Читать книгу Tödliche Intrige - Inge Elsing-Fitzinger - Страница 11
Оглавление„Kolumbien ist ein großes Land“
Bob begann den wohl konstruierten Lebenslauf ziemlich allgemein vor seinem Publikum auszubreiten.
Die Familie war pünktlich eingetroffen. Großmama hatte am Fußende des Tisches im großen Salon Platz genommen. Wie immer übernahm sie ehrenhalber den Vorsitz. Ihr zur Seite saß Vater Baumann mit ernster Miene. Valentina suchte seine Stimmung mit einem freundlichen Nicken zu heben. Die Wielands waren vollzählig angetreten. Marc sah er seit Paris zum ersten Mal. Überrascht hatte er die gereichte Hand gedrückt, und ihm kurz in die Augen gesehen. Da war kein Hass, da war nur Sorge zu erkennen. Sorge um das Schicksal eines geliebten Menschen. Dr. Wieland schien der Wachsamste von allen. Kaum einen Moment ließ er Bob aus den Augen. Er beobachtete jede Bewegung, jede Änderung seines Mienenspiels.
„Es hat allerdings nur fünfundzwanzig Millionen Einwohner. Sehr wenig, für die riesige Fläche von über einer Million Quadratkilometern.“ Bobs Stimme verlieh dieser Aussage Nachdruck.
Baumann begann unruhig zu werden. Was sollte das, wollte der junge Mann eine Geographiestunde abhalten. Nervös steckte er sich eine Zigarre an und paffte graue Ringe in die Luft.
„Ich komme gleich zum Wesentlichen, Herr Baumann, doch glaube ich, eine gewisse räumliche Vorstellung meiner Heimat könnte nützlich sein.“
Berthold bedeutete ihm fortzufahren.
„Ich verlebte meine Jugend auf einer riesigen Farm, die meine Eltern kurz vor meiner Geburt übernommen und aufgebaut hatten. Mein Vater war gebürtiger Amerikaner. Aus Detroit“, ergänzte er und sah reihum. Aufmerksame Blicke trafen ihn. Man hatte die Gabeln aus der Hand gelegt und hörte gespannt zu.
Auch recht, lächelte Bob in sich hinein. Ich werde euch eine schöne Geschichte erzählen, und ihr werdet mir alles glauben.
Mama Valentina nippte genüsslich an ihrer Kaffeetasse und heimste sich einen kritischen Blick ihres Gatten ein. Großmama Beate träumte. Ihr Mona-Lisa-Lächeln hatte schon zahlreiche Besucher fasziniert und beunruhigt.
Wielands überraschte Stimme klang durch die Schar:
„Lebt ihr Vater nicht mehr? Verzeihen sie die Frage!“
„Schon in Ordnung Herr Doktor. Mein Vater ist vor fünf Jahren verstorben. Er hatte vor etwa acht Jahren einen schweren Gehirnschlag erlitten und war von diesem Zeitpunkt an ein Pflegefall.“
Mitleid heischend blickte Bob in die Runde. Nun denn, überlegte er, bringen wir die Aktivität der Tränendrüsen etwas in Schwung. Ein ungewollt eingefädelter Einwand, der seinen Bericht in mildere Bahnen lenken konnte.
„Anfangs übernahm meine Mutter, unterstützt von einer Krankenschwester, seine Pflege. Doch der Tod Billys und der ihres Gatten, hatte Mama so massiv getroffen, dass sie aus Kummer und Seelenqual ein Jahr später verstarb.“ Bob suhlte sich förmlich in der Rolle des armen Waisenkindes.
