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Anfang Mai 2016 - Alessia: Flughafen - Ein überraschender Empfang
ОглавлениеAlex fluchte leise, während er dem Mann, dem er kurzerhand den Spitznamen „Student“ verpasst hatte, in den Nebenraum des Flughafens folgte. Vermutlich wollten die jetzt eine Art Zollkontrolle bei ihm durchführen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Aber auf keinen Fall wollte er eine Szene verursachen und so betrat er hinter dem schlanken Araber mit einem mulmigen Gefühl nach schwanendem Unheil den angrenzenden Raum.
Der Deutsche war noch keine zwei Meter in das Zimmer hineingekommen, weiteten sich seine Augen und er blieb erst einmal wie angewurzelt stehen. Denn dort standen fünf Militärs in Uniform. Alleine diese Tatsache war beeindruckend genug, aber dass vier davon moderne Gewehre in den Händen hielten, brachte Alex‘ Herz dazu, schneller zu schlagen. Wieder schluckte er. Was zum Teufel war hier los? Wollte man ihn verhaften?
„Sind Sie Mister Alexander Hartmann?“, fragte ihn in diesem Moment der „Student“ mit leiser Stimme. Er sprach erneut Englisch. Doch musste er geduldig seine Frage wiederholen, weil Alex immer noch all seine Aufmerksamkeit auf die Männer in Uniform gerichtet hatte.
Erstaunt, vor allem aber misstrauisch, beäugte der Deutsche daraufhin den Anderen von oben bis unten. Dessen Gewand war schlicht, aber schneeweiß. An den Füßen trug er lederne Sandalen. Das schwarze Haar war kurz geschnitten. Höflich lächelnd ließ der Araber die Musterung über sich ergehen und nur das Funkeln in seinen Augen verriet eine gewisse Aufregung oder Neugierde. Abwartend drängte er ihn nicht weiter, seine Frage zu beantworten. Alex Blick wandte sich wieder den Uniformierten zu. Was, wenn er seine Identität leugnen würde? Doch das war Blödsinn. Er hatte nichts verbrochen. Es mochte wohl eine Minute später sein, als Alex bemerkte, dass der schlanke Mann in Zivil noch immer geduldig auf ihn wartete. „Ja. Ja ich bin Alex. Und wer sind Sie?“, antwortete er auf Deutsch.
„Es tut mir sehr leid, aber ich spreche ihre Sprache nicht“, war die Antwort auf Englisch und zu Alex Erstaunen wurde der Mann dabei rot, als wären seine mangelnden Deutschkenntnisse eine Art Versagen seinerseits.
Carinas Bruder fluchte innerlich, denn jetzt wäre er froh, nur ein wenig besseres Englisch zu sprechen. Mit seinen Fremdsprachen war es nicht sehr weit her. Schon immer war es seine Schwester gewesen, die sich für Sprachen begeistert hatte. Er dagegen hatte seinen Lehrer damals immer wieder herausfordernd gefragt, wofür er Englisch lernen solle. Das war ihm viel zu anstrengend erschienen und er hatte sich auf das Nötigste beschränkt, um seinen Abschluss zu schaffen. Seitdem hatte er kaum noch ein Wort in dieser - oder irgendeiner anderen - Sprache benötigt. Immerhin hatte er die Worte des Mannes verstanden.
„Yes, I am Alex“, brachte er zustande, was dazu führte, dass sich das Gesicht seines Gegenübers erfreut erhellte.
„Welcome to Alessia. My name is Mehmet”, sagte er freundlich. Mit einem stolzen Unterton fügte er weiter auf Englisch hinzu: „Ich kenne Ihre werte Schwester.“
Alex entspannte sich ein wenig. Wenn der Mann so respektvoll von Carina sprach, war das ein gutes Zeichen. Aber in diesem Moment verlor der fünfte Mann im Raum - einer der Uniformierten - offenbar die Geduld und schob Mehmet energisch zur Seite.
Der Deutsche erschrak. Auch ohne dass Alex die Rangabzeichen auf den Schultern des Mannes deuten konnte, verrieten ihm alleine die goldenen Sterne, dass er wohl einiges zu sagen haben musste. Direkt vor dem Deutschen baute er sich auf und Alex widerstand nur mit Mühe dem Reflex in Deckung zu gehen. Immerhin trug dieser kein Gewehr, aber seine massige Gestalt und auch die schwere Pistole am Gürtel reichte aus, Alex eine Gänsehaut zu bescheren.
In diesem Moment salutierte der Mann und sagte etwas auf Arabisch, wovon Alex natürlich kein Wort verstand. Seine Stimme war tief und sein Tonfall sagte dem Deutschen, dass sein Gegenüber es gewohnt war, Befehle zu erteilen.
