Читать книгу Am Ende der Sehnsucht - Ingeborg Arvola - Страница 15

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Ich stehe in einer fremden Küche. Eine alte Frau schaut mich an. Freundlich, aber mit großen Augen, prüfend. Ich fasse mir an den Kopf. Korell steht auf der anderen Seite in der Türöffnung. Sie runzelt die Brauen, und ich sehe, sie paßt hier nicht her. Sonst würde ich mit einem Seufzer den Geruch von Brot aufgesogen haben. Dies ist nicht das Haus des Mannes. Dies ist eine Küche, wo etwas gebacken wird, und ein dicker Hund hat sich in der Ecke ausgestreckt. Korell dreht sich um und verschwindet im Wohnzimmer. Ich gehe hinterher. Sie und Reino sitzen am Tisch mit Kaffeetassen und einem Teller mit Waffeln und Kuchen. Reino schlürft Kaffee. Korell lächelt und atmet tief ein, sagt aber nicht, was sie sagen will. Sie füttern mich mit Waffeln, und eine Frau kommt mit Brotscheiben. Ich esse zusammen mit dem Sohn der Frau. Er ist älter als ich und wirft mein Glas um. Ich glaube, er hat das mit Absicht getan, sage aber nichts. Wir werden überwacht. Vom Sofa starren uns Reino und Korell an. Die Frau steht irgendwo hinter mir, und von der Küche her spüre ich den Blick der alten Frau. Ich esse höflich, werfe Korell hin und wieder einen fragenden Blick zu. Sie sagt immer noch nicht, woran sie denkt. Ich spüre, daß wir auf etwas warten. Sie reden über den einen oder anderen, von dem Korell glaubte, daß er hier sein würde, und sie lacht ein seltsames Lachen. Ich weiß nicht, warum ich unruhig bin. Korell sitzt auf dem Sofa und lächelt. Ihre Augen gleiten nicht zur Türöffnung, um den Fluchtweg zu prüfen. Ihre Brauen sind glatt. Der Junge lenkt mich ab. Seine Arme sind lebendig und überall. Er beginnt mir etwas vorzusingen. Ich verstehe die Wörter nicht, aber ich glaube, sie reimen sich. Reino und Korell stecken über den Kaffeetassen die Köpfe zusammen. Korell winkt mir. Sie steckt mir ein paar Waffeln zu.

»Willst du nicht hinausgehen und dem Pferd etwas Feines bringen?« fragt sie.

Ich habe das Pferd vollkommen vergessen und sause hinaus, ohne die Jacke zuzumachen. Das Pferd ist nicht zu sehen. Ich folge einer Spur aus Dung und niedergetrampeltem Heu um die Scheune und finde es mit dem Maul staubsaugend am Hang. Als es mich sieht, kommt es angetrottet. Die Hufe knirschen im Schnee. Das Pferd kaut ganz munter, nickt mit dem Kopf. Ich höre das Geräusch eines Autos. Da ist dieser eine jetzt also gekommen, auf den sie gewartet haben, denke ich. Ich denke das eine Sekunde lang, vielleicht kürzer. Ich renne, ehe ich fertiggedacht habe. Ich renne so schnell, daß mir nicht klar ist, warum ich renne, ehe ich um die Scheunenwand herum bin. Trotzdem renne ich nicht schnell genug. Ich schaue auf meine Hände. Da ist kein Seidenschal. Meine Hände sind leer. Da kommt kein Auto. Da fährt ein Auto. Ich renne hinter ihm her, sehe die roten Rücklichter verschwinden. Ich gefriere zu Eis, und da kommt ein Ton, der meine Ohren sprengen wird.

Korell, meine Mutter. Wir wirbeln eine Straße entlang. Die steigt in die Landschaft. Das Auto verschwindet schnell. Ich rase hinterher. Korell, meine Mutter. Dreh dich um, beschwöre ich sie. Dreh dich um, du hast mich wieder vergessen. Du hast mich vergessen, Korell.

»Korell!«

Ich kann ihr Gesicht erahnen, ein weißes Gesicht an der Heckscheibe. Ich winke. Das Auto fährt in eine Kurve und ist weg. Jetzt kann ich es auch nicht mehr hören. Die Straße verschwindet zwischen den Bäumen. Ich stürze hinterher in die. Dunkelheit und höre Töne, die denen von Krähen ähneln, heisere Krähenrufe, schlagende Flügel. Ich schlage mit den Armen aus und falle der Länge nach hin. Ich kann die Krähen nicht sehen, die über meinem Kopf Verwüstung anrichten.

Am Ende der Sehnsucht

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