Читать книгу Tödliche Intrige - Inge Elsing-Fitzinger - Страница 5

Оглавление

Bob ist das erste Mal in Wien

Familie Baumann wohnte in einem gediegenen Appartementhaus in Wiens Innenstadt. Zur Jahrhundertwende erbaut. Edel und teuer. Fünf Stockwerke türmten sich vor dem staunenden Bob Graven auf. Der Dachfirst mit teils vergoldeten allegorischen Gestalten geschmückt. Plattgold-Reliefs verzierten die ersten beiden Stockwerke. Im Mitteltrakt schmiedeeiserne Balkone. Gediegenstes Kunsthandwerk.

Gebannt stand er vor dem imposanten Bau, überprüfte nochmals die Nummer, in Stein gehauen über dem mächtigen Portal. Zu beiden Seiten des Tores große Auslagenfenster, kostbare Antiquitäten.

Forsch griff er zur massiven Klinke, drückte das riesige Schmiedeeisentor auf. Zum ersten Mal betrat er das Allerheiligste. Ein Gedicht aus Marmor und Spiegeln. Die Eingangshalle mit Pförtnerloge, ein kleines Büro aus schwerem, dunklen Holz. Ein ältlicher Mann, hager, grauhaarig, blickte kritisch. Wachsame Augen nahmen den Eindringling unter die Lupe: Junger Mann, etwa dreißig, etwa einsneunzig groß, sehr kräftig und muskulös gebaut. Ja, Leopold kannte sich aus im Einschätzen von Menschen. Spekulieren war eines seiner Lieblingshobbys. Der Polizei hätte er einen urteilssicheren, kompetenten Zeugen abgegeben. Die Kleidung: Tweedjacke zu grauen Flanellhosen, ochsenblutfarbene Mokassins. Für Leopold war dieser gut aussehende Mann in Ordnung.

“Kann ich behilflich sein, mein Herr?“ Der typisch wienerische Klang rang Bob ein Lächeln ab. Seit seiner Landung am Flughafen Wien-Schwechat hatte er noch kein einziges Wort in diesem charmanten Dialekt gehört. Der Taxichauffeur war Italiener, der Mann an der Gepäcksaufbewahrung Tscheche, und im Cafe gegenüber, wo er sich bei einer Melange und einem Nusskipferl für seinen großen Auftritt sammeln wollte, bediente ihn eine reizende Japanerin. International, aber nicht wienerisch. Sein Entschluss stand fest. Hier würde er Fuß fassen. Er wollte unbedingt diesen Ort zu seinem neuen Zuhause machen, wenn er auch noch nicht ganz genau wusste, wie er es anstellen sollte.

Mit Britt hatte er leichtes Spiel. Sie liebte ihn bedingungslos, dessen war er sich ganz sicher. Aber wie würde er bei den Eltern ankommen?

„Was wünschen Sie, mein Herr?“, wiederholte der Pförtner etwas forscher.

„Oh, sorry Mister, entschuldigen sie, ich suche die Familie Baumann, besser gesagt das Fräulein Britt Baumann. Sie wohnt doch hier?“

„Gewiss, gnädiger Herr“, entgegnete Leopold mit einem gewichtigen Unterton in der etwas flachen Stimme:

Der Portier machte kehrt, nahm den Hörer ab und wählte die Nummer der Baumanns.

„Gnädige Frau, küss die Hand, hier spricht der Leopold", schnaufte er aufgeregt. „Hier bei mir steht ein fescher, junger Mann und möchte der Gnädigen und dem Fräulein Tochter seine Aufwartung machen.“

Unwirsch drehte er sich nach Bob um: „Na, sagn’s mir scho endlich ihren Namen, junger Mann“.

Bob konnte das Grinsen nicht mehr verbergen. Strahlende Zähne kamen zum Vorschein. Er beeilte sich seinen Namen zu nennen.

„Bob, oh Verzeihung, Robert Graven“.

Leopold schüttelte den Kopf. Wieso entschuldigt sich der Mensch und nennt dann einen anderen Namen.

„ Der Herr heißt Robert Graven“ buchstabierte er nun laut und deutlich.

„Ja, ja, Bob heißt er auch, liebes Fräulein Britt. Darf ich den Herrn weiter bitten.“

Sichtlich zufrieden gestellt durch die freudige Überraschung, die seine Meldung ausgelöst hatte, bat er den Gast zum Lift.

„Die Herrschaften wohnen im ersten Stock.“ Er dienerte höflich und überließ Bob seinem Schicksal.

