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l. Kapitel

Berthold Baumann war im Frühling 1926 in der Hinterbrühl bei Wien zur Welt gekommen. Hineingeboren in eine gute Zeit, in eine intakte Familie, die es durch Tüchtigkeit und Fleiß zu beachtlichem Besitz und Vermögen gebracht hatte: ein schlossähnliches Herrenhaus am Stadtrand, ein Gärtnerhäuschen, eine in die Landschaft eingebundene Garage, in deren Obergeschoss eine gemütliche Wohnung dem jeweiligen Chauffeur zur Verfügung stand. Ein prächtiges Anwesen mit großem Park, herrlichen Blumenrabatten. Das Herzstück des Gartens: ein Springbrunnen mit großem Auffangbecken, in dem sich im Sommer Dutzende Goldfische tummelten. Fasane und Pfaue spazierten in den weitläufigen Anlagen frei herum. Der Gärtner Fridolin schaltete und waltete in diesem Reich, seine Gattin Marlies diente der Familie als Kinderfrau. Sie stand ihm an Herzensgüte und Selbstaufopferung in keiner Weise nach.

Eine Köchin sorgte für das leibliche Wohl. Mit Liebe und Hingabe zauberte sie stets erlesene Köstlichkeiten auf den Tisch, egal zu welcher Zeit der Herr Gäste nach Haus brachte, oder die gnädige Frau ihre Wünsche äußerte.

Berthold verbrachte seine Kinderjahre in einer Atmosphäre der Ruhe, des Friedens, der Geborgenheit. Geld spielte keine Rolle. Man lebte nicht in Saus und Braus, weil man von Natur aus bescheiden war. Aber man konnte sich alles leisten, was das Herz begehrte und ließ auch die Dienstboten nie zu kurz kommen. Kein Streit trübte die herzliche Atmosphäre

„Was du in der Kindheit erlebst, mein Sohn, prägt dich fürs ganze Leben“, meinte der Vater.

Die Köchin Rosa kniff ihre fröhlichen Augen stets verschmitzt zusammen. Der kleine Bub fand die korpulente Frau wunderschön. Hinter ihren wallenden Röcken konnte er sich so wunderbar verstecken. Am liebsten hockte Berti unter dem großen Küchentisch und wartete geduldig, wie ein kleines Hündchen, auf einen Leckerbissen, der planmäßig für ihn abfiel.

Seine Mutter schimpfte manchmal und Marlies ließ ihren strengen Blick schweifen. Sie war groß und schlank, trug stets hochgeschlossene Kleider in ausnahmslos dunklen Farben. Scheinbar unnahbar, verschlossen, führte sie ein absolut despotisches Regime.

Der kleine Bert wusste es besser. Durch ihre vergoldete Brille blickte sie meist vorwurfsvoll. Sie hatte die amüsante Angewohnheit die Augenbrauen fragend hochzuziehen und unbeweglich, wie eine Schaufensterpuppe, zu ihm hinunterzublicken. Verdutzt dreinschauend, zupfte er sie dann am Rockzipfel und flüsterte mit Engelsstimme.

“Hab deinen Berti wieder lieb, meine gute, beste, allerliebste Marlies.“

Kein einziges Mal misslang ein solcher Versöhnungsversuch. Die Kinderzeit verging in Windeseile. Das Herumtollen mit Fridolin, der über die ausgelassenen Spiele mit dem kleinen Herrn sogar seinen quälenden Rheumatismus vergaß. Der Ernst des Lebens begann. Ein Chauffeur wurde eingestellt, der Berthold in die Volksschule, später dann ins Gymnasium der Piaristen brachte. Papa bestand auf den Besuch einer Privatschule. Er hatte alle Freunde aus der Volksschule verloren und vermisste sie. Mama versuchte ihn schon sehr früh für die edlen Dinge des Lebens zu gewinnen. Theatervorstellungen, sorgsam für den Geschmack des Jungen ausgewählt. Ballettabende und gute Musik.

Was moderne Rhythmen und das Leben an sich betraf: Diesen Bildungsgang absolvierte er zielstrebig mit und bei seinen Klassenkameraden.

Der junge Berthold liebte schon früh die erlesenen Kunstgegenstände im Geschäft, sehr zum Wohlgefallen des Vaters. Mit Geschick weckte er in seinem Kind die Liebe zu Kostbarem.

Auch der schönste Traum hat einmal ein Ende. Der Krieg war ins Land gezogen. Berthold war gerade siebzehn Jahre alt und hatte seine erste große Liebe gefunden.

