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Todesangst und Psychopathologie

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Bewusste Todesangst. Ein paar verstreute Berichte versuchen, bewusste Todesangst und Psychopathologie zu korrelieren. Es gibt eine positive Korrelation bei freiwilligen studentischen Versuchspersonen zwischen Todesangst und Neurotizismus (Neurotizismusskala von Eysenck).54 Gefängnisinsassen, die wegen »kleinerer« Vergehen eingesperrt waren (über die Vergehen werden keine weiteren Details angegeben), haben signifikant mehr Todesangst, Sorge um den Tod und mehr Angst vor Begräbnissen und medizinischen Krankheiten und sind sich häufiger bewusst, dass sie Gedanken über den Tod unterdrücken, als normale Kontrollgruppen.55 Bewusste Todesangst korreliert positiv mit der MMPI Depressionsskala bei alten Psychiatriepatienten; die Korrelation war tatsächlich so hoch, dass die Untersucher vorschlugen, die erhöhte Todesangst als Teil des depressiven Syndroms bei alten Menschen zu betrachten. Die gleiche Studie enthüllte keine Korrelation zwischen Todesangst und somatischer Symptomatologie (nach dem Cornell Medical Index).56 Möglicherweise taucht Somatisierung als Reaktion auf die Todesangst auf und dient als Auffangbecken für sie.

Obwohl die Studien auf ein Fehlen offener Todesangst bei der normalen älteren Bevölkerung hinweisen,57 zeigen diejenigen älteren Menschen, die psychologisch unreif oder psychiatrisch gestört sind, hohe Todesangst.58 Adoleszente tendieren dazu, höhere Todesangst zu zeigen als andere Altersgruppen; und wieder finden wir, dass Individuen, die Psychopathologien aufweisen (in dieser Studie werden sie als delinquente Handlungen von beträchtlicher Größenordnung, die Gefängnisstrafe rechtfertigen würden, definiert), mehr Todesangst ausdrücken als die Kontrollgruppen.59 Eine Studie über normale Mädchen und solche, die »subnormal« sind und in Heimen leben, zeigte, dass diejenigen, die im Heim lebten, offenere Furcht vor dem Tod hatten.60 In ähnlicher Weise fand ein anderer Forscher heraus, dass High School-Mädchen mit schlechten Leistungen erheblich größere Angst vor dem Tod hatten – »Oft so überwältigend, dass sie nur indirekt mitgeteilt werden kann.«61

Unbewusste Todesangst. Aber diese Studien über bewusste Einstellungen zum Tod und über Todesängste helfen wenig beim Verständnis der Rolle der Todesangst in der Psychodynamik. Verschiedene Forscher haben dementsprechend versucht, die unbewussten Besorgnisse über den Tod zu untersuchen. Feifel und seine Mitarbeiter haben drei Niveaus der Besorgnis definiert: (l) bewusst (gemessen durch die Einschätzung der Antworten auf die Frage »Fürchtest du dich vor deinem eigenen Tod?«); (2) Fantasie (gemessen durch Kodierung der Positivität oder Negativität der Reaktionen auf die Anweisung »Welche Ideen oder Bilder kommen dir in den Sinn, wenn du über deinen Tod nachdenkst?«); (3) unterhalb der Bewusstheitsebene (gemessen durch die durchschnittliche Reaktionszeit auf Todeswörter in einem Wortassoziationstest und einem Interferenztest mit Farbwörtern).62

Die Untersucher fanden heraus, dass die Sorgen bezüglich des Todes auf jeder dieser drei Ebenen stark variierten. Auf der bewussten Ebene verleugnete die größte Zahl der Personen (über 70 Prozent) eine Furcht vor dem Tod. Auf der Fantasie-Ebene verleugneten 27 Prozent Todesfurcht, 62 Prozent antworteten ambivalent und 11 Prozent zeigten deutliche Todesangst. Auf einem Niveau unterhalb der Bewusstheitsebene zeigten die meisten Personen eine beträchtliche Abneigung gegenüber dem Tod. Der wesentliche Unterschied zwischen normalen Neurotikern und Psychotikern war, dass die psychotische Person vermehrt eine übergreifende Todesangst zeigte als die anderen. Auf einem bewussteren Niveau nahmen ältere und religiösere Personen den Tod in einer »ziemlich positiven Stimmung wahr, erlagen aber der Angst in ihrem Innersten.«63 Obwohl diese Studien grobe Instrumente benutzen, zeigen sie dennoch die Notwendigkeit auf, die Sorge um den Tod auf verschiedenen Ebenen der Bewusstheit zu untersuchen.

In einem interessanten Experiment demonstrierte W. W. Meissner das Vorhandensein bedeutsamer unbewusster Angst.64 Er testete die galvanische Hautreaktion (GSR = Galvanic Skin Response) von normalen Personen, denen eine Serie von fünfzig Items vorgelegt wurde: dreißig neutrale Begriffe und zwanzig Todessymbole (zum Beispiel schwarz, eine niederbrennende Kerze, eine Reise, eine schlafende Person, einen Schweigsamen, eine Brücke überqueren). Die Todessymbole riefen eine signifikant größere GSR-Reaktion hervor als die Kontrollwörter.

