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Kapitel 5

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Sie hatten!

Als es an der Haustüre läutete, band sich Cécile gerade die Küchenschürze ab. Sie hatte die Freundin dazu überredet, nach einem guten Essen mit passendem Wein ihre Pläne besser an den Mann beziehungsweise an die drei dazugehörenden Frauen bringen zu können. „Du kennst doch den Spruch: J’ai bien mangé, j’ai bien bu et …

„Ich weiß, ich weiß.“ Marie lachte. „‚Ich habe gut gegessen, gut getrunken und bin nun in der Lage, gut zuzuhören.‘“ Sie ging, um die Tür zu öffnen.

„Was sind denn das für Neuigkeiten?“, fiel ihr Sohn gleich mit derselben ins Haus.

Schwiegertochter Sophie umarmte sie – „Toll siehst du aus!“ – und versuchte die Dackel zu übertönen, die vor lauter Freude, die komplette Familie zu sehen, alles niederkläfften.

„Mindestens zehn Jahre jünger“, schloss Sabrina sich an und Marie in die Arme.

„Wie hast du das gemacht? Du strahlst ja förmlich“, wollte auch Claudia wissen. „Hat das eventuell etwas mit dem zu tun, was du uns verklickern willst? Dann kann es sich ja nur um etwas Erfreuliches handeln.“

„Es könnte aber auch eine Hiobsbotschaft sein“, grinste Stephen, „unsere Mutter weiß genau, dass sich diese besser bei einem guten Essen und Spitzenwein verkaufen lässt. Was hast du denn Schönes gezaubert, Cécile?“ Er legte den Arm um deren Schulter und nahm sie mit ins Wohnzimmer.

„Ich will doch nicht hoffen, dass sich meine Zukunftspläne für euch als Hiobsbotschaft entpuppen“, sagte Marie leicht nervös, „aber es schadet ja nicht, wenn wir das Ganze mit etwas Köstlichem untermauern. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Sophie, geh du schon mal ruhig zu Stephen und Cécile“, sie hakte sich bei ihren beiden Töchtern unter, „und ihr kommt bitte mit in die Küche und helft mir auftragen.“

Als sie dann alle so friedlich am Tisch saßen und Marie sah, wie es ihren Kindern schmeckte, hatte sie plötzlich ein kleines Déjà-vu: Sie sah Stephen, Claudia und Sabrina im Alter von drei, fünf und sieben Jahren, wie sie zu jeder Mahlzeit einen Wettlauf um die Plätze an ihrer Seite machten, da dem Schlusslicht dann nur noch ein Stuhl weiter unten neben den Geschwistern oder neben hin und wieder anwesenden Gästen blieb …

„… und das war nie einer von euch“, klagte Sabrina an Bruder und Schwester gewandt – als könne sie Gedanken lesen.

„Das ist ja gar nicht wahr“, antwortete Stephen, „ich habe dir manchmal auch den Vortritt gelassen, Claudia nie.“

Marie lachte: „Das stimmt, dein Bruder war hin und wieder ein richtiger kleiner Kavalier.“

„Siehste“, sagte der, „nur Claudia nicht. Die war zwar das schnellste, aber auch das frechste kleine Mädchen aus der ganzen Straße, das schrie, wenn es seinen Willen nicht bekam, das nie um etwas bat, sondern immer nur forderte.“

„Na danke, lieber Bruder. Nun weiß ich doch endlich, von wem meine Tochter erblich so belastet ist, das arme Ding.“ Claudia nahm es mit Humor. Dann wandte sie sich vorwurfsvoll an Marie. „Und ich erinnere mich noch genau an die drei bescheuerten Becher in Rosa, Hellblau und Lila, die du zu unserem Kummer in den Müll geschmissen hast.“

„Ja, ja“, kam Stephen Marie zu Hilfe, „aber nur weil sie wegen deines ständigen Gebrülls – ‚Ich kriege den lilanen!‘ – mit den Nerven völlig auf dem Hund war.“

„Auf dem Dackel“, lachte Sabrina. „Andere Rassen kamen uns ja nicht ins Haus, wo wir doch so gerne einen großen Beschützer gehabt hätten, einen, mit dem man Abenteuer bestehen konnte, einen so wie Lassie zum Beispiel.“

Cécile hatte sich bis da aus dem Gespräch herausgehalten, aber köstlich amüsiert. Nun erinnerte sie Marie daran, dass sie ja alle zusammengekommen waren, um die Kinder in ihre Zukunftspläne einzuweihen.

„Ja“, sagte Stephen und griff nach der Weinflasche, „es wird Zeit, dass du uns sagst, was du im Schilde führst. Will noch jemand etwas Wein?“ Alle hielten ihm ihr leeres Glas hin, und er schenkte nach. „Oder willst du uns jetzt in die Tonne kloppen?“ Er bemühte sich ängstlich auszuschauen.

„Natürlich nicht“, erwiderte Marie entrüstet, „aber vielleicht, wenn du es so nennen willst, etwas von meiner jetzigen Art zu leben.“ Und sie erklärte, wie sie ihre weitere Zukunft zu gestalten gedachte: „Nämlich in einer Wohngemeinschaft mit meinen vier besten Freundinnen, die da sind: Julie, Franca, Eleni und Cécile. Eigentlich sind es ja fünf. Doch meine allerbeste Freundin Biggi kneift leider.“

„Und das Ganze findet dann bei mir in der Provence statt“, vollendete Cécile.

