Читать книгу RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4) - Indira Jackson - Страница 80

2001 - Rub’al Khali, Oase von Farah - Nachricht mit Wirkung

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Etwa zwei Stunden nach Mitternacht weckte Rayan die beiden Jungen und Yusuf. Er erklärte Yusuf seinen Plan. „Hör zu, meine Absicht ist es, den Scheich davon zu überzeugen, dass wir keineswegs die leichte Beute sind, die er glaubt. Das wird deine Aufgabe sein.“ Und er gab Yusuf einen handgeschriebenen Brief, den dieser nur dem Scheich persönlich übergeben sollte. „Ich kann den Brief ja schlecht an sein Zelt hängen, verstehst du? Dafür verspreche ich dir, dass ich dich dort lassen werde und du dich dann erstmal ausruhen kannst.“ Um die Ehrlichkeit seiner Aussage zu unterstreichen, band er Yusuf los.

„Natürlich wird die Hölle losbrechen, wenn wir da so ohne Einladung auftauchen. Deshalb erzähle ich dir offen von meinem Plan. Wenn du vorher laut bist und unser Kommen verrätst, werden uns die Wachen beide sofort töten. Wir haben Krieg, da wird keiner lange fackeln, auf welcher Seite du stehst. Vergiss nicht, dass du offiziell noch immer ein Tarmane bist und lediglich der Scheich von deiner Rolle weiß!“

Yusuf nickte. „Ok, ich werde keine Probleme machen.“ Einen Brief übergeben - wenn das alles war? Nicht ganz, denn ihm war klar, dass Yuemnue danach erst einmal seine Loyalität infrage stellen würde. Aber seine Argumente hatte er sich ja bereits zurechtgelegt.

Am sechsten Tag nach seiner Misshandlung hatten die Schmerzen endlich nachgelassen und auch die Wunden sahen bereits nicht mehr so schlimm aus. Doch waren sie noch mehr als deutlich zu erkennen und somit Zeugen der Folter, die er als Beweis präsentieren konnte. Er schien also aus dem ganzen Schlamassel noch einigermaßen heil herauszukommen.

Die Jungs kamen noch ein Stück mit, aber Rayan schärfte ihnen ein, in Deckung zu bleiben und die Pferde bereitzuhalten.

Dann zog er Yusuf mit sich mit in Richtung Oase.

Da es noch dunkel war, fiel es beiden nicht schwer, sich an den dösenden Wachen vorbeizuschmuggeln.

Aufgrund seiner Erkundungen am Vortag fand Rayan problemlos zum Zelt von Scheich Yuemnue. Noch ein Stück davon entfernt, befahl er Yusuf anzuhalten. Er drehte sich zu ihm um. „Also wir machen jetzt Folgendes …" Und ohne ein weiteres Wort, packte er Yusuf blitzschnell an einer bestimmten Stelle an der Halsschlagader, die diesen völlig lautlos in sich zusammensacken ließ.

Die letzten Schritte würde er Yusuf tragen.

Jetzt kam der eigentlich kritische Punkt: dass die Wachen am Zelt von Yuemnue nichts merkten, zumindest noch nicht.

Aber er hatte Glück. Die Zelte waren nun schon so lange in der Oase stationiert, dass die Wachsamkeit bereits erheblich nachgelassen hatte. Sie waren eine Armee von 2600 Mann, was sollte da schon passieren? So kam Rayan unbemerkt bis zum Brunnen, direkt gegenüber dem Zelt des Scheichs.

Mit wenigen Griffen band er den noch immer bewusstlosen Yusuf an den Brunnenaufbauten fest, sodass er beim Verlassen des Zeltes sofort ins Auge sprang. Mit ausgebreiteten Armen, ein wenig wie ans Kreuz genagelt.

Er zog den falschen Brief, der zur Beruhigung Yusufs gedacht war, aus dessen Tasche und platzierte die eigentliche Nachricht gut sichtbar an seinem Gewand.

