Читать книгу Es lauert unterm Teufelsmoor - Isabelle Bendig - Страница 17

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Die ‚Eulen-Apotheke‘ war ein kleines Gebäude am Stadtrand. Der ausgetretene Trampelpfad in Richtung des Waldes zeigte vom stetigen Kommen und Gehen der Kräuterleute. Vor der Tür standen die Überreste einer Marmorfigur. Die Tür stand offen, nur ein Vorhang als Perlensträngen verhinderte den Blick hinein.

Chris machte einen großen Schritt über eine Pfütze hinweg und betrat die Apotheke. Eine Glocke klingelte, als er den Vorhang mit einer Hand zur Seite strich.

Der Innenraum des Ladens war klein und vollgepackt mit Regalen und Kisten. In diesen standen und lagen kleinere Kistchen, gefüllte Gläser mit Flüssigkeiten oder Pflanzen und getrocknete Blätter an Kordeln. Ein süßlich, leicht benebelnder Geruch lag in der Luft.

Chris nahm den Zylinder ab und sah sich um. Einige Leute standen vor den Regalen oder unterhielten sich mit den Angestellten. Chris steuerte eine kleine Theke im hinteren Teil des Ladens an. Hinter dem alten Holz saß eine ältere Dame im weiten Wollpullover und ließ kleine Eier in ein Glas mit gelber Flüssigkeit fallen. Als sie Chris erblickte, lächelte sie.

„Ah, Mr. Carter. Pünktlich wie immer.“

„Pünktlichkeit ist eine Zier.“

Sie ließ das letzte Ei in das Glas fallen, schraubte es zu und stellte es in ein Regal hinter sich.

„Ich hole Ihre Sachen.“

Sie verschwand im hinteren Teil des Ladens. Chris lehnte sich auf die Theke. Er legte den Hut auf dem Tresen ab und ließ den Blick weiter durch den Laden schweifen. Alles wirkte normal. Bis auf die Gestalt, die sich im Schatten eines Regals versteckte und ihn anzustarren schien. Chris legte den Kopf schief. Er zog die Augenbrauen zusammen und schaute möglichst böse. Die Gestalt versuchte noch mehr in der Dunkelheit zu verschwinden.

„So, das müsste alles sein.“

Die alte Dame stellte eine Handvoll kleiner Dosen vor Chris auf den Tresen. Er zuckte durch ihre Ansprache zusammen und wandte sich um. Das Gefühl beobachtet zu werden ließ ihn aber nicht los. Es war ein Ziehen im Nacken und stetige kalte Schauer, die seine Wirbelsäule hinab liefen. Schnell überflog er die Etiketten auf den Dosen. Das entging der alten Dame nicht.

„Das sind schon die richtigen Sachen, Mr. Carter. Vertrauen Sie mir“, tadelte sie.

Das mit dem Vertrauen war bei Chris so eine Sache. Er versuchte zu lächeln, doch war sich sicher, dass es schief und nicht sehr überzeugend wirkte. Also packte er die Dosen schnell in seine Manteltasche und holte mehrere Scheine heraus.

„Müsste stimmen“, meinte er nur.

„Dann sage ich Dankeschön.“

Die alte Dame nickte ihm zu und zog demonstrativ das Glas mit den Eiern zu sich. Chris verstand den Wink. Er nickte ihr zu, nahm seinen Hut und durchquerte den Laden in Richtung Ausgang.

Draußen hatte es begonnen zu schneien. Chris klappte den Kragen seines Mantels hoch und zog den Hut tiefer ins Gesicht. Da spürte er es wieder: Das Gefühl beobachtet zu werden. Es zeigte sich deutlich in einem Ziehen im Nacken und einem Kribbeln auf der Haut. Als würde sich stechender Blick direkt in sein Fleisch bohren.

Er war nur ein paar Schritte auf den Bürgersteig getreten. Wer auch immer hinter ihm war, musste genau hinter ihm stehen. Also wirbelte er herum.

Doch dort war niemand. Chris blickte sich um, aber er stand alleine im Schnee. Wahrscheinlich hatte er es sich nur eingebildet. Schulterzuckend machte er sich auf den Weg zurück in die Stadt. Das Gefühl aber blieb.

Auf halber Strecke zurück zur Stadt war ihm klar, das war keine Einbildung. Jemand verfolgte ihn. Chris wusste, er hatte zwei Möglichkeiten. Er könnte seinen Verfolger konfrontieren, direkt. Oder er konnte es etwas vorsichtiger versuchen. Als er um eine Kurve bog, fiel sein Blick auf eine Gasse zwischen zwei mittelgroßen Häusern. Mit einem Schritt zur Seite verschwand er im Schatten der Backsteinmauern.

Kurz danach tauchte eine vollkommen vermummte Gestalt auf der Straße auf. Sie ähnelte der Person, die ihm die Schatulle vor der Nase weggeschnappt hatte. Etwas, was Chris immer noch wurmte. Genau vor der Gasse hielt die Gestalt inne. Sie ließ den Kopf ruckartig von links nach rechts wandern. Chris atmete tief durch.

Dann trat er aus der Gasse heraus und packte seinen Verfolger im Nacken. Er spürte, wie sich dessen Muskeln anspannten.