„Ich möchte zeigen“, fuhr Marie fort, „dass mein Leben auch als sogenannte Seniorin für euch nicht zum Problem werden wird, sondern dass ich mich immer noch weiterentwickeln, Neues entdecken und zukunftsorientiert mein Alter gestalten kann. Nur nicht alleine, dazu brauche ich gleich gesinnte Mitstreiterinnen meiner Generation.“

„Chapeau“, Stephen nickte anerkennend, „bei dir ist man ja nie vor Überraschungen sicher. Aber das ist das Vernünftigste, das du jemals in Angriff genommen hast.“

Sabrina sprang auf und umarmte sie. „Mensch, toll, Marie, wir helfen dir natürlich bei der Verwirklichung deiner Träume. Was machst du mit deinem Haus? Soll Jan versuchen, es so günstig wie möglich zu verkaufen?“ Sabrinas Freund Jan war ein erfolgreicher Immobilienmakler.

„Keine schlechte Idee, aber lasst mir bitte noch etwas Zeit, darüber nachzudenken“, sagte Marie, und ihre Tochter antwortete: „Das versteht sich doch von selbst. Ich als Anwältin würde dir außerdem alle rechtlichen und notariellen Schritte abnehmen. Stephen, du als Banker könntest das Finanzelle für sie regeln.“ Sie sah ihren Bruder herausfordernd an.

„Das ist doch keine Frage“, antwortete dieser sofort, „an mir sollen Maries Lavendelträume auf keinen Fall scheitern. Was machst du denn mit den Hunden?“

„Die nehme ich natürlich mit, oder, Cécile?“

„Klar doch“, versprach diese. „Mascotte, meine Katze, wird mit den beiden schon fertig, wetten?“

„Ach nee“, mischte sich da Claudia ein, „die Hunde dürfen mit in den sonnigen Süden. Und was ist mit deinen Enkeln, wo die es doch in diesem feucht-kühlen Klima hier schon seit Kleinkindertagen so oft an den Bronchien haben? Wenn du unbedingt unser Erbe verschleudern willst, verkauf das Haus, leg das Geld für dich und deine Nachkommen vernünftig an und zieh in eine Seniorenresidenz auf Mallorca. Das ist doch heute in für ältere Leute. Kannste in allen Zeitschriften der Regenbogenpresse nachlesen.“

„Claudiiaa!!“, riefen die anderen entrüstet, und Stephen versuchte die Stimmung zu entschärfen, indem er amüsiert anmerkte: „Wer sagt’s denn, Mariechen am Ballermann!“

„Kann man denn nicht mal einen kleinen Scherz machen?“, reagierte Claudia da doch ein wenig beschämt.

Marie legte liebevoll die Hand auf den Arm ihrer Ältesten. „Schau mal, du führst doch seit Jahren dein eigenständiges Leben mit Arbeiten, Kindererziehen und Haushalt, und das alles ohne Mann und Vater. Und du erwartest, dass ich es respektiere. Also bitte ich dich, meine Wünsche ebenfalls zu achten, auch wenn du mich jetzt vielleicht für eine egozentrische Alte hältst.“

Claudia prustete los und gab Marie einen Kuss.

„Na endlich, liebe Schwägerin“, mischte Sophie sich aufatmend ein. „Stephen, wir müssen langsam heimwärts ziehen. Es ist schon fast Mitternacht.“

Die anderen erhoben sich ebenfalls.

„Wartet mal“, hielt Marie sie zurück, „da ist noch etwas.“

„Aha“, sagte Stephen und feixte, „jetzt kommt das dicke Ende. Sollen wir uns lieber wieder setzen?“

Seine Mutter sah zögernd von einem zum anderen. „Also, ich wollte euch außerdem noch mitteilen, dass ich übermorgen mit Cécile für zwei Wochen in die Provence fahre, erstens, um mich zu erholen, und zweitens, um gemeinsam mit ihr unseren Plan noch einmal an Ort und Stelle gründlich durchzugehen.“

Claudia drückte sie. „Dass du für immer fortgehen willst, an den Gedanken müssen wir uns erst einmal gewöhnen. Aber für zwei Wochen Urlaub brauchst du doch nicht unsere Erlaubnis.“

„Hört, hört“, warf Stephen ein.

„Ich denke schon“, antwortete Marie geknickt, „ich brauche nämlich jemanden von euch, der für diese Zeit die Hunde nimmt.“

„Das mache ich“, bot sich Sabrina sofort an. „Lieschen und Felix, deine beiden Dackeltiere, sind gut bei mir aufgehoben, auch tagsüber in der Kanzlei. Am besten, ich nehme sie gleich heute Abend mit.“

„Danke, da fällt mir aber ein Stein vom Herzen.“ Marie stand auf und holte aus der Diele die Leinen und das große Hundekörbchen. Dann umarmten sich alle herzlich.

„Gute Erholung und viel Freude euch beiden.“

„Euch auch, vor allen Dingen mit den Hunden!“

Marie und Cécile winkten der schwatzenden und kläffenden Gesellschaft fröhlich nach. Dann schlossen sie die Haustüre und Cécile sagte energisch: „Ich räume jetzt den Tisch ab und die Küche auf. Und du, ma chère, gehst nach oben und fängst an zu packen.“

Die Lavendelgang Gesamtausgabe

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