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Kindersprache

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Wenn ich auch nur geahnt hätte, dass ich gerade mal bis zum dritten Lebensjahr meines Enkels eine untadelige Großmutter sein würde, hätte ich mit Sicherheit versucht, meiner Tochter vom Kinderkriegen abzuraten.

Es fing eigentlich ganz harmlos an. Für Mäxchen war ich der Inbegriff der Vollkommenheit, und was ich sagte, war für ihn wie das Amen in der Kirche.

Und nun das! »Warum sprichst du denn mit mir in der Kindersprache?«, fragt er eines Morgens, als ich ihn anziehe.

»Na, hör mal«, sage ich entrüstet, »ich habe noch nie mit dir in der Kindersprache gesprochen.«

»Doch«, gibt er energisch zurück, »du hast eben gesagt: Und nu’ noch deine Pantöffelchen.«

Heiliger Strohsack! Was soll ich jetzt machen?

Ich erzähle ihm von meiner masurischen Großmutter, die überall ein ›chen‹ hinten angehängt hat. »Deinen Onkel Christoph nannte sie zum Beispiel immer: ›Mein Jungchen.‹«

Mäxchen sieht mich ungläubig an.

Ach, hätte ich ihn bloß gründlicher vorbereitet! Ich habe ihm vom Weihnachtsmann, vom Osterhasen und von der Schokoladenfee erzählt, aber nichts über seine ostpreußischen Ahnen. Alles hat er mir unbesehen abgenommen, nur die masurische Großmutter nicht, die ist für meinen Enkel ein Märchen, das man kleinen Kindern erzählt. Und soo klein ist er ja nun auch nicht mehr! Er für seinen Teil hält ostpreußisch bloß für kindisch.

Ich schaue Mäxchen an. Ich sehe zwei kurze Beinchen, zwei kleine Kinderhände, die sich mit klemmenden Reißverschlüssen, falsch geknöpften Jacken und widerspenstigen Schuhbändern abmühen. Zugegeben, er arbeitet fleißig daran, aber ist das alles Grund genug, überall das ›chen‹ wegzulassen, auch am Mäxchen? Ich beklage mich bei seiner Mutter.

»Was willst du«, sagt diese ungerührt, »besser zu früh als zu spät, Jungchen hin und Mäxchen her. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass du meine kleine Schwester Pia bis zum Abwinken »Baby« genannt hast, nur weil sie das Nesthäkchen in der Familie war. Und ich fürchte, dass du sie auch heute noch so rufen würdest, hätte sie nicht endlich den Mut gefunden, sich das »Baby« zu verbitten, als der erste Freund auftauchte. Ich denke, mein Sohn hat völlig Recht. Sonst nennst du ihn noch Mäxchen, wenn er die vierzig überschritten, eigene Kinder und einen Haaransatz wie Beckenbauer hat.«

»Du hast ja so Recht«, sage ich da geknickt, »wo er doch sogar seinen Fußball schon über unseren Gartenzaun kicken kann!«

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