Leise hörte er die Stimme von Mehmet: „Es ist mir eine Ehre, den Schwager seiner Exzellenz Scheich Suekran al Medina y Nayran in Alessia begrüßen zu dürfen. Ich bin General Hussein Ouasad. Bitte erlauben Sie mir und meinen Männern, Sie zur Residenz des edlen Anführers der Tarmanen zu begleiten.“
Das erklärte die Anwesenheit von Mehmet! Offenbar war er eine Art Dolmetscher. Aber hatte Alex gerade richtig verstanden, was man ihm auf Englisch erklärt hatte?
Überrascht stammelte er: „Das heißt, ich bin NICHT verhaftet?“
Mehmet bekam erneut ein rotes Gesicht, offenbar wusste er nicht, ob er diese Bemerkung übersetzen sollte. Doch ein scharfer Blick des Generals ließ ihn schnell die Worte auf Arabisch wiederholen.
Der Uniformierte lachte amüsiert. „Aber nein! Seine Exzellenz hat uns gebeten, uns um Sie zu kümmern, nachdem er selbst gerade nicht in der Stadt weilt.“
Alex Gedanken überschlugen sich. Rayan? Aber woher konnte der wissen, dass er hier war? Und wenn ER diesen Aufmarsch organisiert hatte, schien er im Vorfeld auch über seinen genauen Flugplan bereits informiert gewesen zu sein. Wie sonst ließ sich dieses Empfangskomitee erklären? Aber noch wichtiger: Wieso war er in der Lage, eine militärische Abordnung zu entsenden? Unwillkürlich überlief es Carinas Bruder kalt. Auf was hatte er sich hier eingelassen? Das hatte mit seinem ursprünglichen Plan nicht mehr viel zu tun! Jemand hatte ihm alle Entscheidungen aus den Händen genommen. Aber Alex war nicht dumm und so tat er das Einzige, was ihm in dieser Situation übrig blieb: Am besten so tun, als wäre dies alles die normalste Sache der Welt!
„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Vielen Dank!“, sagte er so würdevoll, wie es ihm möglich war. Oder zumindest hoffte er, das gesagt zu haben, denn er war sich seiner englischen Vokabeln nicht sehr sicher. Aber ohne mit der Wimper zu zucken, übersetzte Mehmet und nachdem der General daraufhin lächelte und ihm mit einer einladenden Geste den Weg freigab, schien die richtige Nachricht angekommen zu sein. Ein kurzer Befehl brachte einen der anderen Uniformierten dazu, sich sein Gewehr über den Rücken zu hängen und stattdessen Alex‘ Tasche zu übernehmen. Eigentlich war es ihm überhaupt nicht recht, die alte Sporttasche mit seinen wenigen Habseligkeiten aus der Hand zu geben, denn es erschien ihm, als gebe er auch noch den Rest seines normalen Lebens auf. Aber der Deutsche wagte nicht, dem General zu widersprechen und machte gute Miene zum bösen Spiel, indem er seinen Helfer anlächelte.
Erst jetzt fand Alex Gelegenheit, den Raum zu mustern und er kam aufgrund der luxuriösen Ausstattung zu dem Schluss, dass dies keineswegs ein Zimmer für Zolluntersuchungen war. Stattdessen schien es für den Empfang von hochrangigen Gästen ausgestattet zu sein. Das zumindest leitete er aus der Tatsache ab, dass der Teppich, über den er gerade lief, weich, tief und mit Sicherheit sehr teuer war. Zudem sah er wie neu aus, was ein Indiz dafür war, dass der Raum nur selten und nur für besondere Gelegenheiten benutzt wurde. An den Wänden hingen Gemälde von Personen, die meist mit ernstem Blick fast mahnend auf den Betrachter herabsahen. Nachdem sie ausschließlich in traditionelle Gewänder gehüllt waren, vermutete Alex richtig, dass es sich um besondere Persönlichkeiten handelte.
Er hatte keine Zeit mehr, sich noch länger umzusehen, denn der General hatte sich schon in Bewegung gesetzt und er musste sich beeilen, nicht den Anschluss zu verlieren. Mit Mühe folgte er dem flotten Schritt Ouasads, der die Führung des kleinen Trupps übernommen hatte und den Raum durch eine zweite Tür auf der gegenüberliegenden Seite verließ.
Dieser Tatsache und dem Umstand, dass Alex seinen Schwager Rayan bisher nur einmal einige Stunden lang in europäischer Kleidung gesehen hatte, war es geschuldet, dass es dem Deutschen entging, dass dort ebenfalls ein Gemälde des Scheichs hing.