Ohne jegliche Regung schnitt er dann Yusufs Kehle durch. Er achtete darauf, dass der Schnitt breit genug war, dass sich das Blut möglichst weit über Yusufs Leichnam ergoss. Ihm war wichtig, dass die Nachricht auch deutlich ankam: Zarifa war weder schwach, noch würde es sich Verrat bieten lassen! Wehe allen Feinden!

Natürlich hatte er nie die Absicht gehabt, dem Verräter eine Chance zu lassen, noch irgendwem etwas zu verraten. Er hatte bereits genug Schaden angerichtet und schließlich sollten die Verteidigungsmaßnahmen eine große Überraschung bleiben.

Die Geschichte hatte er erfunden, um Yusuf zum freiwilligen Mitkommen zu bewegen. Das war einfacher, als ihn den ganzen Weg zu tragen. Für einen guten Effekt war es wichtig, dass er noch möglichst lange lebte, damit das Blut frisch war.

Er fügte Yusuf noch einige weitere Schnitte zu und ritzte ihm das Wort Verräter in die Stirn. „So nun kannst du lange ausruhen, ich habe dir ja versprochen, dass ich dich hierlasse.“

Yusuf hatte erfreulicherweise nichts genauer hinterfragt, sodass er ihn keineswegs hatte anlügen müssen.

Rayan hoffte nun, dass er auch noch dazu käme, den zweiten Teil seiner Nachricht ungestört zu überbringen. Außerdem war die volle Wirkung seines Planes davon abhängig, dass man Yusuf erst fand, wenn es hell wurde, erst dann wirkte das grausig inszenierte Bild so richtig.

Mit schnellen Schritten, aber weiterhin auf äußerste Stille bedacht, schlich er zu den Zelten der Banu Shams am Rande der Oase. Er benötigte etwa 15 Minuten, bis er dort war und jeden Moment fürchtete er, einen Schrei aus Richtung des Brunnens zu hören. Doch bisher ging sein Plan auf.

Als er die Zelte erreicht hatte, atmete er erst einmal kurz durch. Selbst wenn sie den Leichnam jetzt fänden, würden sie zwar das Lager nach Eindringlingen durchsuchen, diese aber kaum zwischen den Zelten der Banu Shams vermuten.

Ungehindert schlich er weiter bis zum Zelt des Anführers. Dieser Stamm war für seine Arroganz bekannt. Er hatte schon in der Vergangenheit mit ihnen zu tun gehabt und wusste, dass sie für genug Gold ihre eigene Mutter verkaufen würden. Bei der passenden Bezahlung kämpften sie gnadenlos und ohne jegliches Mitleid. Frauen, Kinder und Alte fielen ihnen genauso zum Opfer wie Krieger. Deshalb waren sie gefürchtet und man hielt sich von ihnen fern. Sie hatten es nicht nötig Wachen aufzustellen, was die Basis für Rayans zweiten Streich war.

Lautlos drang er in das Zelt des Anführers ein. Er verharrte im Inneren einen Moment, um sich zu orientieren, doch wie er es erwartet hatte, lag der Anführer alleine auf seinem Lager.

Wie ein Phantom glitt er auf den Mann zu und platzierte einen weiteren Brief auf dessen Brust. In breiten Lettern stand darauf: „Wie viel Gold ist DEIN Leben wert? Greifst du Zarifa an, wirst du einen hohen Preis bezahlen!“

Dann kam der wirklich kritische Part: Er fügte sich selbst einen kleinen Schnitt am Finger zu und hinterließ ein deutliches Zeichen, in Blut geschrieben auf seinem Hals: einen Strich, als hätte er ihm die Kehle durchgeschnitten. Glücklicherweise wachte der Krieger nicht auf. Einen Moment lang überlegte er, warum er ihm nicht einfach tatsächlich den Hals aufschnitt, doch dann wären die anderen nur aufgebracht und hätten einen Grund für eine Fehde. Rayan dagegen ging es darum, Angst zu verbreiten. Den Stammesfürsten in seiner Arroganz zu treffen und ihm vor Augen zu führen, dass er keineswegs so unverwundbar war, wie er sich augenscheinlich fühlte.

