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Anfang März 2016 - Ortsausgang von Alessia: Ausgrabungsstätte - Die Einladung

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Wie üblich, saßen der Professor, Laura und Megan am Tag nach Tahsins und Zachs Besuch auf der Ausgrabungsstätte gemeinsam beim Frühstück an einem Tisch, während die etwa zehn einheimischen Helfer ihre Mahlzeiten separat einnahmen.

Horst, der österreichische Fotograf des Projekts, dem es oblag, nicht nur die Ausgrabungen selber, sondern vor allem die gefundenen Stücke genau zu katalogisieren, kam wie üblich ein wenig später an den Tisch.

Während die Araber aufgeregt miteinander tuschelten und vor allem den Besuch des Vortags zum x-ten Mal in allen Einzelheiten durchdiskutierten, war es am englischen Tisch auffallend still.

„Hey Leute, was ist denn mit euch heute los?“, fragte Horst erstaunt. Er hatte am Vortag seinen freien Tag gehabt, den er zu Erkundungen in der Stadt Alessia genutzt hatte. Als gegen Abend das ohnehin schon rege Treiben seinen Höhepunkt erreicht hatte, war er so eingenommen von all den Eindrücken, dass er erst spät in der Nacht ins Camp zurückgekehrt war, als alle bereits geschlafen hatten. Somit war er über die aktuellen Ereignisse noch nicht auf dem Laufenden.

Er sah von einem zum anderen: Megan schien ihn kaum wahrzunehmen, was mehr als ungewöhnlich war. Nachdem er der einzige Nicht-Araber im weiten Umkreis außer ihrem Vater war und noch dazu mit seinen sanften braunen Augen und den Grübchen einigermaßen passabel aussah, nahm sie für gewöhnlich jede Gelegenheit wahr, ihre Fähigkeiten zu flirten an ihm auszuprobieren. Beide wussten, dass es lediglich ein Spiel war, doch machte Horst den Spaß gerne mit. Jetzt jedoch blickte sie geistesabwesend vor sich auf ihren Teller und stocherte in ihrem Essen. Der Fotograf konnte ja nicht ahnen, dass sie bereits seit gestern fast ununterbrochen in Tagträumen über „ihren“ Scheich-Sohn versunken war.

Der Professor dagegen machte ein säuerliches Gesicht. Dass seine Tochter ihren Schwärmereien für diesen „Burschen“ nachhing, trug nicht dazu bei, dass sich seine Laune besserte.

Lauras Gesicht verriet, dass sie offenbar ehrlich wütend war. „Oh backe, kaum ist man ein paar Stunden nicht da, gehen sich die beiden gegenseitig an den Hals“, dachte der Österreicher. Ungeduldig sah er von einem zu anderen in Erwartung einer Antwort auf seine Frage, was denn los sei.

„Nichts!“, antwortete die Wissenschaftlerin. Nur um höhnisch fortzufahren: „Außer, dass unser ‚Chef‘“, sie betonte das Wort so ironisch, dass sich Alans Miene weiter verdunkelte, „gestern mit seinen abschätzigen Bemerkungen über die einheimische Bevölkerung den Vogel endgültig abgeschossen hat! Diesmal hat er nämlich den Sohn des Scheichs beleidigt, der die Befugnis hat, über den Fortgang der Ausgrabungen zu entscheiden.“

„Ach hören Sie doch auf!“, keifte der Professor. „Woher hätte ich denn wissen sollen, dass die uns so einen grünen Bengel schicken, hä?“ Vor lauter Ärger verfiel er in seinen Heimatdialekt, der ihn eindeutig der Region um Manchester zuordnete.

„Wie wäre es, wenn Sie die Lästereien ganz lassen? War doch nur eine Frage der Zeit, wann es den Falschen traf …“, konterte Laura.

Verwirrt sah Horst sie an, er war sich noch immer nicht sicher, was vorgefallen war. Natürlich wusste er von dem „hohen Besuch“ gestern. Aber wieso sollte der Professor einen so wichtigen Mann absichtlich beleidigen?

