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2014 - Alessia - Aufbruch nach Zarifa

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In der Nacht vor dem Aufbruch konnte Carina kaum schlafen.

Es war noch stockdunkel, als Jamal ihr sagte, dass es Zeit sei, sich fertigzumachen. Er half ihr, die Gewänder anzulegen, die am Vortag jemand vorbei gebracht hatte. Sie war froh, dass es sich um ein zweigeteiltes Gewand mit separater Hose handelte. Andere übliche Gewänder, die nur aus einem langen Oberhemd bestanden und die Beine frei ließen, hatte sie zum Reiten als ungeeignet empfunden, zu viel von ihren Beinen wurde sichtbar.

Das bei den Tarmanen übliche Gewand war das, welches Rayan trug, als sie ihn in Leilas Haus gesehen hatte: Es bestand aus einer dunklen Hose, mit hellem Shirt, diesmal allerdings zum Schutz gegen die Sonne langärmelig und einer Weste, die wohl mehr der Zierde diente.

Weiterhin erhielt sie einen Gürtel, an dem ein dolchähnliches Messer befestigt war. Auch für die festen, halbhohen Lederstiefel war sie dankbar, weil sie wusste, dass im Sand der Wüste so einiges an gefährlichen Kreaturen lauerte, zum Beispiel Skorpione oder Schlangen.

Den Abschluss bildete ein Turban, mit dem sie zusammen mit Jamal einen Moment lang kämpfte, musste sie doch ihre langen blonden Haare darunter unterbringen. Kurzerhand flocht sie diese zum Zopf, was die Arbeit erheblich erleichterte und in der Wüste sicher auch praktischer war.

Als sie sich im Spiegel betrachtete, war sie beeindruckt. Sie sah so anders aus! Durch die lange Zeit hier in Arabien hatte sie einen dunkleren Teint angenommen, als je zuvor in ihrem Leben. So fiel es tatsächlich nur bei genauerem Hinsehen auf, dass sie keiner von Rayans Männern war.

Sie hängte sich noch eine Tasche quer über Schulter und Bauch, in der sie ihre persönlichen Dinge wie Ausweis, ihre Kamera und einige Kleinigkeiten hatte.

Dann war sie fertig. Essen konnte sie nichts, obwohl Jamal ihr riet, dringend noch etwas zu sich zu nehmen, würde sie doch nun eine ganze Zeit lang von einfachen Dingen wie Datteln und Dörrfleisch leben müssen. Doch sie fühlte sich, als hätte sie einen Stein im Magen. Als sie das letzte Mal zu einem Ritt in die Wüste aufgebrochen war, war sie im Krankenhaus aufgewacht – hoffentlich würde diesmal alles gut gehen.

Aber sie fühlte sich fit und ausgeruht und auch der Doktor hatte keinerlei Bedenken mehr gehabt, dass sie absolut wieder in Form sei.

Es war Mehmet, der sie abholte. Sie freute sich, dass ihr Lehrer sie durch die dunklen Straßen begleitete, bald genug würde sie alleine klarkommen müssen. Bei ihrem letzten Trip hatte sie zumindest Hatem immer bei sich gehabt.

Sie trafen sich außerhalb der Stadt und sie konnte schon von weitem die vielen Pferde sehen. Es mussten fast 500 Reiter sein! Sie war über die große Anzahl völlig überrascht, sie hatte doch eher wie beim letzten Mal mit 50-60 Kriegern gerechnet. Dann erinnerte sie sich, dass sie gehört hatte, dass der Scheich sich damals mit seinen Kriegern, die direkt aus Zarifa kamen, treffen wollte. Das erklärte den Zuwachs.

Auch Mehmet schien nun nervös zu sein, angesichts der vielen grimmig dreinblickenden Männer.

Er wusste nicht recht, an wen er sich wenden sollte, als einer der Männer sie erblickte und den anderen etwas zurief, was Carina aber nicht verstand. Einige der Männer lachten. Nachdem Mehmet etwas rot geworden war, schien er den Dialekt der Tarmanen verstanden zu haben, sagte aber nichts.

