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Kapitel 14

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Paul stand pünktlich vor dem Tor. Mit einem Herzkasper und einem warmen Gefühl der Zärtlichkeit ging Marie langsam zu ihm hin. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht wie ein verknallter Teenager auf ihn zuzurennen.

Paul nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. „Da bin ich wieder. Hast du die Genehmigung zum Ausgang mit mir auch schriftlich?“

„Hm, hm.“ Sie sah glücklich zu ihm hoch. Paul lächelte so strahlend, dass ihr ganz schwindelig wurde.

„Ist das ein Ja?“

Marie nickte.

„Na dann wollen wir mal schnell los.“ Er öffnete für sie die Beifahrertür. Während der ganzen Fahrt hielt er ihre Hand in der seinen.

Später, in einem kleinen Fischrestaurant am Hafen von Les-Saintes-Maries-de-la-Mer, aß sie mit Frauenmut und Todesverachtung zum ersten Mal frische Austern, trotzdem sie sich eigentlich davor ekelte, und würgte sie mit Champagner schnell hinunter, während sie kurz dachte: „Was man aus blinder Liebe doch so alles macht.“

Paul legte den Arm um ihre Stuhllehne und streichelte mit zwei Fingern ihren Nacken. „Wunderbar, oder?“ Der Druck seines Beines gegen das ihre verstärkte sich unter dem Tisch.

Marie konnte nur nicken, das Glück schnürte ihr einfach die Kehle zu. Dann fuhren sie mit dem antiken Ausflugsdampfer „Kontiki I“ aus dem Hafen ein Stück weit übers offene Meer die Kleine Rhône hinauf, und Paul zeigte ihr die berühmten schwarzen Stiere der Camargue. Ein Guardian gab, hoch zu Ross, zwischen seinen weißen Pferden eine Extravorstellung für die Zuschauer, Reiher und Kormorane saßen in Reih und Glied auf von der Sonne gebleichten Baumstämmen, doch Marie hatte nur Blicke für den Mann an ihrer Seite.

„Ich bin so froh, dass ich dich getroffen habe“, sagte der gerade und küsste sie auf den Hals, dass sie eine Gänsehaut bekam. „Glaubst du, dass ich dich in Zukunft öfter von deiner Clique loseisen kann?“

„Ich denke schon. Aber zuerst einmal müssen wir uns um unsere römische Freundin kümmern“, sagte Marie und erzählte ihm von Francas momentanen gesundheitlichen Schwierigkeiten. „Das verstehst du doch?“

„Aber natürlich“, antwortete Paul. „Vielleicht können wir fürs Erste wenigstens hin und wieder mal essen gehen.“ Er rückte näher an sie heran, legte beide Arme um sie und fuhr leicht mit den Lippen über ihre Wange. Marie gab sich seinen zärtlichen Berührungen hin und verliebte sich mehr und mehr in ihn.

Am späten Nachmittag saßen sie dann am Ende der Mole und betrachteten zärtlich aneinander gelehnt den Sonnenuntergang. „Ich kann mir nicht helfen“, lächelte Marie, „aber immer wenn ich sehe, wie der rote Ball am Horizont mit seinem Hintern langsam ins Meer stippt, meine ich, jetzt müsste es gewaltig zischen.“

Paul zog sie lachend in die Höhe. „Du und deine ausufernde Fantasie! Dann wollen wir mal die Heimfahrt antreten, bevor es ganz dunkel wird.“

Als sie in „Les Genets“ eintrafen, stellte Marie aufatmend fest, dass Julie und Cécile bereits tief und fest schliefen. Die Uhr zeigte kurz vor Mitternacht, und sie hatte Mühe, die freudig kläffenden Hunde still zu halten und in ihr Körbchen zu scheuchen. So konnte sie beim Duschen den Tag mit Paul noch einmal in Ruhe Revue passieren lassen und sich seine Küsse und Berührungen in Erinnerung rufen. Mit einem glücklichen Lächeln ging sie dann zu Bett.

Sie liefen Hand in Hand auf der Mole entlang. Der laue Wind ließ kleine Wellen leise gegen die Mauer klatschen. Die Sonne war am Horizont kaum noch zu sehen. Dafür trieben Guardians auf weißen Pferden eine Herde schwarzer Stiere landeinwärts. Sie sprachen darüber, wie Paul in die Gemeinschaft der Freundinnen zu integrieren wäre. Da löste sich ein dunkler Punkt aus der Herde und kam schnaufend auf sie zugerannt.

„Hilfe!“, schrie Marie. „Ein Stier, er kommt direkt auf uns zu!“

„Nichts wie weg!“ Paul riss ihr fast den Arm aus, als sie umkehrten und die Flucht ergriffen. „Die Biester sind ganz schön gefährlich.“

Doch das Schnaufen kam immer näher und war plötzlich Franca in einem Rollstuhl. „Wir brauchen keine Kerle in unserer Mädels-WG!“, rief sie schrill und knallte Paul den Rollstuhl in die Kniekehlen. Er flog über die Kaimauer, und bevor Marie zur Rettung hinter ihm her springen konnte, hatte eine Riesenwelle ihn bereits ins weite Meer hinausgerissen.

Schweißgebadet und mit rasendem Puls wachte sie auf. Das Entsetzen steckte ihr noch in allen Gliedern. Da hörte sie Cécile und Julie von unten in der Küche fröhlich schwatzen und lachen und mit dem Frühstücksgeschirr klappern. Sie atmete erleichtert auf: Gott sei Dank! Es war nur ein grässlicher Albtraum gewesen.

Die Lavendelgang Gesamtausgabe

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