„Leute! Könnte mir mal einer von Anfang an erzählen, was los war? Schließlich geht’s hier auch um meinen Job …“

Das Stichwort „erzählen“ nahm Megan nur zu gerne auf, sie begann, die Geschichte des Vortags in begeisterten Worten zu skizzieren.

Schon nach ihrem zweiten Satz sprang ihr Vater wütend auf. Er hatte keine Lust, sich die ganze furchtbare Geschichte des Vortags noch einmal anzuhören. Und das auch noch aus der verliebten Brille seiner Teenager-Tochter, deren Hormone offenbar Kapriolen schlugen. Er stampfte hinüber in das Zelt mit seinem Schreibtisch, um sich wieder seiner Arbeit zu widmen.

Laura hörte noch einige Minuten lang zu. Im Gegensatz zu dem Professor lächelte sie nachsichtig. Sie hatte ja selbst gleich zu Anfang Tahsin als „attraktiv“ eingestuft, von daher konnte sie Megans Begeisterung durchaus nachvollziehen. Dann machte sie sich auch wieder an die Arbeit. Es half niemandem weiter, jetzt hier untätig herumzusitzen und Trübsal zu blasen.

„Wow!“, platzte Horst heraus, als Megan die Erzählung beendet hatte. „Was für eine Show! Und ich habe alles verpasst. Verflixt, das hätte ich zu gerne gesehen.“

In diesem Moment deutete einer der Arbeiter auf einen Punkt am Horizont und sagte etwas auf Arabisch, was die anderen Männer veranlasste, ebenfalls aufzustehen.

„Wir bekommen Besuch“, rief einer auf Englisch.

Schnell stand Horst auf und ging zum Professor hinüber. Megan ließ es sich nicht nehmen, sich ebenfalls dazuzugesellen. Es war offensichtlich, dass sie auf ein Wiedersehen mit Tahsin hoffte. Doch nur allzu schnell wurde klar, dass es nur ein einzelner Wagen war, der sich dem Camp näherte. Der Fahrer hielt den Geländewagen an fast der gleichen Stelle an, an der die Land Rover auch gestern gestanden hatten und kam auf sie zu. Just in dem Moment, als er am Zelt angekommen war, stieß Laura zu ihnen.

„Ich habe eine Nachricht für Sie von meinem ehrenwerten Herrn Scheich Tahsin Ibn Rayan Suekran al Medina y Nayran“, verkündete er steif.

Alleine die Erwähnung des langen Namens zeigte Wirkung: Bei Megan zauberte es ein stolzes Grinsen aufs Gesicht. Laura hielt den Atem an und der Professor verzog die Miene, als hätte er Zahnschmerzen.

Als keiner etwas sagte, verneigte sich der Bedienstete leicht und überreichte dem Professor einen Brief. Der verschwendete keinen Blick auf das teure Briefpapier, sondern riss es ungeduldig auf.

„Was schreibt er?“, fragte Horst atemlos. Auch Laura war näher gekommen, um mitzulesen.

„Es ist eine Einladung. Wir sollen zu ihm nach Alessia kommen. Heute Nachmittag. Dort will er uns mitteilen, wie seine Entscheidung lautet …“, fasste Alan zusammen und rümpfte die Nase.

„Was soll der Zirkus?“, nörgelte er.

Megan dagegen stieß einen kleinen Freudenschrei aus: „Wie cool! Ich fahre auf jeden Fall mit!!“

„Das wirst du nicht. Wäre ja noch schöner. Ich habe schon bemerkt, wie er dich angeschaut hat. Kommt ja überhaupt nicht in die Tüte …“

Megan wollte gerade zu einer Schimpftirade ansetzen, als sich auf einmal der Diener einmischte. Da er sich mit ausdrucksloser Miene ruhig im Hintergrund gehalten hatte, hatten die Engländer ihn komplett vergessen.

„Wenn ich zu diesem Thema etwas beitragen darf: Die Einladung gilt sogar explizit auch für Miss Megan. Ohne sie findet der Termin nicht statt“, informierte er.


Rayan - Im Licht der Rache

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