Читать книгу Am Ende der Sehnsucht - Ingeborg Arvola - Страница 10

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Mir ist nie richtig klargeworden, wann Mari Karl-Edvart begegnet ist, wann sie geheiratet haben und Mari die Sachen in der engen Wohnung ein- und im Holzhaus mit Garten, wo ich aufwuchs, ausgepackt hat, aber die Begegnung selbst könnte direkt einem Frauenroman entnommen sein. Karl-Edvart war ein geschiedener Mann von siebenundvierzig Jahren, als er Mari begegnete und gerade dazukam, als sie von ihrem Unglück erzählte – wobei sie es gar nicht als Unglück betrachtete. Mari erzählte ihre Geschichte voller Stolz, sogar etwas angeheitert im Lärm des Firmenfestes, und wenn man hinhörte, hatte das Lächeln, das sie lächelte, als sie von Korell und Andreas erzählte, vielleicht einen Unterton voller Tränen, und das Lachen, als sie die Wohnung beschrieb und die Miete, die in jedem Quartal stieg, saß unter einer Falte auf der Stirn. Karl-Edvart, der seit längerem allein gewesen war, folgte dem Lächeln und prägte sich die Falte im Gesicht gut ein. Unwiderstehlich, fand Karl-Edvart. Leerte das Glas, rückte den Schlips gerade und ging unsicher hinüber zu Mari.

»Ich wollte gerade etwas zu trinken holen«, sagte er und schaute ihr tief in die Augen. »Soll ich Ihnen gleich etwas mitbringen?«

Mari sagte ja, mehr verwirrt als alles andere, aber als sie anstießen, hatte sie das Gefühl, etwas sei schon abgemacht und entschieden, so als ob der tiefe Blick nicht erst auf etwas hinwies, sondern bereits einen Vertrag besiegelte. Nicht, daß das einen Unterschied machte. Es war lange her, seit jemand sich gewünscht hatte, sie möge ihre Zurückhaltung aufgeben, und mit ziemlich schlechten Argumenten überredete nun jemand den Mann an ihrer Seite, sich woanders hinzusetzen.

Karl-Edvart, der jetzt in Schwung war, wollte sich aber nicht einfach plump auf dem eroberten Platz niederlassen und die üblichen Phrasen von sich geben, die er sich auf der Jagd nach zufälligen Bekanntschaften zurechtgelegt hatte. Er setzte sich dicht neben Mari, spürte, wie sich sein eigener schwerer Körper aufrichtete, als die Nähe ihm klarmachte, wie klein Mari war, wie dünn das Haar über ihrem Schädel lag. Sogar in dem schwachen Licht glaubte er sehen zu können, wie sich die Adern durch ihre Gedanken klopften, und um eine Atempause zu bekommen, ließ er die Augen zu ihren Händen wandern.

»Ich kann deine Hände nicht sehen, wenn du trinkst«, flüsterte Karl-Edvart verblüfft, als er deren Weg zum Mund hinauf verfolgte. »Jemand hat behauptet, das sei so, wenn du ängstlich bist.«

Mari riß die Augen auf. Für einen Moment hatte sie sich weggeträumt und vorgestellt, der intensive Blick könnte von Nikos sein. Die Worte überraschten sie nicht nur, sie brachten Korell zu ihr. Korell, die ab und zu außer sich vor Angst war, nur weil sie Maris Finger nicht sehen konnte, und glaubte, sie habe Mari enttäuscht. Wie konnte sie die aufeinandergeprßten Lippen vergessen, die die Tränen zurückhielten. Sie, die sich darüber ängstigte, daß Korell niemals weinte.

Als diese hübsche kleine Frau, die so viel Mißgeschick ertrug und dem Unglück einfach mit erhobenem Kopf begegnete, den Kopf wegen einer zitternden Krokodilsträne senkte, da wußte Karl-Edvart, hier gab es nichts weiter zu tun, als sie mit nach Hause zu nehmen, ihr einen dampfenden Grog zuzubereiten, ihren Geschichten zuzuhören und am Ende die bezaubernde Frau im Gästezimmer zu Bett zu bringen.

Mari erwachte am nächsten Morgen in einem leeren Haus und fand eine umständlich formulierte Nachricht vor. Auch wenn sie Kopfweh hatte und vom Tabak wie durchsäuert war, lächelte sie, als sie las: Verfügung über die Hausschlüssel, müssen an ihn persönlich überbracht werden. Sie würde nicht entwischen.

Während sie für sich Kaffee kochte, verwandelte sich das Lächeln in eine Freude, die sie lange nicht mehr empfunden hatte, und als sie träumend gelben Blättern folgte, die ans Küchenfenster geweht wurden, und sah, was für ein grauer Tag draußen wartete, wurde sie nur noch froher.

Unterwegs zum Büro des Chefs kaufte sie einen Goldring. Nicht dick. Nicht dünn. Ehe sie die Schlüssel ablieferte, stand sie verstohlen lächelnd vor der Tür des Direktors und wand den Ring auf den Schlüsselring. Mit wissender Miene legte sie die Schlüssel auf seinen Tisch, entschuldigte sich, sie müsse nur zur Toilette, und fegte aus dem Zimmer.

So begegneten sie sich. So heirateten sie. Wenig Rotz, wenig Tränen, irgendwelche verschwundenen Töchter, irgendwelche geschiedenen Männer, ein Grog und ein goldener Ring. Mari erinnert sich an das heitere Gesicht, das ihr aus dem Toilettenspiegel entgegensah und überlegte, was in aller Welt sie wohl antrieb.

»Ich kann mich nicht erinnern, früher so ausgesehen zu haben«, erklärt Mari mir und macht einen Punkt.

Am Ende der Sehnsucht

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