Genauso lautlos, wie er gekommen war, glitt Rayan aus dem Zelt und machte sich in einem weiten Bogen auf den Weg zurück zu den Jungen und den Pferden.

Er konnte sehen, dass der morgens vor Sonnenaufgang einsetzende Wind seine Spuren, die er mit Yusuf zusammen auf dem Weg hinunter hinterlassen hatte, schon zu verwischen begann. In wenigen Minuten würde auch seine neue Spur verschwunden sein.

Als er aus nördlicher Richtung bei den Pferden ankam, begann es bereits zu dämmern. Wie in der Wüste üblich, kam der Sonnenaufgang abrupt, ein leichtes Flackern, mit prachtvollen Farben in Orange, Rot und Rosa und dann wurde es schnell hell. Nun mussten sie schleunigst verschwinden.

Mit Erschrecken stellte er fest, dass die beiden Jugendlichen nicht da waren, wo sie sein sollten. Die Pferde waren gesattelt und fertig, so wie er es ihnen gesagt hatte, aber wo waren sie hin?

Er schlich vorsichtig in westlicher Richtung wieder zurück auf die Oase zu.

Auf der Hügelkuppe stand eine der Wachen und hatte seine Pistole auf die beiden Jungen gerichtet.

Offenbar hielt er sie nicht für eine Bedrohung, sie schienen ihm zu jung. Trotzdem wollte er natürlich wissen, was sie hier zu suchen hatten. Halef, der Vorlautere der beiden, trat einen Schritt nach vorne: „Wir wollten nur Wasser aus der Oase holen, ehrlich! Allerdings haben wir uns nicht getraut, bei so vielen Kriegern … was ist denn hier los?“

Er babbelte noch ein wenig so weiter und lenkte damit den Mann ab. Dies gab Rayan die Gelegenheit sich in seinen Rücken zu schleichen. Dann schnellte er nach vorne, packte den Mann an den Haaren, riss seinen Kopf in den Nacken und schnitt ihm mit einer ruckartigen Bewegung die Kehle durch. Dann ließ er ihn los. Der Mann griff sich an den Hals, gab noch ein gurgelndes Geräusch von sich und sank dann tot in sich zusammen.

Die beiden Jungs hatten mit großen Augen zugesehen. „Krass“, sagte Halef. „Cool!“ der andere, dessen Name Tarek war. Rayan musste gegen seinen Willen grinsen und schüttelte den Kopf. Die heutige Jugend sollte einer verstehen!

„Jetzt aber schnell weg.“ Statt auf direktem Weg Richtung Zarifa zurückzukehren, ritten sie in nördlicher Richtung davon, denn in östlicher Richtung würde man sie bestimmt suchen.

Aber auch hier kam ihnen das Timing zugute: der Morgenwind verwischte ihre Spuren schnell, sodass eine Verfolgung unmöglich wurde.

Rayan wäre gerne noch geblieben, um zu sehen, ob seine Nachricht die Aufmerksamkeit erregte, die er sich erhoffte, doch er wollte sein Glück nicht strapazieren und vor allem auch das Leben seiner beiden Begleiter nicht gefährden.

Der Weg nach Zarifa war noch weit genug, gerade aufgrund des Umweges, den sie ritten und so wie er die Situation in der Oase einschätzte, würde die Armee spätestens in ein bis zwei Tagen zum Aufbruch bereit sein.

Er hoffte, dass die Vorbereitungen der Verteidigungsmaßnahmen in Zarifa so vorankamen, wie er sich das ausgemalt hatte, denn langsam begann ihnen die Zeit davon zu laufen.

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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