Ein kräftiger Mann kam mit zwei Pferden am Zügel auf sie zu und zu ihrem Entsetzen erkannte sie, dass es derjenige gewesen war, der sie damals geschlagen hatte, als sie das Wasser verschüttete.

Er maß sie von oben bis unten, dann nickte er, als wäre er mit ihrem Outfit zufrieden.

„Ich bin Nihat. Ich soll mich um dich kümmern. Du sollst tun, was ich dir sage und zwar in dem Moment in dem ich es sage, und wehe du gehorchst nicht, dann darf ich dich übers Knie legen! Anweisung von meinem Herrn persönlich!“, sagte er stolz und auch ein wenig drohend.

Carina war noch immer entsetzt. Was hatte sie verbrochen, um grade dieses Ekel als ihren persönlichen Anhang zu bekommen? In Gedanken verfluchte sie den Scheich, bestimmt hatte es ihm einen Riesenspaß gemacht, ihr diesen Streich zu spielen.

In Wahrheit gab es zwei Gründe, die zu dieser Konstellation geführt hatten: Nihat hatte noch immer ein schlechtes Gewissen, dass er es damals gewesen sein könnte, der ihren Zusammenbruch durch seine Ohrfeige verursacht hatte. Und wie wütend sein Herr deshalb auf ihn gewesen war, war ihm auch noch recht gut im Gedächtnis. So hoffte er, dies wieder gutmachen zu können.

Außerdem war er ein ausgezeichneter Kämpfer, der schon so einiges durchgemacht hatte. Seine Frau war Samira, die Nichte des Fürsten Said Harun, der seit dem großen Kampf damals ein guter Freund des Scheichs Rayan Suekran war. So war Rayan sich sicher, dass Carina bei ihm in guten Händen war.

Carina bewunderte „ihr“ Pferd. Es war ein Schimmel, der von oben bis unten mit goldenen Punkten gesprenkelt war. Doch dann war es schon Zeit, aufzusteigen.

Sie verabschiedete sich noch von Mehmet, der einerseits froh zu sein schien, dass er nicht an ihrer Stelle war, andererseits aber auch die vielen Reiter etwas wehmütig anschaute.

Einen Moment brauchte sie, aufs Pferd zu kommen, weil die Stute die Aufregung des Aufbruchs spürte und einfach nicht stillstehen wollte. Als Carina endlich heil oben angekommen und sich zurechtgesetzt hatte, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, dass am Sattel auch schon einer der üblichen Wasserschläuche befestigt war, natürlich gut gefüllt.

Und los ging es. Allen Reitern voran konnte sie die Doppelspitze aus Rayan und Hanif sehen.

Statt dem wunderbaren Dunkelbraunen, den er früher auf dem Weg von Dubai nach Alessia geritten hatte, saß Rayan ebenfalls auf einem Schimmel, ein fast weißes Tier, der nur am Kopf und den Innenseiten der Hinterbeine eine leicht graue Färbung zu haben schien.

Hanif ritt denselben Hengst, wie vorher auch schon: ein Goldfuchs mit breiter Blässe am Kopf. Und schon jetzt wusste Carina, dass alleine die Chance, all diese edlen Pferde zu sehen, jede Mühe wert sein würde.

Für Carina war es wie Zauberei, dass fast alle Reiter gleichzeitig loszureiten schienen. Es gab eine Art Ordnung, die sie aber noch nicht durchschauen konnte.

Sie erinnerte sich an die Zeiten der Kamelkarawane, bei ihrem Ritt von Dubai nach Wahi, die auch aus etwa 300 Tieren bestanden hatte. Es hatte immer einige Zeit gedauert, bis sich alle in Bewegung gesetzt hatten.

Von Wahi hierher waren sie in einem kleineren Pulk von nur etwa 60 Reitern geritten, was die Ordnung einfacher machte. Nicht so bei den fast 500 Reitern hier. Doch sie hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken. Sie hatte genug zu tun, ihr Pferd in einem gemäßigten Galopp neben Nihat zu halten.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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