„Okay, mein Freund“, zischte er. „Warum verfolgst du mich?“

Als Antwort hörte er ein hohes, höhnisches Lachen. Sein Verfolger wandte den Kopf zu ihm. In der Dunkelheit der Kapuze leuchteten gelbe Augen angriffslustig auf. Chris ballte seine freie Hand zur Faust, bereit für einen magischen Kampf, doch sein Verfolger löste sich einfach in schwarzem Rauch auf. Chris blickte sprachlos auf seine Hand, als der Rauch durch seine Finger rann. Seufzend schüttelte er ihn ab.

„Ich sollte nach Hause.“

*

„Bin wieder da.“

Chris zog die Wohnungstür hinter sich zu und hängte seinen Mantel an die Garderobe. Es war seltsam still in der Wohnung. Er stellte die Schuhe ab, legte den Hut auf die Ablage und griff die Dosen aus der Manteltasche. Bemüht möglich leise zu sein, durchquerte er den Flur. Das Licht der alten Wandlampen flackerte leicht. Vor einer nur angelehnten Tür hielt er inne und klopfte.

„Herein“, erklang eine Frauenstimme von drinnen.

Der Aufforderung kam er nach.

Im engen Schlafzimmer saß eine hochgewachsene, schlanke Frau in einem hölzernen Schaukelstuhl nahe beim Fenster und blickte hinaus. Als Chris hereinkam, drehte sie sich zu ihm um. Ein liebevolles Lächeln erschien auf ihrem blassen Gesicht.

„Christopher, du bist wieder da.“

„Ich habe doch extra gerufen, Mama.“

Seine Mutter war die einzige Person, die ihn bei seinem vollen Namen rufen durfte. Er ging zu einem kleinen Schränkchen in einer Ecke des Raumes und stellte die Dosen darauf ab.

„Tamara ist unten im Laden“, erklärte seine Mutter.

„Ich habe sie nicht gesehen.“

„Weil du dich wieder hinten rein geschlichen hast.“

Chris hielt inne und blickte über seine Schulter zu seiner Mutter. Sie erwiderte seinen Blick fragend und durchbohrte ihn gefühlt damit. Chris seufzte und gab nach.

„Habe ich.“

„Du kannst deiner Schwester nicht immer aus dem Weg gehen.“

„Hey, sie geht mir auch aus dem Weg. Und wenn wir uns sehen, keift sie mich an.“

„In diesem Haus keift niemand.“

Mrs. Carter war etwas lauter geworden. Chris zuckte zusammen.

„Tut mir Leid. Du solltest dich nicht aufregen.“

„Christopher, wenn ich mich aufrege, klingt das anders.“

Der Schaukelstuhl quietschte leicht, als Mrs. Carter aufstand.

Chris wurde nervös. Seine Mutter schwankte etwas hin und her, ging dann aber mit sicherem Schritt auf ihn zu. Sanft legte sie eine Hand auf seinen Arm und lächelte ihn an.

„Du solltest dir nicht so viele Sorgen um deine Mutter machen.“

„Doch. Gerade weil du meine Mutter bist.“

Seine Stimme und sein Gesichtsausdruck zeigten deutlich, dass er darüber nicht diskutieren wollte. Also tat seine Mutter dies auch nicht, sondern blickte auf die Medikamente, die er mitgebracht hatte.

„Sind das alle?“, fragte sie überrascht

„Ja.“

„Christopher, wie kannst du dir das nur leisten?“

Als Antwort lächelte Chris sanft und zog seine Mutter in eine Umarmung.

„Das lass mal meine Sorge sein, Mama. Ich kriege das alles schon hin.“

Er löste sich aus der Umarmung und wollte gehen, doch seine Mutter hielt eine Hand fest. Ihr Griff war zittrig.

Sie nahm einen kleinen Umschlag von der Fensterbank und drückte ihm diesen in die Hand.

„Das hier habe ich beim Aufräumen gefunden. Ich denke, es wird dich interessieren.“

„Danke.“

Chris betrachtete den Umschlag skeptisch. Doch auf dem Papier stand nichts, was auf den Inhalt schließen ließ.

„Ich geh auf mein Zimmer. Wenn du etwas brauchst, rufst du“, meinte er an seine Mutter gewandt.

Sie lächelte und nickte.

Chris verließ das Zimmer. Kaum, dass die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, öffnete er den Umschlag. Darin befand sich ein etwas dickerer Zettel.

Es stellte sich als Fotografie heraus. Es zeigte eine Gruppe von Leuten in feiner Kleidung, die dem Aufnahmeapparat breit grinsend ihre Abschlusszeugnisse entgegen hielten. Chris erkannte sich selbst in der hinteren Reihe. Auf seinen Schultern saß eine junge Frau mit giftgrünen Haaren.

Chris zog fragend die Augenbrauen zusammen. Bis auf sich selber konnte er niemanden auf dem Bild zuordnen. Aber es war ein schönes Fotos, das musste er zugeben.

Er zuckte mit den Schultern und machte sich auf den Weg in sein Zimmer.

Es lauert unterm Teufelsmoor

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