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Kapitel 12

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„Oh Gott, mein Kreuz und meine Füße!“ Jammernd ließ sich Marie auf ihr Bett sinken.

Sabrina trat mit einer vollen Bücherkiste durch die Tür. Sie suchte ein freies Plätzchen, um sie abzusetzen. Alles stand durcheinander, offene Schranktüren, Kleiderstapel auf Sesseln und Bett, nebenan leere Bücherregale, Sofa und Schreibsekretär, beladen mit Akten, und überall volle Umzugskisten. „Das wird ja immer schlimmer, mach hin, Marie, und pack weiter aus.“ Sie grinste. „Früher warst du doch immer so penibel. Kaum bist du in Frankreich, zack, südländische Nachlässigkeit.“

Jan und sie hatten bereits alle Möbelteile nach oben getragen, bevor Marie und Julie einen Tag später in „Les Genets“ eintrafen, und diese Stück für Stück in die Appartements verteilt, gebohrt, zusammengeschraubt und aufgebaut. Nun mussten nur noch die Kisten ausgepackt und alles eingeräumt werden.

„Was heißt hier Nachlässigkeit? Das nennt man bei uns Savoir-vivre!“ Cécile erschien beladen mit Baguette, Käse und Wein. „Wo soll ich das abstellen, kann ich noch etwas helfen?“

Alles lachte. Cécile war Künstlerin. Ihr handwerkliches Können beschränkte sich allerdings auf Leinwand, Farben und Pinsel. Ansonsten hatte sie zwei linke Hände.

„Das stimmt ja gar nicht. Ohne mich wärt ihr schon längst verhungert und verdurstet.“ Cécile sah sich empört in der Runde um. „Also steckt eure Überheblichkeit schleunigst weg, sonst bin ich schneller, als ihr gucken könnt, mit den Fressalien samt köstlichem Roten wieder unten in der Küche.“

„Bloß nicht“, riefen die anderen, „du bist doch unsere Kochkünstlerin, und wir haben dich alle ganz doll lieb!“

Nachdem sie über den köstlichen Ziegenkäse, vom Bergbauern am Morgen frisch geliefert, das Baguette und den Wein hergefallen waren, übernahm Jan das Lampenaufhängen, Gardinenanbringen und Schlagen der Nägel für die Bilder in die Wände. Sabrina bezog die Betten, Marie und Julie packten weiter aus und räumten ein, während Cécile unten in der Küche fürs dîner werkelte.

„So, jetzt bleibt nur noch der Kleinkram, und eure Bäder en suite müssen auf Hochglanz gebracht werden.“ Sabrina streckte sich zufrieden.

„Das hat Zeit.“ Marie umarmte ihre Tochter und den angehenden Schwiegersohn. „Danke, danke, danke!“

„Ihr seid einfach großartig!“ Julie schloss sich der Umarmung an. Es war einundzwanzig Uhr. Sie hatten fast zwölf Stunden lang geräumt.

À table!“, rief Cécile. „Kommt nach unten! Das dîner steht bereit!“

„Oh Gott, bin ich geschafft“, stöhnte Marie und die anderen nickten erschöpft. Dann stiegen sie die Treppe hinunter und trotteten hinaus auf die Terrasse. Im Gegensatz zu Jan und Sabrina hielten sich Julie und Marie nur am Rotwein fest.

„Schaut mal, unsere Menagerie.“ Cécile deutete auf eine Liege am Pool. Da lagen einträchtig vereint Hunde und Katzen und schliefen den Schlaf der Gerechten. Dabei hatte es am Anfang zur Begrüßung nur so von Ohrfeigen der Haustiger gehagelt und Fluchtgedanken im Hintern von Lieschen und Felix.

„Na, wenn die sich so schnell miteinander vertragen, dann wird das auch mit uns ganz wunderbar klappen.“ Julie erhob sich. „Ich bin einfach nur platt, was ist mit dir, Marie?“

„Ich komme mit, rühr nichts mehr an, dusche ganz fix und gehe dann sofort in mein frisch bezogenes Bett.“ Sie küsste Sabrina auf den Scheitel. „Und ihr?“

„Wir bleiben noch ein wenig und helfen Cécile, alles wieder aufzuräumen“, entgegnete Jan munter und ohne irgendwelche Ermüdungserscheinungen.

„Tja“, sagte Marie neidisch, „jung müsste man noch mal sein.“

„Schlaft gut“, Sabrina lachte, „und denkt daran: Was man in der ersten Nacht in neuer Umgebung träumt, das geht in Erfüllung.“

Drei Tage später hatten sie es geschafft. Alles stand, hing oder war drapiert, so wie Marie und Julie es sich für ihr neues Zuhause vorgestellt hatten.

„Schön habt ihr es jetzt hier, so richtig gemütlich“, sagte Sabrina, als sie zum Abschied noch einmal durch die fertigen Räume schlenderte. „Man könnte euch glatt beneiden. Eure Idee des Zusammenlebens mit guten Freundinnen, und das auch noch in einem Land, wo Lavendel und Pfirsiche blühen und wo frische Feigen von den Bäumen fallen, finde ich grandios …“

„Nicht zu vergessen das trockene und warme Klima“, fügte Marie heiter hinzu, „du glaubst ja gar nicht, wie gut das meiner Seele und meinen alten Knochen tut.“

Sabrina lachte. „Dann gehören wohl Sprüche wie ‚Ich habe Rücken‘, ‚Ich habe Kopf‘ oder ‚Himmel, mein Kreislauf macht schlapp‘ der Vergangenheit an!“

„Du sagst es.“

Aufgekratzt begleiteten die drei Freundinnen Sabrina und Jan hinunter zum Parkplatz, wo der nun leere Umzugswagen stand, und winkten ihnen nach, bis sie auf der Route N4 Richtung Avignon verschwanden.

In den folgenden Wochen telefonierten sie mit Versicherungen, meldeten Krankenkassen ab und wieder an und Handyverträge um, saßen stundenlang bei der Zulassungsstelle, um Julies Wagen eine neue Nummer verpassen zu lassen – „Das rote Schild aus Deutschland gilt nur für kurze Zeit“, hatte Cécile gemahnt –, meldeten Rundfunkgebühren und Internet an, nicht zu vergessen die Hunde, und reihten sich in die Schlange beim Einwohnermeldeamt im Rathaus von Gordes ein.

„Das Leben beginnt wahrlich aufregend“, sagte Marie bemüht ernst, „genau so hatte ich mir das vorgestellt.“ Und dann befiel sie beide ein nicht zu stoppender Heiterkeitsausbruch.

Immer noch lachend kamen sie bei „Chez Christine“ an, einer Freundin von Cécile, die in einer der malerischen Gassen des historischen Städtchens ein kleines Restaurant betrieb. Dort feierten sie mit Cécile, Christine und einer Flasche Champagner ausgelassen den glücklichen Abschluss aller Telefonate, Verhandlungen, administrativen Sitzungen und heißen Diskussionen sowie Julies neues Autoschild in echt Französisch.

„Salut“, sagten Cécile und Christine, „ihr habt es geschafft. Nun dürft ihr euch auch verwaltungstechnisch gesehen zum provenzalischen Volke zählen.“ Und sie stießen darauf miteinander an. Als sie dann später zurück in ihr neues Zuhause fuhren, hatten Marie und Julie das wunderbare Gefühl, endlich angekommen zu sein.

Die Lavendelgang Gesamtausgabe

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