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Anfang März 2016 - Ortsausgang von Alessia: Ausgrabungsstätte - Die Verwandlung

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Die Archäologin Laura Miller war in ihrem Element. Ihr kurzes Zögern angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der die beiden Besucher eine Tour über die Ausgrabungsstätte erwarteten, war schnell vergessen. Sie ging voll und ganz in ihren Erklärungen auf. Eigentlich war die Fläche innerhalb der Absperrung nicht groß, vielleicht fünfhundert Quadratmeter, doch nahm sie sich Zeit, vor allem Tahsin alles im Detail zu erklären. Bei einem derart interessierten Besucher, der konzentriert ihren Erläuterungen lauschte und hier und da den Grad seines Intellekts durch wohlplatzierte Fragen bewies, war sie nur zu gerne mit Eifer bei der Sache.

Lediglich als sich die fünfzehnjährige Tochter des Professors zu ihnen gesellte, waren beide jungen Männer einige Minuten lang abgelenkt. „Kein Wunder!“, schmunzelte Laura. Megan war für ihr Alter recht groß und somit nur wenige Zentimeter kleiner als Zach. Vom Typ her hätte man sie eher in Schweden vermutet, als Mitten in der arabischen Wüste. Ihre helle Haut wirkte im grellen Sonnenlicht fast weiß, ihre Augen waren von einem blassen Blau, das mit dem strahlenden Himmel um die Wette zu eifern schien. Noch war sie aufgrund ihrer Jugend knochig, doch begannen sich bereits die ersten weiblichen Kurven zu zeigen. Sonst hatte sie sich angewöhnt, ein langärmliges Hemd zu tragen, um ihre empfindliche Haut vor der brennenden Sonne zu schützen, doch wie von Zauberhand war dieses - genau wie ihr Schlapphut - nun verschwunden. Stattdessen trug sie ein dunkelblaues Spaghettiträgershirt, das die Träger ihres schwarzen BHs nicht verbergen konnte. Ganz offenbar war auch ihr die attraktive Erscheinung der Besucher nicht entgangen. Keinen der beiden Herren schien diese für die hiesigen Verhältnisse viel zu offenherzige Aufmachung der jungen Britin zu stören - im Gegenteil, es regte natürlich ihre Fantasie an. Megans fahlblondes Haar, das sie in einem frechen Pagenschnitt trug, glänzte in der Sonne.

Nach einer kurzen Vorstellung führte Laura ihren Rundgang fort und Tahsin war sofort wieder ganz bei der Sache. Im Gegensatz zu Zach, der dem Mädchen hin und wieder einen verstohlenen Blick zuwarf. Megan begleitete sie schweigend und hörte der Wissenschaftlerin vielleicht zum ersten Mal aufmerksam zu, was an sich eine Sensation war, denn normalerweise nörgelte sie lautstark über die Hitze und was sie in dieser „Einöde“ eigentlich wollten. Jeden einzelnen der vergangenen Tage hatte sie um diese Zeit auf ihrem Lager im kleineren Schlafzelt der Anlage gelegen, in irgendein romantisches Buch vertieft, mit ihren Kopfhörern in den Ohren, und wünschte sich weit weg. Nun hoffte sie durch die Besucher auf eine willkommene Abwechslung.

Zu Lauras eigener Überraschung dauerte die ganze Tour fast eine Stunde, was am ehrlichen Interesse ihrer Zuhörer lag. Als sie endlich zum Hauptzelt zurückkamen, sah Alan Woodson-Drake von seinem Schreibtisch auf. Bevor die Wissenschaftlerin es verhindern konnte, kommentierte er ungehalten: „Was machen die immer noch hier? Laura, ich hab Ihnen doch gesagt, wir können keinen von denen hier brauchen!“

Er stand auf und wollte seinen Unmut den Besuchern diesmal persönlich zum Ausdruck bringen, als er Tahsins Blick auffing. Unsicher hielt er inne. Laura sah erstaunt von einem zum anderen. Der gerade noch höflich mit Megan Flirtende war wie ausgewechselt. Mit erhobenem Haupt fixierte Tahsin stolz den Professor. Fast ein wenig arrogant strahlte er dabei so viel Autorität aus, dass es kein Wunder war, dass der Engländer überrascht seinen Plan, den „Bengeln“ die Leviten zu lesen, aufgab.

