Читать книгу Es lauert unterm Teufelsmoor - Isabelle Bendig - Страница 12
ОглавлениеSchweißgebadet schreckte Penny aus ihrem Schlaf hoch. Hektisch blickte sie sich in ihrem kleinen Schlafzimmer um. Die Gestalten aus dem Alptraum, die seltsamen Bilder verblassten langsam.
Die Sonnen schienen durch das schräge Dachfenster auf den runden Teppich in der Raummitte. Für einen kurzen Moment glaubte Penny eine hochgewachsene Gestalt in der Ecke des Zimmers zu sehen, doch beim nächsten Blinzeln war sie verschwunden. Penny rieb sich müde ein Auge.
„Nun, dann kann ich auch aufstehen.“
Sie schwang sich aus dem Bett, warf sich den Morgenmantel über und verließ das Schlafzimmer.
„Francine, bist du wach?“, rief sie fragend in die Wohnung hinein.
Es kam keine Antwort. Penny betrat die Stube. Hier lagen Unmengen an Papieren auf dem Boden verteilt und von Francine fehlte jede Spur. Etwas verwirrt warf Penny einen Blick in die Küche und das Badezimmer. Doch auch hier war niemand.„Francine?“
Keine Antwort. Penny nahm den Stapel Papier vom Tisch und blätterte ihn schnell durch. Nirgends stand eine Nachricht ihrer Schwester. Es war nicht ungewöhnlich, dass Francine über Nacht wegblieb. Doch meistens hinterließ sie eine Nachricht oder war am nächsten Morgen wieder da. Penny gar nicht zu informieren, war überhaupt nicht ihre Art.
Penny nahm eines der Papiere in die Hand und betrachtete es genauer. Es waren Unterrichtsaufzeichnungen von Francine. Nichts besonders Interessantes. Penny ließ noch einmal den Blick durch die Stube schweifen. Dabei entdeckte sie, dass Francines Jacke noch an der Garderobe hing. Auch ihre Schuhe standen noch an der gleichen Stelle wie gestern Abend.
Nun war Penny sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Sie lief zurück ins Schlafzimmer und zog sich an. Aus der Küche griff sie ein Brötchen, ehe sie mit Jacke und Schuhen unter dem Arm das Haus verließ. Während sie die Treppe hinabstieg – oder besser hüpfte – zog sie sich die Schuhe an. Als sie durch die Tür nach draußen stürzte, steckte nur ein Arm in der Jacke.
„Francine!“, rief sie auf den Marktplatz hinaus.
Ein Paar blickte sich verwirrt nach ihr um, doch ansonsten reagierte niemand. Penny rückte sich ihre Jacke zurecht. Sie biss ein Stück von dem alten Brötchen. Sofort landeten mehrere Möwen vor ihren Füßen.
„Gut, wo kann sie hin sein?“, fragte Penny sich selbst.
Es gab einige Orte, die Francine regelmäßig aufsuchte. Vielleicht war ihre Schwester irgendwie dorthin geraten und hatte ihre Sachen einfach zu Hause vergessen.
*
„Tut mir leid, Miss Morgan“, entschuldigte sich der Mitarbeiter des kleinen Restaurants am Stadtrand bei Penny.
Diese winkte ab.
„Ist in Ordnung. Wenn Sie meine Schwester sehen, sagen Sie mir bitte sofort Bescheid.“
„Natürlich.“
Er verbeugte sich kurz, ehe er wieder im Laden verschwand. Penny ließ sich auf die Kante des Bürgersteigs sinken.
Das Restaurant war ihre letzte Hoffnung gewesen, Francine zu finden. Weder bei ihren Freunden, auf der Arbeit, noch in einer ihrer Kneipe oder Bars war sie aufzufinden gewesen. Mittlerweile war es Mittag geworden. Die Sorge um ihre Schwester und die Enttäuschung hatte bei Penny jedes Gefühl von Hunger und Erschöpfung unterdrückt. Doch nun, wo ihre Möglichkeiten erschöpft waren, schlug beides mit voller Wucht zu. Ihre Beine trugen sie nicht mehr, ihre Magen schmerzte und die Augen ließen sich nur schwer offenhalten. Penny rieb sich das Gesicht.
„Francine, wo steckst du nur?“, murmelte sie.
Eine Kutsche raste an ihr vorbei. Eines der Räder durchquerte dabei eine Pfütze, was eine Welle Wasser in Pennys Richtung schickte. Eine Sekunde später war sie von oben bis unten durchnässt. Die Wut über den gedankenlosen Kutscher verlieh ihr neue Kräfte. Sie sprang auf.
„Hey, kannst du nicht aufpassen!“, brüllte sie mit Kutscher mit erhobener Faust hinterher.
Zu ihrer Überraschung hielt die Kutsche an. Normalerweise interessierten sich Kutscher nicht für das Gefluche von Fußgängern. Die Kutschentür glitt auf und ein junger Mann stieg aus. Mittelgroß im feinen Anzug mit Rock, hellbraune Augen und lange, pechschwarze Locken.
„Rohan?“, fragte Penny überrascht.
Er betrachtete sie von oben bis unten und grinste.
„Du siehst aus wie ein begossener Warkhase.“
„Wäre mir nicht aufgefallen.“
Sie zupfte am tropfenden Ärmel ihrer Jacke. Rohan hielt weiterhin grinsend die Tür der Kutsche auf.
„Komm rein.“
So saßen einander gegenüber, als die Kutsche wieder rumpelnd losfuhr. Penny legte die rechte Hand auf ihren linken Arm und begann ihre Kleidung zu trocknen.
„Was machst du hier draußen?“, fragte Rohan.
Das Lächeln war verschwunden und er sah besorgt aus.
„Ich suche meine Schwester“, erklärte Penny.
Er war einer ihrer ältesten Freunde, ihm gegenüber konnte sie ehrlich sein. Also erzählte sie ihm die ganze Geschichte. Rohan hörte schweigend zu, doch sein Gesicht verdüsterte sich mit jedem Wort. Am Ende fuhr er sich mit seiner Hand an das Kinn.
„Penny, wir müssen zum kaiserlichen Ministerium. Die Gesetzeshüter müssen davon erfahren.“
Penny verzog das Gesicht. Als Rohan das sah, verdrehte er mit einem tiefen Seufzer die Augen.
„Ich weiß, die magst sie nicht, aber sie sind deine beste Chance. Du hast es selber gesagt: Es ist nicht normal für Francine, einfach so zu verschwinden.“
„Du hast ja Recht.“
„Erzähl mir etwas Neues.“
Kurz grinste Rohan wieder frech, dann klopfte er mit seiner golden schimmernden, mechanischen Hand an das Dach der Kutsche.
„Fahren Sie uns zum kaiserlichen Ministerium!“, wies er den Kutscher an.
Dieser zeigte mit einem Klopfen, dass er verstanden hatte. Die Kutsche wendete und fuhr weiter ins Innere der Stadt.