Читать книгу Die Lavendelgang Gesamtausgabe - Inge Helm - Страница 22
Kapitel 13
ОглавлениеMarie entdeckte ihn sofort. Plötzlich hatte sie doppelten Puls und Pudding in den Knien. Gut, dass sie noch saß. Paul trug Bluejeans, ein hellblaues Hemd, das seine Augen noch mehr strahlen ließ, und dazu passende Freizeitschuhe. Die Ärmel hochgekrempelt, die Hände in den Hosentaschen, lehnte er lässig am geschlossenen Gittertor zu „Les Genets“.
„Der Typ ist ja einfach umwerfend“, sagte Julie anerkennend, als er langsam auf das Auto zukam, während sie ausstiegen.
„Bonjour zusammen!“ Er umfasste zärtlich Maries Gesicht und küsste sie einfach auf den Mund, wie selbstverständlich. „Da bist du ja. Ich freue mich, dich endlich wiederzusehen!“
„Ich dachte … Also, das hätte ich nicht für möglich gehalten … Ach, ist jetzt auch egal.“ Sie hatte Schwierigkeiten, einen zusammenhängenden Satz zustande zu bringen.
„Ist alles in Ordnung?“ Paul sah sie irritiert an.
Cécile und Julie lächelten wissend und gingen schon mal vor ins Haus.
Marie schüttelte die Gedanken an sein langes Schweigen ab und antwortete: „Alles wunderbar. Woher wusstest du, dass ich schon hier bin?“
„Von dem Freund von André, dessen Onkel ich die Ehre habe zu sein.“ Er lachte. „Der hat nämlich gestern mit seiner Mutter telefoniert, der André – warum?“
„Nur so. Und was hast du jetzt vor?“
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich wollte dich erst einmal so schnell wie möglich wiedersehen. Wir könnten zum Beispiel auf einen Kaffee nach Isle-sur-la-Sorgue fahren oder zur romantischen Fontaine-de-Vaucluse, d’accord ?“
„Tut mir leid, das ist ein wenig schwierig. Julie und ich haben endlich alle Papiere und Genehmigungen beisammen und wollten das heute ausgiebig mit Cécile feiern.“
„Da kann ich doch mitmachen.“
„Ach weißt du, das ist, glaube ich, keine so gute Idee. Ich möchte in unserer Mädels-WG nicht gleich zu Anfang aus der Reihe tanzen. Wir könnten doch morgen etwas gemeinsam unternehmen.“
„Na gut.“ Paul war offensichtlich verletzt. „Dann will ich mal los und meinen Frust im Büro abarbeiten.“ Er lächelte schief. „Du kannst dich ja melden, wenn du ohne deine Clique etwas erleben möchtest. Meine Nummer hast du.“
„Ich rufe dich auf jeden Fall heute Abend an. Versprochen.“
„Na hoffentlich.“ Er küsste sie flüchtig auf die Wange und ging dann hinunter zum Parkplatz, wo er seinen Wagen abgestellt hatte.
Während Marie durch den kleinen Torbogen über die Terrasse zur Küchentür ging, ließ sie endlich die Freude zu, dass er sie nicht vergessen hatte. Er hatte zwar nichts über sein Stillschweigen der letzten Wochen gesagt, andererseits hatte sie ihn auch nicht danach gefragt. Hauptsache, er war wieder da. Sie lächelte selig, als sie die Küche betrat.
„Sieht nicht so aus, als ob du ihn in den Wind geschossen hast“, zog Julie die Freundin auf. Dann wurde sie ernst. „Wir haben keine gute Nachricht für dich, komm, Cécile, erzähl mal.“
„Tja“, begann diese zögernd, „Franca hat eine Mail geschickt.“
„Will sie etwa aussteigen?“
„Das ist ihr, sozusagen im übertragenen Sinne, momentan gar nicht möglich. Sie sitzt nämlich zurzeit im Rollstuhl.“
„Um Gottes willen, was ist denn passiert?“
„So wie es aussieht, ist ihr linkes Bein völlig taub. Sie sagt, wie eingeschlafen. Irgendetwas mit der Bandscheibe. In der nächsten Woche will sie versuchen, einen OP-Termin im Krankenhaus zu bekommen. Dann sehen wir weiter.“
„Da hat sie doch schon lange mit zu tun!“
„Na gut, gehen wir trotzdem davon aus, dass Franca nach der Operation mit aktiver Physiotherapie wieder auf beide Beine kommt“, versuchte Julie sich und die Freundinnen zu beruhigen.
„Ich denke schon“, fügte Cécile hinzu, „sie ist eine sehr willensstarke Person, und außerdem hat sie gesagt, sie fühle sich noch zu jung, um den Rest ihres Lebens ausschließlich auf ihrem Allerwertesten zu verbringen.“
„Das ist schon ein Kreuz“, lamentierte Marie. „Wenn man die Sechzig überschritten hat, dann kommen die ganzen Krücken. Ich kann zwar tadellos laufen, doch seit meiner Grauen-Star-Operation ist mein Adlerblick auch hin … Lacht nicht, das zum Beispiel sehe ich noch ganz deutlich. Denkt an Biggi und ihre zwei Kniegelenksoperationen. Sie spielt zwar wieder regelmäßig Tennis, aber dem Ball hinterherzuhechten fällt ihr auch nicht mehr so leicht wie früher. Ich sage euch, da können wir uns noch so jung fühlen, wie wir wollen, etwas lahmt immer hinterher.“
In diesem Augenblick surrte und vibrierte es dreimal in ihrer Hosentasche. Eine SMS! Marie nahm ihr Handy heraus und sagte beiläufig: „Vielleicht ist das ja noch mal Franca.“
„Möchte dich morgen um zehn Uhr abholen“ , las sie stumm, „würde gerne mit dir in die Camargue fahren, fangfrischen Fisch essen, Wein trinken und aufs Meer hinausschauen. Hoffentlich geben die Mädels dir einen freien Tag, haha. Salut, Paul.“
„So wie dir das Blut ins Gesicht geschossen ist, war das bestimmt nicht Franca“, folgerte Cécile.
„Das war Paul. Er will mit mir morgen zu den schwarzen Stieren und den stolzen Guardians mit ihren weißen Pferden fahren. Kann ich euch mal einen Tag alleine lassen?“ Marie war völlig aus dem Häuschen.
„Das schon“, gab sich Julie großzügig, „aber um noch einmal auf unser Alter zurückzukommen: Glaub ja nicht, dass ein Liebhaber dich jünger macht. Nimm die Zeichen der Zeit mit Haltung, so wie wir anderen, und bleib cool.“
Marie sah verunsichert von ihr zu Cécile. Die kämpfte schon eine Weile mit einem Lachanfall, nun prustete sie los, und Julie prustete mit.
„Ihr blöden Hühner“, sagte Marie erleichtert und lachte ebenfalls. „Ich dachte schon, ihr wärt sauer, weil ich trotz aller Schwüre ausgerechnet jetzt ein so tolles Mannsbild aufgegabelt habe.“ Sie nahm ihr Handy und drückte auf „Antworten“: „Gute Nachricht! Habe freibekommen, haha, freue mich, Marie.“