Der Fahrstuhl war eine Klasse für sich. Wände mit Walnuss paneeliert, ovale, abgeschrägten Spiegel, ein Perserteppich am Fußboden, eine Kristallleuchte an jeder Wand. Ein Glockenton signalisierte die Ankunft. Die Türe öffnete sich gemächlich - vor ihm stand Britt. Hinreißend anzusehen, in jugendlicher Frische, mit leicht zerzausten Locken und sanft geröteten Wangen.

Tausend Gedanken waren Britt in letzter Zeit durch den Kopf geschwirrt. Vergeblich waren die Bemühungen, die wilden Liebesnächte aus ihrer Erinnerung zu löschen. Die Sehnsucht kehrte immer wieder, überflutete sie mit Hitze und Kälte zugleich. Das war kein oberflächlicher Sex, damals, das war viel mehr. Mit jeder Umarmung waren die Gefühle intensiver, leidenschaftlicher aber auch liebevoller geworden. Nun war er da, stand vor ihr, und sie zitterte überwältigt vor Glück.

„Bob, ich freue mich so, dich zu sehen. Warum hast du mir deine Ankunft nicht mitgeteilt? Wann bist du angekommen? Woher kommst du?“

Alle Fragen sprudelten gleichzeitig heraus. Sie plapperte ungereimtes Zeug, um ihre Verwirrung zu überspielen. Hastig stolperten die Worte über ihre Lippen.

Er schwieg, lächelte sie an, machte zwei Schritte auf sie zu und nahm sie in die Arme. Zärtlich strich er durch ihr Haar. Zwei riesige Blumensträuße landeten unbeachtet am Boden. Er küsste sie auf Augen, Stirn und Mund und hielt sie dann etwas von sich.

„Lass dich anschauen, meine Prinzessin!“

„Anschauen kannst du mich später“. Sie hatte sich wieder gefangen und spielte nun auf extrem locker.

„Jetzt heb’ erst einmal das Gemüse vom Boden auf und komm weiter. Mama erwartet uns im Salon. Papa ist auf einer Auktion.“

Eine Tür in der weiträumigen Diele öffnete sich. Fast geräuschlos huschte eine junge Frau neugierig an ihnen vorüber. Wie ein Lauffeuer sprach es sich herum: Ein Kavalier für das gnädige Fräulein ist angekommen.

Mina, die Zugehfrau, zirpte dem geduldigen Chauffeur Friedrich das Trommelfell voll. Aufregung breitete sich im ganzen Haus aus.

„Rosi, wir brauchen Vasen. Große. Bitte setz gleich Kaffee auf. Vergiss den Kuchen nicht.“

„Du magst doch Kuchen, oder?“ Ohne seine Antwort abzuwarten, stürmte sie weiter und zog Bob hinter sich her. An den Wänden der Diele, alte Landkarten und Stiche. Kunstvoll gearbeitete Leuchten.

Eine große Glastüre führte in den eleganten Salon.

Stuckarabesken am Plafond, prächtige Ölbilder alter Meister in kostbaren Rahmen an den Wänden. Der Glanz der Silberleuchter und Ziergegenstände reflektierten sich in einem riesigen Florentinerspiegel. Vier Fenster reichten vom Erdboden bis fast zur Decke, mit schweren Samtvorhängen dekoriert. Eine dreiflügelige Tür gab den Blick auf die Dreifaltigkeitssäule am Graben frei.

Der Raum war im späten Biedermeier eingerichtet. Bob kannte diese Motive zur Genüge. Während des letzten halben Jahres hatte er sich mit großem Eifer in das Studium der Kunstgeschichte gestürzt. Schwerpunkte waren das achtzehnte, neunzehnte und zwanzigste Jahrhundert. Nun konnte er mit einem recht ordentlichen Fachwissen aufwarten. Auf einer Chaiselonge ruhte Mama, Valentina Baumann. Zart, durchscheinend, zerbrechlich. Ihre blassen Züge strahlten Eleganz und Vornehmheit aus. Sie lächelte. Streckte ihm ihre schmale, weiße Hand entgegen. Der Hauch eines dezenten Parfums.

„Herzlich willkommen, Herr Graven! Bitte nehmen sie Platz“. Eine Stimme wie Harfenspiel, angenehm, melodisch.

Bob hatte sich als gewandter Geschäftsmann schnell im Griff, brachte eine höfliche Entschuldigung wegen seines überfallsartigen Erscheinens vor: „Eine unerwartete Geschäftsreise führt mich nach Italien. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich meine Reisepläne etwas korrigierte und mir einige Tage in ihrer herrlichen Stadt gönnen wollte.“

Mama nickte freundlich, Britt grinste. Bob saß da und wartete auf die Einladung, die Tage im Hause Baumann verbringen zu dürfen. Doch vorerst schien sich niemand mit diesem Thema beschäftigen zu wollen. Ungezwungen setzte er die Unterhaltung fort. Lobte das traumhafte Haus, die prächtige Lage im Zentrum der Stadt mit überschwänglichen Worten.