Der Bann wurde gebrochen durch Megan, die ihrem Vater entrüstet seine Unhöflichkeit vorwarf. „Schon gut“, murmelte Alan daraufhin und setzte sich immerhin wieder auf seinen Stuhl. Trotzdem musterte er weiterhin Tahsin, der davon unbeeindruckt Megan wieder dieses erotische Lächeln zukommen ließ, weil sie sich für ihn eingesetzt hatte. Nicht, dass er diese Hilfe benötigt hätte, aber er fand doch, dass es eine nette Geste war.

Leger fischte er sein Handy aus seiner Hosentasche, wählte eine Nummer und sagte knapp auf Arabisch: „Ihr könnt uns jetzt abholen!“ Dann legte er auf und steckte das Gerät wieder weg. Außer Zach verstand nur Laura die Worte, doch war jedem der Anwesenden aus dem Tonfall heraus klar, dass dies keine höfliche Bitte, sondern ein Befehl gewesen war.

Bereits wenige Minuten später fuhren zwei große Land Rover Defender vor der Abgrenzung der Ausgrabungen vor. Mehrere Männer sprangen heraus. Alleine anhand ihrer Kleidung war erkennbar, dass es sich um zwei Kategorien von Personen handelte: Die in Schwarz Gekleideten trugen Waffen und ihre aufmerksame Haltung und das misstrauische Mustern der Umgebung wiesen sie als Sicherheitskräfte aus. Ihre Bewegungen waren aufeinander abgestimmt . Zudem hielten sie ihre Waffen mit genau der richtigen Mischung aus Lockerheit und Ernst, die sie als Profis markierte.

Drei weitere Männer folgten, die jeweils schlichte, weiße Gewänder trugen, ganz ähnlich denen, wie sie auch Tahsin und Zach anhatten. Ihr anmutiges, aber eher zurückhaltendes Verhalten ließ darauf schließen, dass diese Männer Bedienstete waren.

„Verdammt, der Scheich ist angekommen! Der Kerl ist viel zu früh“, fuhr es Alan durch den Kopf. Er reckte den Hals, um zu sehen, wer sich noch in dem Wagen befand, doch er konnte niemanden erkennen. Vor lauter Überraschung vergaß er komplett, sich über den Staub zu beklagen, der dank der nahe herangefahrenen Wagen nun in der Luft hing. Immerhin hatte der Professor noch genügend Geistesgegenwart, das Artefakt, an dem er den ganzen Morgen gearbeitet hatte, in das Tuch einzuschlagen, das er sorgfältig darunter ausgebreitet hatte, um es zu schützen.

Ohne die englischen Wissenschaftler weiter zu beachten, ging Tahsin auf die Gruppe bei den Fahrzeugen zu. Zach folgte ihm dichtauf. Mit offenem Mund verfolgten Laura und Megan, wie sich drei Diener erst ehrfürchtig vor ihrem neuen Bekannten verneigten, dann brachte der Erste eine Schüssel zum Vorschein, der Zweite einen Krug Wasser. Nachdem sich Tahsin gelassen, als hätte er diese Art von Zeremonie schon hundertmal gemacht, Gesicht und die Hände gewaschen hatte, kam der Dritte mit einem Handtuch zum Einsatz. Der erste Mann beeilte sich daraufhin, seinem Herrn in ein Gewand zu helfen, das er wie eine Art Mantel über seine Kleidung zog. Es war ein dunkelblauer Stoff, der am Kragen und den Ärmeln reich bestickt war. Die Verzierungen wirkten protzig und ließen keinen Zweifel an der hochrangigen Stellung des Trägers. Weiterhin legten die Diener Tahsin nun einen ebenfalls reich bestickten Gürtel an, der ein weiteres Statement für seinen Stand war.

Nachdem alle Anwesenden auf den jungen Scheich starrten, bemerkte kaum jemand, dass auch Zach sein Outfit veränderte. Er zog eine pechschwarze Weste an und schnallte sich einen breiten Gurt um, an dem auf der einen Seite ein Dolch in einer Halterung steckte, auf der anderen war ein Holster inklusive der dazu passenden Pistole befestigt. Von freundlich-unscheinbar verwandelten ihn diese Accessoires in Sekunden in latent-gefährlich.

Mit einer Handbewegung gab Tahsin den Dienern zu verstehen, dass ihre Dienste nun erst einmal nicht mehr notwendig waren. Eifrig verneigten alle drei sich und zogen sich in den Hintergrund zurück. Rayans Sohn unterdrückte ein Grinsen, als er sich wieder den Engländern zuwandte. Die ganze Szene hatte nur einen Zweck gehabt: Den Wissenschaftlern klar zu machen, wen sie da vor sich hatten. Er sah vor allem an Alans entsetztem Gesicht, dass er sein Ziel erreicht hatte.

Rayan - Im Licht der Rache

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