„Meine Aufgaben waren nun so vielfältig und umfangreich, unmöglich sie alleine zu bewältigen. Es stellte sich die schwerwiegende Frage, welchen Zweig ich intensivierten sollte. Die Landwirtschaft oder den inzwischen sehr lukrativen Verkauf und Handel mit alten Möbelstücken und Kunstschätzen aus Südamerika.“
Julio hatte ihn auf die beste Idee gebracht, und damit seine Zukunft in ganz neue Bahnen gelenkt. In alten Möbeln, Bilderrahmen, in Vasen und Masken ließ sich wunderbar Rauschgift transportieren. Ein kleiner Trupp von Spezialisten wurde angeheuert, die in bestens bewachten Räumlichkeiten, abseits der Farm, und selbstverständlich ohne das Wissen des alten Farmers, Drogen aufbereiteten. In einer Woche schafften fleißige Kulis vierzig bis fünfzig Kilogramm pures Material, welches, um ein Vielfaches gestreckt, dann irgendwo in Nordamerika, an Händler und kleinere Dealer weitergeleitet wurde. Andere Spezialisten waren einzig und allein damit beschäftigt, das todbringende Heroin fahndungssicher in wertvolle Kunstgegenstände einzuarbeiten. Ein blühender Handel füllte schon nach kurzer Zeit die Börsen beider Seiten. Endlich schien sich das Tor zum Reichtum geöffnet zu haben. Nie wieder wollte er arm sein, hungern und Not leiden. Kein Gedanke wurde verschwendet an die armen Schweine, die auf der Strecke blieben. Bob war zum Drogenhändler avanciert. Raffte mit unersättlicher Gier Geld und Macht an sich wie ein Verdurstender. Er machte seine Sache gut, fand wohlgefällige Anerkennung bei den Mächtigen des Clans.
Bob hatte eine Pause eingelegt, sich ein Stück Kuchen genommen, Kaffee getrunken, und genoss die aufmerksamen Blicke seiner Zuhörer.
„Erlauben sie mir, etwas weiter auszuholen. Ich möchte die Geschichte meiner Eltern erzählen. Sie sollten sich ja ein Bild von meinem Zuhause machen können.
Das Großstadtleben hatte meinen Vater nicht befriedigt. Er war ein Naturbursche, liebte Pferde, ging auf die Jagd. Seinen Job als Bauingenieur machte er einzig und allein, um seinem alten Herrn einen Gefallen zu tun – und um Geld zu verdienen.
Verwandte seines Vaters brachten ihn auf die wunderbare Idee, sein Glück in Kolumbien zu versuchen. Die Leute besaßen dort seit ewigen Zeiten eine Farm, die ihnen nur Kummer bereitete. Personalprobleme, Geldnöte, das kinderlose Alter. Eine riesige Latifundie“ – Bob zog das Wort bewusst in die Länge und sprach es genießerisch aus. Die Zuhörer konnten nicht viel mit diesem Begriff anfangen.
„Der Betrieb erstreckte sich über ein Gebiet von etwa zweitausend Hektar. Wälder und Berge, aber vor allem guter Boden. Mein Vater tauschte nach einem Kurzbesuch frohen Mutes sein Landhaus am Eriesee, mit Garten und Bootssteg, gegen eine gewaltige, heruntergewirtschaftete Farm in Kolumbien. Eine Leibrente wurde festgesetzt, die den alten Herrschaften bis an ihr Lebensende ein sorgloses Leben garantieren sollte.“
Beate war aufgestanden und meinte lächelnd: „Wollen wir uns nicht auf die Terrasse setzen. Im Freien hört sich Bobs Geschichte noch einmal so schön an. Sie trat zielstrebig in den Garten hinaus.
Fasziniert beobachtete Bob die reizende, alte Dame. Während die anderen verbissen neugierig auf seine Erzählung warteten, organisierte die Lady eine künstliche Pause für ihn.
„Nun musste Papa nur noch meine Mutter für dieses Abenteuer begeistern. Er hatte sie auf einem Trip durch Europa kennen gelernt. Maria, meine Mutter war Wienerin!“ Bei diesen Worten nahm er Britts Hand und küsste sie zärtlich.