Endlich brachte Rosi Tassen, Schalen, eine Kanne und Kännchen auf einem silbernen Tablett. Streifte eine Tischdecke über den Glastisch, legte silberne Gabeln und Löffel auf. Augartenporzellan, Rosa Rose, registrierte das geschulte Auge Bobs. Selbstverständlich, bei Baumanns war das Feinste gerade gut genug.

Das pummelige Mädchen, lustiger Pagenschnitt, blitzsauberes, gestärktes Schürzchen, schenkte Kaffee ein, reichte köstlich duftendes Backwerk.

Geschäftig legte Britt passende Servietten zum Gedeck und arrangierte die Blumen, die mittlerweile in großen Vasen aus zum Kaffeegeschirr passendem Porzellan auf der Anrichte gelandet waren.

Könnte ein Italiener sein, rätselte Rosi. Dabei redet er fast so gut deutsch wie wir. Nun, ich werde es schon noch rauskriegen. Sie knickste etwas unbeholfen.

„Du hast dich an meine Lieblingsblumen erinnert“, strahlte Britt. Verschmitzt zwinkerte sie ihm zu.

„Erinnerst du dich noch an unser erstes Rendezvous im Parc de Luxembourg. Du brachtest einen ganz ähnlichen Strauß mit. Ich hielt es damals schon für ein gutes Omen.“ Zärtlich strich sie über die zartrosa Blüten der Gerbera.

Glück gehabt, dachte Bob insgeheim. Beim besten Willen konnte er sich nicht mehr daran erinnern, welche Blumen er damals für sie gewählt hatte. Lächelnd nahm er das Kompliment an. Valentina errötete etwas. Vergnügt dachte sie, der Kerl sieht ja wirklich gnadenlos gut aus, ist witzig und hat Charme.

„Es tut gut, wieder einmal frischen Wind in die verstaubten Räume zu lassen.“ Sie zupfte an ihrem bunten Chiffonkleid, strich sich mit den gepflegten Händen durchs Haar, ordnete, völlig unnötig, nochmals sorgsam die Tassen.

Britt blickte sie überrascht an.

„Geht es dir gut Mama?“ Ihre Stimme klang besorgt.

Ein glücklicher Ausdruck spielte um Valentinas Mund. „Ich freue mich über ihren Besuch, Herr Graven. Es wäre unverzeihlich gewesen, wenn sie sich nicht gemeldet hätten.“

Sie lehnte sich behaglich in die Brokatkissen zurück und bat Britt, die großen Erkerfenster zu öffnen.

„Lass bitte Frühlingsluft herein, ehe Papa kommt.“ Dann wendete sie sich zu Bob: „Mein Mann hasst den Straßenlärm und das Treiben am Graben. Manchmal ist es ja wirklich zu laut, doch heute scheinen nur artige Touristen unterwegs zu sein“, scherzte sie. Langsam geriet das Gespräch ins Stocken.

“Geht doch auf die Terrasse, ihr habt Euch bestimmt eine Menge zu erzählen. Ich werde mich ausruhen, bis Papa nach Hause kommt.“

Die Beiden waren froh, endlich lang ersehnte Zärtlichkeiten austauschen zu können.

„Sie bleiben doch zum Abendessen“, rief Valentina dem Gast nach.

Bob schritt von hinten an Britt heran, beugte sich charmant über ihre Schultern, küsste ihr glänzendes Haar, sog ihren erregenden Duft ein.

Britt schwebte. Endlich hatte sich ihr Traum erfüllt. Bob war gekommen. Seit Monaten lebte sie zwischen Bangen und Hoffen, zwischen Zweifeln und Sehnsüchten. Jetzt konnte sie ihn fühlen, sich seinen faszinierenden Liebkosungen hingeben. Ein leidenschaftlicher Kuss. Alles Irdische wurde unwirklich. Grenzenloses Glück ließ sie in seinen Armen dahinschmelzen.

Langsam brach die Dämmerung herein. Eine zarte Brise in den Wipfeln der alten Ahornbäume. Blumenbeete mit orangefarbenen Rosensträuchern, das Plätschern des kleinen Springbrunnens, der Abendgesang eines Rotkehlchens. Britt lehnte trunken vor Glück an Bobs kräftiger Schulter. Sie fühlte sich unsagbar geborgen. Mit ihm würde sie alle Tiefen durchtauchen, alle Gipfel stürmen. Niemand würde sie aufhalten mit diesem Mann an der Seite.

Tödliche Intrige

Подняться наверх