Klass Magni testete unbewusste Todesangst auf andere Weise.65 Todesbedeutsame Szenen (Bilder von Begräbnissen, zerfallene und verstümmelte Körper und so weiter) wurden tachistoskopisch zunehmend längere Zeit projiziert. Magni maß die Zeit, die eine Person brauchte, um die Szene zu identifizieren und er wies nach, dass Theologiestudenten, die als Pfarrer in eine Gemeinde zu gehen planten, signifikant weniger Zeit brauchten, um die Szene zu identifizieren (und hatten daher vermutlich signifikant weniger unbewusste Todesangst) als Studenten, die in die Forschung oder Lehrerlaufbahn gehen wollten, wo sie weniger intensiv damit beschäftigt sein würden, anderen beizustehen. Mehrere Studien, die Interviewdaten66 oder TAT-Daten67 verwendeten, zeigen, dass Personen mit höherem neurotischen Niveau größere Todesangst haben.

Studien über unbewusste Todesangst bei älteren Menschen, die den TAT und Satzvervollständigungstests verwendeten, zeigen, dass ältere Personen, denen eigene Wohnräume, vergleichbar mit einem Familiensetting, zugewiesen wurden, signifikant weniger Todesangst haben als jene Personen, die in traditionellen Altersheimen wohnen.68 Darüber hinaus haben die alten Menschen weniger unbewusste Todesangst, wenn sie mit vielen Lebensaktivitäten beschäftigt sind.69 Todesangst nach dem TAT korreliert bei alten Menschen positiv mit den MMPI Neurose-Indikatoren (Hypochondrie, Abhängigkeit, Impulsivität und Depression).70 Eine Studie über unbewusste Todesangst (eine projektive Satzvervollständigungstechnik) bei einer Population von Erwachsenen mittleren bis höheren Alters zeigte, dass die jüngeren Erwachsenen mehr Todesangst hatten als die älteren Gruppen.71

Wenn die Furcht vor dem Tod eine primäre Quelle der Angst ist, dann sollte man sie in Träumen finden, wo unbewusste Themen oft in relativ unverkleideter Form auftauchen. Eine große normative Studie der Träume zeigte, dass offene Todesangst in 29 Prozent der Träume gefunden werden kann.72 Eine umfangreiche Studie von Albträumen deckte auf, dass die häufigsten Angstthemen in Träumen von Erwachsenen darin bestehen, entweder zu sterben oder ermordet zu werden. Die anderen gewöhnlichen Themen waren auch mit dem Tod verbunden: Ein Familienmitglied oder andere Personen, die sterben, oder das Leben des Träumenden wird durch einen Unfall bedroht oder dadurch, dass jemand ihn oder sie verfolgt.73 Korreliert das Maß an bewusster Todesangst mit der Anzahl an Albträumen über den Tod? Die Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse in Abhängigkeit von der spezifischen Todesangstskala, die verwendet wurde. Eine Person jedoch (besonders, wenn sie unter zehn Jahren alt ist), die den Tod naher Freunde oder von Verwandten erlitten hat, neigt häufiger dazu, Todesalbträume zu haben.74 Eine Studie berichtet von einem faszinierenden Befund: Es gibt eine nichtlineare Beziehung zwischen bewusster Todesangst und Todesthemen in Träumen.75 Mit anderen Worten: jene Personen, die sehr große oder sehr geringe bewusste Todesangst haben, tendieren dazu, vom Tod zu träumen. Möglicherweise spiegelt hohe bewusste Angst hohe unbewusste Angst in der Weise wider, dass diese nicht kontrolliert werden kann und in schlechte Träume (Albträume) sowie in das Bewusstsein eindringt. Sehr geringe bewusste Todesangst (weniger als man bei einem durchschnittlichen Menschen erwarten würde) kann starke unbewusste Todesangst widerspiegeln, die im Wachzustand durch Verleugnung und Verdrängung kontrolliert wird, aber die im Schlafzustand den Traumzensor überwältigt.

Zusammengefasst können wir sagen, dass die Literatur über Todesangst eine begrenzte Hilfe bei der Erweiterung unseres Verständnisses von der Rolle der Todesfurcht in der Psychopathologie und Psychotherapie bietet. Die meisten Forschungen bestehen aus Korrelationsstudien zwischen bewusster Todesangst (auf grob konstruierten Skalen) und einer Fülle von demografischen und psychometrischen Variablen. Diese Studien zeigen einige positive Korrelationen zwischen hoher Todesangst und Depression, frühem Verlust, fehlendem religiösen Glauben und beruflicher Entscheidung. Andere Studien erforschen tiefere Schichten des Bewusstseins und zeigen, dass ein beträchtlicher Teil der Todesangst außerhalb der Bewusstheit liegt; dass Todesangst zunimmt, wenn man sich von der bewussten zur unbewussten Erfahrung bewegt; dass uns die Furcht vor dem Tod in unseren Träumen beschleicht; dass alte Menschen den Tod mehr fürchten, wenn sie psychisch unreif sind oder wenn sie weniger Lebensaktivitäten haben, mit denen sie sich beschäftigen; und schließlich, dass Todesangst, sowohl bewusste wie auch unbewusste, mit Neurotizismus zusammenhängt.

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