armenviertel. Im Gegenteil.

Der Mann bezahlte seinen Taxifahrer, klopfte und sofort ging die Türe auf.

„Aha, Wachposten hinter der Türe“, dachte Carina bei sich.

Nachdem er einige Worte mit jemandem hinter der Tür gewechselt hatte, ging der junge Mann hinein.

Es war Jassim, der ihn aufgrund des vorher geführten Telefongesprächs bereits ungeduldig erwartet hatte.

Carinas Herz schlug bis zum Hals – was sollte sie jetzt tun? Wohnte da drinnen der Scheich? Und wenn ja, was sollte sie sagen? „Hallo, da bin ich“ traf es nicht wirklich.

Dann erkannte sie, dass sie ja aus genau diesem Grund dieses Spiel spielte und jetzt zu kneifen und zurückzufahren überhaupt nicht infrage käme. Und noch ein anderes Problem tat sich auf: mit Entsetzen realisierte sie, dass sie überhaupt kein Geld dabei hatte.

Also bat sie den Fahrer kurz zu warten, stieg aus und klopfte mutig an die Tür. Wieder wurde diese sofort geöffnet. Ein Mann mittleren Alters in weißen, arabischen Gewändern öffnete die Tür. Carina hätte Rayans Leibwächter beinahe nicht erkannt, doch dann fiel es ihr wieder ein, dass sie ihn so oft vor dem Zelt des Scheichs gesehen hatte.

Jassim schaute sie zuerst fragend an, doch dann weiteten sich seine Augen, als er sie ebenfalls erkannte und sagte etwas auf Arabisch, das sie nicht verstand.

Frech machte ihm Carina mit wohl in jedem Land verstandenen Gesten klar, dass sie kein Geld hatte, um den Taxifahrer zu bezahlen und mit finsterer Miene ging der Mann los und bezahlte an ihrer Stelle.

Der Fahrer winkte ihr noch fröhlich zu – was hatte er heute Abend alles seinen Freunden zu erzählen!

Dann gestikulierte Jassim ihr, noch immer alles andere als freundlich, sie solle hereinkommen und ihm folgen.

Sie gingen durch einen Park, in dem wunderschöne, hohe Bäume Schatten spendeten, auf einen Torbogen aus weißem Stein zu.

Nach wenigen Metern durch den Torbogen hindurch, kamen sie in einen Innenhof, der einen der typischen, mit farbigen Mosaikfliesen ausgestatteten Brunnen in der Mitte hatte.

In alle vier Richtungen gingen Gänge und Räume ab.

Die ganze Aktion hatte nicht lange gedauert und so mussten sie direkt hinter dem jungen Mann aus dem Krankenhaus sein.

Dieser hatte gerade an eine Tür geklopft und eine große, sehr schlanke, arabische Frau öffnete. Sie mochte Ende zwanzig sein, hatte ein schönes, ebenmäßiges Gesicht und trug ihr langes schwarzes Haar offen. Sie war barfuß und mit einem Kimono bekleidet.

Der junge Mann fragte sie in Arabisch, und diesmal verstand Carina, dank Hatems Unterricht, was er sagte: „Ich muss bitte unbedingt mit unserem Herrn sprechen, die Frau! Sie, … sie ist weg!“, stammelte er.

Ihm war anzumerken, dass die Situation ihm unglaublich peinlich war.

Die Frau öffnete die Tür ein wenig weiter und hinter ihr erschien der Scheich in der Tür. Sein Oberkörper war nackt, aber damit noch nicht genug, denn er hatte lediglich ein Tuch um die Hüften gewickelt.

In diesem Moment traten Carina und ihr Begleiter aus dem Schatten auf der anderen Seite des Innenhofs. Jassim sagte: „Hier ist Besuch.“

Alle drei, die Frau, der junge Mann und der Scheich blickten gleichzeitig Carina an. Jeder mit einer anderen Miene. Der Junge wusste nicht, ob er erleichtert oder entsetzt sein sollte, die Frau schaute feindselig und der Scheich hob ironisch lächelnd die Brauen.

Dann sagte Jassim zu dem Jungen: „Scheint so, als sei sie dir gefolgt“ und der junge Mann sah aus, als wolle er im Boden versinken.

Dafür hatte Carina allerdings keinen Blick. Sie bemerkte es nicht einmal und starrte stattdessen nur den Scheich an.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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