Читать книгу Es lauert unterm Teufelsmoor - Isabelle Bendig - Страница 9
ОглавлениеDie zwei Monde standen hoch über der Jane-Schule für höhere Magie. Auf den Fluren, die zu den Schlafzimmern führten, herrschte Stille. Die kleinen Schlafzimmer, die sich immer zwei Schülerinnen oder Schüler teilten, waren in tiefe Dunkelheit getaucht. In einem lag Chris auf seinem Einzelbett und starrte an die Zimmerdecke. Er wartete. In der Ferne erklangen leise Glockenschläge. Chris zählte leise von zehn rückwärts. Dann schwang er sich aus dem Bett.
„Rohan“, zischte er. „Es geht los.“
Genau wie er hatte auch Rohan seine normale Kleidung anbehalten. Sie schlichen zusammen zur Tür. Chris öffnete sie einen Spalt breit und wagte einen vorsichtigen Blick nach draußen. Es war niemand zu sehen. Durch den Spalt huschten die beiden Jungen nach draußen. Leise schloss Rohan die Tür. Auf leisen Sohlen – ihre Schuhe trugen sie in den Händen – bewegten sie sich durch den Flur. Plötzlich bemerkte Chris einen kurzen Lichtschein einige Meter vor ihnen. Er gab Rohan ein Zeichen, stehen zu bleiben und sich zu verstecken. Sie waren in eingespieltes Team. Jeder von ihnen drückte sich in einen Türrahmen. Das Licht kam näher.
Im Schein einer fliegenden Lichtkugel kam ein Lehrer den Flur herunter. Er schlenderte bedächtig und ließ den Blick hin und her schweifen. Die kleine Lichtkugel hüpfte über seinem Kopf umher. Chris presste sich gegen die Tür. Er stellte sich sogar auf die Zehenspitzen, wobei sein Kopf unangenehm gegen den oberen Rand des Türrahmens stieß. Als der Lehrer mit ihm auf einer Höhe war, blieb er stehen. Chris krallte die Hände in die Tür. Der Lehrer blickte sich um.
Und ging weiter.
Chris erlaubte sich erst tief durchzuatmen, als das Licht nicht mehr zu sehen war. Rohan tauchte vor ihm auf und packte ihn am Arm.
„Komm“, zischte er.
Nun bewegten sie sich etwas schneller über den Flur. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Lehrer den Rückweg antrat. Und dann wollte sie nicht mehr hier sein. Durch eine große Holztür am Ende des Flurs ging es raus in das große, breite Treppenhaus.
Dieses erstreckte sich einmal schräg durch das Gebäude, um so alle Etagen mit den Schlafzimmern und Klassenräumen miteinander zu verbinden. In der Mitte wurde sie von einem goldenen Geländer geteilt, darüber hingen prächtige Kronleuchter an der Decke. Blumenkübel mit exotischen Pflanzen standen schier willkürlich verteilt herum. Rohan und Chris schlossen leise die Tür zum Flur wieder und sahen sich um.
„Wir sollten sie doch hier treffen“, murmelte Rohan.
„Keine Panik, das klappt schon“, versuchte Chris ihn zu beruhigen.
Doch er war ebenso nervös wie Rohan. Verzögerungen im Zeitplan kamen einer Katastrophe gleich. Da entdeckte er einen blonden Haarschopf hinter einer Pflanze.
„Penny“, zischte die beiden Jungen synchron.
Sie tauchte hinter der Pflanze auf. Gut sichtbar atmete sie erleichtert durch.
„Da seid ihr ja“, flüsterte sie ihnen zu, als ihre Freunde vor ihr standen.
„Wir sind fast Professor Ramu in die Arme gelaufen“, erklärte Rohan. „Und du weißt genau, was passiert, wenn er uns während der Sperrstunde in die Finger kriegt. Dann möchte ich nicht in unserer Haut stecken.“
Penny verzog erschrocken das Gesicht, doch Chris winkte nur ab.
