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Todesangst: Definition

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Lassen Sie mich zunächst die Bedeutung von »Todesangst« untersuchen. Ich werde abwechselnd verschiedene Begriffe verwenden: »Todesangst«, »Furcht vor dem Tod«, »tödlicher Schrecken«, »Furcht vor der Endlichkeit«. Die Philosophen sprechen von der Bewusstheit der »Zerbrechlichkeit des Seins« (Jaspers), der Furcht vor dem »Nicht-Sein« (Kierkegaard), der »Unmöglichkeit weiterer Möglichkeiten« (Heidegger) oder der ontologischen Angst (Tillich). Viele dieser Ausdrücke beinhalten Unterschiede in der Akzentuierung, da die Menschen die Todesangst auf sehr verschiedenartige Weise erfahren können. Können wir präziser sein? Was genau ist es, was wir am Tod fürchten?

Die Forscher, die diese Frage untersucht haben, weisen darauf hin, dass die Angst aus einer Vielzahl kleinerer, unterscheidbarer Ängste zusammengesetzt ist. Zum Beispiel haben James Diggory und Doreen Rothman eine große Stichprobe (N =563) aus der allgemeinen Bevölkerung gebeten, mehrere Konsequenzen des Todes in eine Rangordnung zu bringen. Dies waren die allgemeinen Ängste im Zusammenhang mit dem Tod nach abnehmender Häufigkeit:

1. Mein Tod würde meinen Verwandten und Freunden Kummer verursachen.

2. Alle meine Pläne und Vorhaben wären am Ende.

3. Der Prozess des Sterbens könnte schmerzhaft sein.

4. Ich könnte keine Erfahrungen mehr machen.

5. Ich wäre nicht mehr in der Lage, für diejenigen zu sorgen, die von mir abhängig sind.

6. Ich fürchte mich davor, was mit mir geschehen könnte, wenn es ein Leben nach dem Tode gibt.

7. Ich fürchte mich davor, was mit meinem Körper nach dem Tode geschehen könnte.26

Viele dieser Ängste scheinen den persönlichen Tod nur am Rande zu berühren. Die Ängste vor den Schmerzen liegen offensichtlich auf dieser Seite des Todes; Ängste wegen eines Lebens nach dem Tode fragen nach der Möglichkeit, den Tod in ein nicht terminiertes Ereignis zu verwandeln; Ängste um andere sind offensichtlich keine Ängste um uns selbst. Die Furcht vor persönlichem Ausgelöschtwerden scheint im Zentrum der Besorgnis zu stehen: »Meine Pläne und Vorhaben wären am Ende« und »Ich könnte keine Erfahrungen mehr machen.«

Jacques Choron kommt in einem Überblick über die hauptsächlichen philosophischen Ansichten vom Tod zu einer ähnlichen Analyse. Er unterscheidet drei Typen der Todesfurcht: (1) was nach dem Tod kommt, (2) das »Ereignis« des Sterbens und (3) aufhören zu sein.27 Von diesen sind die ersten beiden, wie Robert Kastenbaum hervorhebt, Ängste, die mit dem Tod verbunden sind.28 Es ist jedoch der dritte Typus, das »Aufhören zu sein« (Vernichtung, Auslöschung, zunichte machen), welcher die zentralere Angst vor dem Tod zu sein scheint; und es ist dieser Typus von Angst, auf den ich mich in diesen Kapiteln beziehe.

Kierkegaard war der erste, der eine deutliche Unterscheidung zwischen Furcht und Angst traf; er stellte Furcht, die eine Furcht vor einer Sache ( einem Etwas) ist, der Angst gegenüber, die eine Angst vor keiner Sache (einem Nichts) ist – »Nicht«, wie er fein festhält, »ein Nichts, mit dem das Individuum nichts zu tun hat.«29 Man hat Angst davor, sich selbst zu verlieren und zu nichts zu werden. Diese Angst kann nicht lokalisiert werden. Wie Rollo May sagt: »Sie greift uns von allen Seiten gleichzeitig an.«30 Einer Angst, die man weder verstehen noch lokalisieren kann, kann man sich nicht stellen, und sie wird darum umso schrecklicher: Sie erzeugt ein Gefühl der Hilflosigkeit, welches unabwendbar weitere Angst hervorbringt (Freud hatte den Eindruck, dass Angst eine Reaktion auf Hilflosigkeit war; Angst, schrieb er, »ist ein Signal, das uns Gefahr anzeigt,« und das Individuum erwartet, »dass sich eine Situation von Hilflosigkeit ergeben wird.«31

Wie können wir Angst bekämpfen? Indem wir sie von nichts zu etwas verlagern. Das ist es, was Kierkegaard meinte mit »das Nichts, welches zum Objekt der Angst wird, wird sozusagen immer mehr zu etwas.«32 Es ist das, was Rollo May mit »Angst versucht, zur Furcht zu werden« meinte.33 Wenn wir eine Angst vor nichts in eine Furcht vor etwas verwandeln können, kön nen wir eine Aktion beginnen, mit der wir uns selbst schützen – das heißt, wir können das, was wir fürchten, vermeiden, Verbündete dagegen suchen, magische Rituale entwickeln, um es zu besänftigen, oder eine systematische Aktion planen, um es zu entgiften.

Existenzielle Psychotherapie

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