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2001 - Oase von Zarifa - Glück im Unglück

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Am zweiten Morgen griffen die Truppen von Scheich Yuemnue und Fürst Harun Said gemeinsam an.

Die Männer hatten aus dem Gemetzel am Vortag gelernt und hielten sich vom Minenfeld fern, indem sie nicht in breiter Front, sondern nur in der Gasse in der Mitte angriffen.

Die Truppen von Harun Said griffen von beiden Flanken an.

Das hatten Rayan und seine Männer vorhergesehen und so feuerten sie nun aus ihren Verstecken hinter den Palmenstämmen und oben aus den Felsen auf die heraneilenden Reiter. Doch dafür mussten sie die Reiter nahe genug herankommen lassen und so gab es auch in ihren Reihen erste Opfer.

Auf einmal rief Ruhi von oben zu Rayan hinunter: „Linke Flanke!“ Und tatsächlich, da war ein Trupp von circa 12-15 Mann auf den Felsen gelangt. Sie hatten eine provisorische Leiter gebastelt und waren damit etwa sieben Meter hoch geklettert und so auf ein kleines Felsplateau gelangt. Von dort wurden sie nun den Männern Zarifas gefährlich, weil sie von halb schräg oben auf sie schießen konnten, während diese sich den immer noch nähernden Reitern von vorne widmeten, um mit aller Gewalt zu verhindern, dass sie durchbrachen. Sie wurden in die Zange genommen. Ein cleverer Plan!

„Cho, Hummer – gebt mir Feuerschutz!“, rief Rayan und schon eilte er davon.

Er brauchte einige lange Minuten, bis er nach hinten auf den Felsen über dem kleinen Plateau gelangte. Die Angreifer bemerkten ihn nicht. Er orientierte sich kurz und sah, dass es sich um 10 Krieger und drei Jungen handelte. Die Jungen konnten nicht älter als zehn oder zwölf Jahre alt sein. Verdammt – er hasste es, wenn Kinder im Spiel waren, das machte alles komplizierter.

Er zückte sein Schwert. Es war eine edle und unbezahlbare Waffe, die ein Schwertmeister in Japan für ihn angefertigt hatte. Leicht und doch war der Stahl so oft gefaltet worden, dass die Klinge sogar standhielt, wenn sie auf Stein treffen sollte. Beide Seiten waren so scharf, dass sie selbst lose fallenden Stoff durchtrennten.

Er atmete tief durch, um sich zu sammeln und sprang dann mitten unter die Männer. Die ersten drei hatte er enthauptet, bevor die anderen überhaupt bemerkt hatten, was passierte. Wie eine Maschine hieb und stach er auf die nun auf ihn zukommenden Männer ein.

Einmal legte ein Mann mit Revolver von hinten auf ihn an, doch auch Cho und Hummer erledigten ihre Aufgabe und hielten ihm den Rücken frei. So brachen zwei weitere Männer von ihren Kugeln getroffen zusammen.

Rayan schaltete jedes Denken aus, das Schwert hatte den Vorteil, dass es eigentlich egal war, wo er den Körper des Gegners traf, hieb es doch mit einer Leichtigkeit Arme und sonstige Gliedmaßen ab, als wären sie aus Butter.

Nur die drei Jungen versuchte er zu schützen und so stieß er mit dem Ellenbogen den einen rücklings vom Felsen, wo er in den Sand fiel, einem Zweiten schlug er den Schwertgriff an den Kopf, sodass er zu Boden ging.

Der Dritte gab schließlich auf, als von den Angreifern keiner mehr übrig geblieben war. Zittern stand er mit erhobenen Händen vor Rayan und sah ihn mit panischem Blick an. Und trotzdem kam kein Laut über seine Lippen. Auch er war ein stolzer Araber, der trotz seiner jungen Jahre nicht um sein Leben bitten würde. Rayan kam sich vor, als entstieg er einer Trance und kehrte ins Leben zurück. Um ihn herum lagen die Überreste seiner Gegner und er selbst bot einen grausigen Anblick, denn er war über und über mit dem Blut der Männer, die er getötet hatte, bespritzt.

Er hatte zwar seinen schwarzen Kampfanzug an, doch das frische Blut schien überall zu kleben.

„Nimm deinen Freund und schaut, dass ihr verschwindet!“, schnauzte er den Knaben an. Der ließ sich das nicht zweimal sagen, half seinem Freund auf die Beine und dann fielen sie die Leiter mehr herunter, als dass sie kletterten.

Rayan wollte sie gerade nach oben ziehen, um weitere Gegner nicht zur gleichen Kletteraktion zu ermutigen, da hörte er von unten ein Stöhnen und das aufgeregte Getuschel der Kinder.

Er überlegte, ob es eine Falle sein konnte und er es einfach ignorieren sollte, dann siegte seine Neugier und er stieg die Leiter hinunter.

Unten sah er sofort, was passiert war: Der Junge, den er vom Plateau geworfen hatte, war mehr als unglücklich gelandet. Es war ihm nicht gelungen sich umzudrehen und so war er auf den Rücken sieben Meter nach unten gefallen. Offenbar auf sein linkes Bein, aus dem durch einen unschönen offenen Bruch der Unterschenkelknochen heraustrat.

