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Todesangst: Empirische Forschung

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Während der letzten dreißig Jahre gab es einen kontinuierlichen, aber schwachen Strom empirischer Sozialforschung über den Tod. Praktisch jeder Forschungsbericht über den Tod beginnt mit einem Fanfarenruf für die Forschung und entweder einem Lamentieren oder einem verachtungsvollen Protest über das Fehlen sorgfältiger Untersuchung. Nachdem ich die Literatur durchgesehen habe, komme ich nicht umhin, eine ähnliche Beschwerde zu wiederholen. Auffällig ist der starke Kontrast zwischen spekulativer oder impressionistischen Literatur über den Tod einerseits und seiner methodischen Erforschung. Beispielsweise werden in einer Bibliografie über den Tod bis zum Jahre 1972 über 2.600 Bücher und Artikel aufgeführt; aber weniger als zwei Prozent sind empirische Forschungen, und nur eine Handvoll von ihnen hat direkte Bedeutung für die existenzielle Theorie und Therapie.

Diejenige Forschung, die auch nur im entferntesten bedeutsam ist für meine gegenwärtige Fragestellung, versucht die folgenden Fragen zu untersuchen: die Häufigkeit von Todesangst, Studien über die Korrelation des Ausmaßes an Todesangst mit einer Anzahl von Variablen – demografische (Alter, Geschlecht, Familienstand, Beruf, Religion, Bildung und so weiter), persönliche Faktoren (MMPI Dimensionen – Minnesota Multiple Personality lnventory; allgemeine Angst oder Depressionsniveaus) und Lebenserfahrungen (früher Verlust, Heimunterbringung) – und die Beziehung zwischen Todesangst und Psychopathologie oder anderen psychologischen Erfahrungen, besonders Fantasien, Träumen und Albträumen.

So weit, so gut. Wie jedoch Robert Kastenbaum und Ruth Aisenberg in ihrem wohldurchdachten Überblick feststellen, sind die Studien mit wenigen Ausnahmen entweder extrem begrenzt in ihrer Reichweite oder methodisch sehr fehlerhaft.44 Viele Studien untersuchen den Tod auf ungenaue Weise; beispielsweise versäumen sie es, zwischen der Furcht, die man vor seinem eigenen Tod, vor dem Tod eines anderen oder vor der Wirkung seines eigenen Todes auf die anderen hat, zu unterscheiden.

Ein schwierigeres Problem ist jedoch, dass die meisten Studien bewusste Einstellungen zum Tod oder bewusste Erscheinungsformen der Angst gemessen haben. Und um das Problem noch schwieriger zu machen: Die Studien benutzen (mit wenigen Ausnahmen45) Instrumente, die schnell konstruiert wurden, »selbstgestrickte« Skalen, deren Reliabilität oder Validität nicht erhärtet wurden.

Eine berufsbezogene Studie ist jedoch interessant. Medizinstudenten wurden untersucht, indem eine bewusste Todesangst-Skala und die »Autoritäts«- Skala (California Personality Inventory F scale) benutzt wurden. Eine negative Beziehung wurde zwischen der Todesangst und Autoritarismus festgestellt das heißt, je höher der Autoritarismus, desto niedriger die Todesangst und umgekehrt. Darüber hinaus hatten Medizinstudenten, die sich für die Psychiatrie entschieden, größere Todesangst (und waren weniger autoritär) als jene, die zur Chirurgie gingen.46 Vielleicht sind die Chirurgen gegen Todesangst besser gewappnet und Psychiater sich ihrer Todesangst mehr bewusst (vielleicht haben die grünschnäbeligen Psychiater auch mehr absolute Todesangst und kommen zum Berufsfeld für psychische Erkrankungen auf der Suche nach persönlicher Erleichterung).

Verschiedene Projekte berichten davon, dass tief religiöse Personen weniger Todesangst haben.47 Studenten, die einen Elternteil verloren haben, haben höhere Todesangst.48 Die meisten Studien zeigen wenig Unterschiede in Bezug auf das Alter,49 obwohl es eine positive Beziehung zwischen den Sorgen um den Tod und die Nähe des Todes gibt.50 Eine Studie über die verbreitetsten Ängste von eintausend Studenten koedukativer Colleges weist darauf hin, dass die Ängste, die mit dem Tod in Beziehung stehen, extrem wichtig in dieser Population sind.51

Verschiedene Projekte haben zwar demonstriert, aber nicht versucht zu erklären, dass Frauen ein höheres Bewusstsein der Todesangst haben als Männer.52

Eine groß angelegte Studie (N = 825) berichtet von keinen Männer-Frauen-Unterschieden, aber eine genaue Prüfung der Daten zeigte, dass die Frauen weniger geneigt waren als die Männer, beunruhigende Fragen im Fragebogen zu beantworten; zum Beispiel wurde ein Item (»Stellst du dir lebhaft dich selbst vor, wie du stirbst oder wie du tot bist«) nur von 78 Prozent der Frauen und von 98 Prozent der Männer beantwortet.53

Eine Betrachtung der bewussten Todesangst hat, auch wenn sie von einigem Interesse sein mag, wenig Bedeutung für das Verständnis der Persönlichkeitsstruktur und der Psychopathologie. Der Eckpfeiler dynamischer Psychologie ist genau der, dass starke Angst nicht bewusst bleibt: Sie wird verdrängt und »verarbeitet«. Einer der Hauptschritte im Umgang mit der Angstquelle besteht darin, sie abzuspalten oder den Affekt von dem Gegenstand zu isolieren. Deshalb kann man über den Tod mit nur geringem Unbehagen nachdenken und man kann verschobene Angst erleben mit geringem Zugang zu ihren wahren Quellen. Ein paar Studien, auf die ich gleich zurückkommen werde, waren sensibel für den Unterschied zwischen bewusster und unbewusster Todesangst und haben versucht, die Todesangst auf unbewussten Ebenen zu untersuchen. Sie haben Instrumente verwendet wie den TAT (Thematic Apperception Test), den Rorschach-Test, die Traumanalyse, den Wortassoziati onstest, den Satzvervollständigungstest sowie die tachistoskopische Projektion und galvanische Hautreaktion.

Existenzielle Psychotherapie

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