„Los, weiter.“
Er schlich vorneweg die Treppe runter. Dabei blieb er auf dem Teppich in der Hoffnung, so möglich wenige Geräusche zu machen. Am Ende der Treppe standen zwei Lehrer mit den Rücken zu ihnen. Über ihnen schwebten wieder zwei kleine Lichtkugeln. Die Lehrer unterhielten sich flüsternd. Chris, Rohan und Penny hielten inne. Sie sahen sich nach einem weiteren Weg nach unten um. Chris deutete auf das Geländer an der rechten Seite. Mit einem Satz schwang er sich darüber. Er löste durch eine kleine Handbewegung einen Zauber aus, der seinen Fall abfederte. Trotzdem verharrte er ein paar Minuten ohne sich zu rühren. Von den Lehrern kam keine Reaktion.
Chris trat einen Schritt von der Treppe weg und wandte sich um. Penny und Rohan beugten sich über das Geländer. Im schwachen Licht glaubte Chris ihre fragenden Gesichter auszumachen. Durch einen erhobenen Daumen zeigte er ihnen, dass alles in Ordnung war. Schon landeten sie neben ihm auf dem alten, leicht staubigen Teppich. Hinter der Treppe führte eine kleine Tür in den Hof der Schule.
Die drei Freunde standen in der kühlen Luft der Nacht auf einer steinernen Terrasse. Stühle und Tische waren an die Seite geräumt worden. Jemand hatte seine Bücher über Astrologie auf der kleinen Mauer liegen gelassen. Eine Steintreppe führte den Hügel hinab zu den Sportfeldern. Dahinter lag das Teufelsmoor.
„Wir könnten uns auf das Rennfeld setzen“, schlug Penny vor, während sie sich ihre Schuhe anzogen.
Doch Rohan schüttelte den Kopf. Er deutete auf das Teufelsmoor.
„Lasst uns dort hingehen. Da sind keine Lichter, die uns stören und wir können nicht sofort entdeckt werden.“
Er holte seine Taschenuhr mit den sich ruhig drehenden Zahnrädern an der Unterseite heraus.
„Und wir müssen uns beeilen.“
Mit schnellen Schritten lief der die Stufen hinab. Chris und Penny folgten ihm. Über einen Schotterpfad zwischen zwei der Sportfelder gelangten sie direkt zum Teufelsmoor.
Die alten, teilweise blattlosen Bäume wiegten sich im Wind. Die Äste erinnerten an lange, dünne Finger. In der Ferne blubberten einige Stellen im Moor.
„Im Dunkeln ist das irgendwie unheimlich“, murmelte Chris.
Penny tätschelte ihm sanft die Schulter.
„Wir sind ja zu dritt.“
„Das beruhigt etwas.“
„Hey, hierher!“
Rohan saß auf einem umgestürzten Baum. Chris und Penny schlossen zu ihm auf und setzten sich links und rechts neben ihm. Ihre Blicke wanderten gen Himmel, an dem die Sterne ruhig funkelten. Aber keiner bewegte sich.
Die Freunde warteten.
Nach einer Weile tauchte der erste sich bewegende Stern auf. Als heller Streifen schoss er über den Himmel. Rohan riss eine Hand nach oben.
„Da!“
Auf den ersten folgte der zweite. Und der dritte. Schon bald war der Himmel voller heller Streifen. Das Licht fiel bis auf die Spitzen der Bäume, was diese noch seltsamer und beängstigender aussehen ließ.
„Wow“, entfuhr es Chris und Penny synchron.
„Ich habe doch gesagt, das wird interessant“, hauchte Rohan.
Der Schauer wurde größer und größer. Er füllte den gesamten Himmel aus. Chris ließ sich vom Baum gleiten, den Blick weiterhin nach oben gerichtet. Etwas kam ihm komisch vor; es fühlte sich nicht richtig an. Das Licht wurde heller. Chris kniff die Augen zusammen.
„Rohan, soll das so aussehen?“
„Ich … weiß nicht.“
Er und Penny traten an Chris’ Seite. Sie sahen mittlerweile genauso beunruhigt aus wie er sich fühlte.
„Mir gefällt das nicht“, murmelte Penny.
Da explodierte etwas mitten im Teufelsmoor. Eine Druckwelle fegte über die Köpfe der Freunde hinweg.
“WEG!“, brüllte Chris.
Die nächste Explosion riss ihn von den Füßen.