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Klinische Fallberichte

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Das Auslassen der Furcht vor dem Tod in klinischen Fallberichten, um ein Beispiel zu nehmen, ist so offensichtlich, dass man versucht ist, auf nicht weniger als eine Verschwörung des Schweigens zu schließen. Es gibt drei Hauptstrategien, wie man in klinischen Fallberichten mit dem Tod umgeht.

• Erstens, die Autoren lassen dieses Thema selektiv aus und berichten keinerlei Material, das mit dem Tod zusammenhängt.

• Zweitens, die Autoren präsentieren umfangreiche klinische Daten in Bezug zum Tod, aber ignorieren das Material vollständig bei der Formulierung der Dynamik des Falles. Dies ist beispielsweise der Fall in Freuds Fallgeschichten, und ich werde später Beweise dafür liefern.

• Drittens, die Autoren können klinisches Material präsentieren, das auf den Tod bezogen ist, aber wenn sie den Fall beschreiben, übersetzen sie »Tod« in ein Konzept, das mit einer bestimmten Ideologierichtung übereinstimmt.

In dem viel zitierten Artikel Die Einstellungen von Psychoneurotikern zum Tod, der in einer führenden Zeitschrift veröffentlicht wurde, präsentieren zwei hervorragende Kliniker, Walter Bromberg und Paul Schilder, mehrere Fallgeschichten, in denen der Tod eine herausragende Rolle spielt.76

Beispielsweise entwickelte eine weibliche Patientin akute Angst nach dem Tod einer Freundin, der gegenüber sie erotische Gefühle empfand. Obwohl die Patientin ausdrücklich feststellte, dass ihre persönliche Furcht vor dem Tod dadurch entfacht wurde, dass sie ihre Freundin sterben sah, schließen die Autoren, dass »ihre Angstreaktion gegen die unbewusste homosexuelle Bindung, mit der sie kämpfte, gerichtet war … ihr eigener Tod bedeutete die Wiedervereinigung mit der homosexuellen Geliebten, die verschieden war … sterben bedeutete eine Wiedervereinigung mit dem verleugneten Liebesobjekt.«

Eine andere Patientin, deren Vater Leichenbestatter war, beschrieb ihre starke Angst: »Ich habe mich immer vor dem Tod gefürchtet, ich fürchtete, ich würde aufwachen, während sie mich einbalsamierten, ich habe diese seltsamen Gefühle unmittelbar bevorstehenden Todes. Mein Vater war ein Leichenbestatter. Ich habe niemals an den Tod gedacht, wenn ich mit Leichen zu tun hatte … aber jetzt habe ich das Gefühl, ich möchte wegrennen … ich denke ständig daran … ich fühle mich, als ob ich ihn wegkämpfen würde.« Die Autoren schließen daraus, dass »die Angst vor dem Tod der Ausdruck eines unterdrückten Wunsches ist, passiv zu sein und von dem Vater-Leichenbestatter versorgt zu werden.« Ihrer Ansicht nach ist die Angst der Patientin das Produkt ihrer Selbstverteidigung gegen diese gefährlichen Wünsche und ihres Wunsches nach Selbstbestrafung für ihren inzestuösen Wunsch.

Die anderen Fallgeschichten im gleichen Artikel liefern weitere Beispiele der Übersetzung von Tod in das, was die Autoren für grundlegendere Ängste halten: »Tod bedeutet für diesen Jungen letzte sadomasochistische Befriedigung in einer homosexuellen Wiedervereinigung mit dem Vater« oder »Tod bedeutet für ihn die Trennung von der Mutter und ein Ende des Ausdrucks von seinen unbewussten libidinösen Wünschen.«

Man kann offensichtlich nur darüber staunen, warum es solch einen Drang zur Umdeutung gibt. Wenn das Leben eines Patienten durch eine Furcht beschnitten ist, sagen wir, vor offenen Räumen, Hunden, radioaktiven Störfällen, oder wenn jemand ständig mit zwanghaften Grübeleien über Sauberkeit, oder ob die Türen verschlossen sind, beschäftigt ist, dann scheint es einen Sinn zu haben, diese oberflächlichen Besorgnisse in grundlegendere Bedeutungen zu übersetzen. Aber res ipsa loquitur, eine Todesfurcht kann eine Todesfurcht sein und ist nicht übersetzbar in eine »tiefere« Furcht. Vielleicht ist es, wie ich später ausführen werde, nicht eine Übersetzung, die der neurotische Patient braucht; er oder sie ist vielleicht nicht außer Kontakt mit der Realität, sondern stattdessen zu nahe an der Wahrheit, weil er nicht in der Lage ist, normale »Verleugnungsmechanismen« wirken zu lassen.

Existenzielle Psychotherapie

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