Das größere Problem war jedoch der hölzerne Pfahl, der aus seiner Seite ragte. Offensichtlich Überreste vom Bau der Leiter, die im Sand stecken geblieben waren. Die beiden anderen Jungen beugten sich über ihn und überlegten gerade, ob sie das Holz herausziehen sollten.

„Nicht!“, rief Rayan. „Er würde so schnell verbluten, dass ihr ihn noch nicht einmal mehr zu einem Arzt bekommt - lasst mich mal sehen.“ Die beiden Jungen zuckten zurück – was sollten sie von dem Fremden halten, der aufgrund seiner Kleidung und seiner Waffen offenbar kein Araber zu sein schien.

„Warum sollten Sie uns helfen wollen, Sie haben gerade alle unsere Freunde getötet“, brachte der eine hervor.

„Wenn ich Euch hätte töten wollen, hätte ich das da oben auf dem Plateau machen können. Ich töte keine Kinder. So und nun lasst mich sehen, ich kenne mich mit Verletzungen aus.“

Die beiden Jungen wichen zögernd von der Seite ihres Freundes, was sollten sie auch sonst tun?

„Klar kennt der sich mit Verletzungen aus – damit er besser weiß, wie er seine Feinde töten kann“, flüsterte der eine seinem Kameraden halblaut zu.

Rayan musste kurz lächeln, da hatte der Knabe nicht einmal so Unrecht.

„Euer Freund hat Glück gehabt, es wurden keine inneren Organe verletzt. Trotzdem muss das herausoperiert werden, sonst verblutet er oder stirbt an einer Infektion durch die Holzsplitter. Ich schlage vor, ihr bringt ihn zu eurem Arzt und lasst ihn schnell versorgen.“ Dann fuhr er zu dem einen der Jungen herum: „Und wenn du, mein junger Freund, nicht augenblicklich den Stein wieder fallen lässt, dann hast du so schnell mein Messer in deinem Hals, noch bevor du auch nur den Arm heben kannst.“

Aus dem Augenwinkel hatte er gesehen, dass sich der Kleinere der beiden, den er mit dem Schwertgriff niedergeschlagen hatte, unauffällig (so glaubte er) bückte, um einen Stein aufzuheben. Ertappt bekam er rote Wangen und lies den Stein fallen, ohne ein Wort zu sagen.

„Also los jetzt, euer Freund hat nicht viel Zeit zu verlieren.“

„Wir haben gar keinen Arzt. Zumindest keinen richtigen, der operieren kann oder so“, meinte der Größere der beiden. Und der Kleine ergänzte. „Ja der kann Pferdesalbe aufschmieren und mit der Zange Zähne ziehen …“

Rayan seufzte. Was sollte er nun machen? Was gingen ihn die Kinder seines Feindes eigentlich an?

„Also gut, dann nehme ich ihn mit. Wir haben einen ausgezeichneten Arzt.“

„Einen der richtig operieren kann? Der machen kann, dass er überlebt?“, fragte einer der Knaben mit offenem Mund.

„Ja mit Narkose und Skalpell und so – einen richtigen Chirurgen, wenn euch das was sagt …“ er dachte nicht, dass es so war, doch schienen die Kinder beeindruckt.

„Aber warte mal, und wenn er ihn dann doch umbringt?“, sagte der Größere. „Aber du hast ihn doch gehört, dann hätte er uns doch schon alle töten können. Hast du nicht gesehen, wie er sein Schwert geschwungen hat?“, antwortete etwas keck der Kleine.

Rayan nahm den bewusstlosen Jungen vorsichtig in die Arme, dann fiel ihm noch etwas ein. „Wie heißt er eigentlich?“ „Das ist Sarif. Sarif ibn Said.“ Rayan stutzte: „Er ist verwandt mit Fürst Said?“

Wieder zögerten die Jungen, dann gab der Kleinere zu. „Ja, er ist sein kleiner Bruder.“

Rayan konnte sein Glück kaum fassen - das konnte nützlich sein.

„Also, ich werde jetzt gehen. Ich kann euch nicht versprechen, dass unser Arzt ihn retten kann, aber ich verspreche, dass wir alles versuchen werden. Ok? Und ihr schaut, dass ihr zu euren Leuten kommt, bevor euch jemand trifft, der nicht so kinderfreundlich ist wie ich …“

„Mister?“ ganz kleinlaut zupfte der Kleine an seinem Ärmel. „Sarif ist mein Freund! Darf ich bei ihm bleiben?“ Er hatte Angst, das war ihm anzusehen, aber sein Mund war trotzig verzogen.

Rayan war versucht, den Jungen abzuschütteln, aber dann dachte er an die Zeit, als er selbst in diesem Alter gewesen war, die Zeit, die er mit seinem Freund Ibrahim verbracht hatte. „Nun gut, aber nur du. Denn einer muss schließlich zurück und eurem Stamm Bescheid sagen.“ Er sah den dritten Jungen an. „Schaffst du das alleine?“ „Klar“, antwortete dieser, drehte sich um und rannte davon.

„Wie ist dein Name?“ Der Kleine war schon halb die Leiter oben, als er antwortete. „Ich bin Resul.“

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4)

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