Auf dem Tennisplatz hatte ihm seine Freundin Henriette dieses wundervolle Geschöpf vorgestellt: Valentina. Sein Herz jubelte. Verwirrt und überglücklich konnte er nicht mehr essen, nicht mehr schlafen.

Valentina. Ein anbetungswürdiges Geschöpf. Lange Beine, eine knabenhafte Figur, blondes schulterlanges, welliges Haar. Ein Gesicht wie aus Porzellan, ein makelloser Körper. Ihre strahlend blauen Augen lachten, schon ehe ihre Lippen sich dazu entschlossen. Sie spielte wunderbar Klavier und nahm Gesangsunterricht.

Ein Lächeln. Mitten im Satz war er verstummt. Starrte sie gebannt an. Den Kopf schräg gestellt, musterte sie ihn kurz. Ein leicht belustigtes Augenzwinkern. Eine eher kühle Kenntnisnahme seiner Verwirrung.

Aus einer vernünftigen, möglicherweise werbenden Konversation wurde lediglich das klägliche Stottern eines Primaners. Sein Gesicht hatte sich mit peinlicher Röte überzogen. Von einem Bein auf das andere zappelnd, suchte er vergeblich nach Worten. Kein brauchbarer Gedanke war zu finden. In seinen Gehirnwindungen tanzte ein verrückter Bienenschwarm.

Seine Freundin Henriette, dieses Biest, genoss den Augenblick in vollen Zügen. Erheiterte sich diabolisch über seine Verlegenheit.

Sie war die Tochter einer der Damen aus Mamas Teerunde. Jeden Donnerstag pünktlich um 16 Uhr 30. Ein Jour Fix mit Tradition. Man führte neueste Modelle aus, trug den kürzlich erworbenen Schmuck mit gespielter Nonchalance, ließ sich bewundern, beneiden.

Hennis Vater, Generaldirektor Fichtenberg, Besitzer und Vorstandsmitglied eines renommierten Geldinstitutes in der Innenstadt, war der beste Freund seines Vaters, schon von Jugend an. Fleißig, ehrenwert und tüchtig, doch mit einem einzigen, gravierenden Fehler. Er war Jude.

Jude sein bedeutete für viele Menschen den sicheren Tod. Durch Glück, mehr noch durch Beziehungen, wurde Herr Fichtenberg auf die so genannte Begnadeten-Liste Goebbels gesetzt. Er überlebte, konnte sich ins Ausland absetzen. Für den Rest der Familie begann eine qualvolle Zeit.

Darum verbrachte Henriette auch die meiste Zeit in der Hinterbrühl. Eifrig wurden Rettungspläne ausgearbeitet und wieder verworfen, um Platz für neue zu schaffen. Offiziell schwieg man und wusste von nichts. Ein falsches Wort zur falschen Zeit hätte Menschenleben gekostet.

An einem Montagmorgen läutete es sehr früh. Ein Eilbote. Dringlich wedelte er mit einem Einschreibebrief der Kommandanturstelle in Wien. „Ich brauche die Unterschrift von Berthold Baumann, Fräulein", ächzte der beleibte Briefträger.

„Und a bisserl dalli, wenn i bitten darf. I hab heut no mehr solche Hiobsbotschaften auszutragen.“ Mama war herbeigeeilt. Verzweifelt hielt sie das bedrohliche Dokument in Händen. Rosi stürzte aus der Küche. Aufgeregtes Geschnatter. Der Junge stand erwartungsvoll am Treppenabsatz.

„Na junger Mann, kommans runter und machens schon eana Kraxen auf des Formular. I habs eilig.“ Das Gesicht des Postmannes erhellte sich. Rosi hatte ihm ein tüchtiges Stamperl Obstbrand gereicht.

Beiläufig kritzelte der junge Herr seine Unterschrift auf die Empfangsbestätigung. Stolz unterzeichnete er den Einberufungsbefehl.

Für Mama stürzte eine Welt zusammen. Erst der Mann, nun der Junge. Sie war einer Ohnmacht nahe. Rosi rannte weg. Marlies lehnte versteinerte an der Marmorsäule. Ihre ernsten Augen füllten sich langsam mit Tränen. Die Arme ausgebreitet, zog sie ihren Jungen innig an sich. Flüsterte Worte, die eher sie als ihn trösten sollten. „Es wird gut, Berti, alles wird wieder gut.“

Doch es sollte viele Jahre dauern, lange, bittere, kaum zu ertragende Jahre. Die schönsten Jahre seiner Jugend sollten vergehen, ehe alles gut wurde.

Tödliche Intrige

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