„Zu Vaters großer Überraschung und Freude stimmte seine junge Frau dem Plan ohne große Einwände zu. Überzeugte ihre Familie, dass dies das Glück und die einzige Freude ihres Lebens sei und reiste nach einer etwas überstürzten Hochzeit mit ihrem Ehemann ab.
Maria erhielt eine beträchtliche Geldsumme als Aussteuer, die über die ersten Anfangsprobleme hinweghalf. Auf ging es in ein fremdes, fernes Land, voll Ungewissheit und übergroßen Erwartungen, die sich glücklicherweise bestätigten.
Ich kam l948 zu Welt. Wir wuchsen gemeinsam heran. Ich zu einem Jüngling, Haus und Hof zu einem ansehnlichen Besitz.“
Die schrecklichen politischen Machtkämpfe wollte Bob sich sparen. Davon hatten die Herrschaften bestimmt keine Ahnung, und es würde unnötige Fragen und Zweifel aufkommen lassen.
„Nach einigen Jahren bekam ich einen Bruder, Billy. Ein zartes, gebrechliches Kind, das im Gegensatz zu mir häufig kränkelte und meinen Eltern viel Kummer bereitete. Wir verstanden uns prächtig.
Unser Hauslehrer, ein pensionierter Professor mit schier unerschöpflichem Wissen und der Geduld eines Elefanten lehrte uns schreiben, lesen und rechnen, aber er brachte uns auch bei, die Welt von verschiedensten Seiten zu betrachten. Er machte mich hellhörig für Probleme, die mir bis zu diesem Zeitpunkt völlig fremd waren. Ich lernte die Welt kennen, mit ihren schönen und weniger schönen Seiten. Politisch sehr versiert, öffnete er mir die Augen für die wichtigen Dinge des Lebens.
Die Eltern nahmen uns manchmal auf wunderbare Reisen mit. Wir durchstreiften die überwältigenden Landschaften im Norden, durchfuhren auf kleinen Kanus endlose Mangrovenwälder, jagten in den Kordilleren.“
Bob log, dass sich die Balken bogen, vermischte später Erlebtes, das alles andere als romantisch war und ihn beinahe ins Jenseits befördert hätte, mit Wunschträumen und Gespinsten, die seiner Phantasie entsprangen, sich aber sehr gut verkauften.“
„Was für mich Abenteuer pur war, wurde für Billy oft zur Qual. Enttäuscht kehrten wir dann nach Hause zurück und versuchten die Mühsal zu verdrängen. Mit dreizehn starb Billy an Leukämie.“
Eindrucksvoll verhielt er einen Moment lang und wischte sich trauernd über die Augen. Er hatte den kleinen Billy wirklich gemocht.
Er war mit sich zufrieden. Die Einleitung hatte er ziemlich überzeugend hingebracht, was aus den Mienen seiner Zuhörer deutliche zu ersehen war.
Roberto Cortez hatte er gekonnt in der Versenkung begraben.
Lange nach Mitternacht verließ die Gesellschaft verwirrt und gerührt (die Damen), überwältigt und etwas skeptisch (die Herren), die Villa in der Hinterbrühl. Bob hatte forsch seinen Heiratsantrag vorgebracht. Die letzten Zweifel fegte der faszinierende Verlobungsring vom Tisch.
In seinen Armen lag eine überglückliche junge Frau, die er eben heißblütig geliebt hatte. Ihr Körper hatte sich unter ihm gewunden, fordernd aufgebäumt, um nach Stunden berauschender Ekstase erschlafft und ausgepumpt in die feuchten Kissen zu sinken. Seine ungestüme Leidenschaft wirkte ansteckend. Das sittsame Töchterchen aus gutem Hause zeigte ungeahnte Talente, brachte ihn tatsächlich zu unerwarteten Höhepunkten. Ein Plus für dich, dachte er zufrieden. So fällt dir die Erfüllung der ehelichen Pflichten nicht allzu schwer. Wohlan, das Leben könnte sich besser einspielen, als er zu hoffen gewagt hatte.