Читать книгу Moderne Engel - J. Reiph - Страница 10
ОглавлениеEine Segeltour, die ist …
Mike
Es ist Sonntag und ein Sonnentag. Und es ist einer der seltenen Tage, an denen mein Vater mal frei hat.
Beim gemeinsamen Frühstück überlegen wir, wie wir den Tag verbringen können. Meine Eltern sind begeisterte Segler. Wir haben eine kleine Jolle. Ein wunderschönes Holzschiffchen. Irgendwann hat mein Vater sie für kleine Tagesausflüge auf der Ostsee erstanden. Für längere Touren ist sie nicht groß genug.
Ich segle wohl mit, ist aber nicht ganz so mein Ding. Marie segelt auch mit. Aber meist starrt sie nur auf das Wasser. Ob sie nach einer Arielle sucht?
Kordula macht uns ein leckeres Picknickpaket fertig. Im Familienauto fahren wir zum Jachthafen. Routiniert erledigen meine Eltern alle Handgriffe, um die Jolle startklar zu machen. Währenddessen passe ich auf Marie auf, die in einer kleinen Strandecke Muscheln betrachtet.
Sobald meine Eltern mir das Signal geben, führe ich Marie zum Boot. Weil sie die Prozedur bereits kennt, lässt sie sich die Schwimmweste problemlos anlegen. Und dann starten wir.
Ein frischer Wind bringt uns zügig aus dem Hafen. Ich lehne mich zurück und genieße den blauen Himmel, die weißen Wolken und das Plätschern des Wassers am Bootsrumpf. Den Lärm eines Motorbootes könnte ich mir für solch eine Entspannung gar nicht vorstellen. Ein Auge haben meine Mutter und ich immer auf Marie. Doch sie sitzt still am Heck und schaut auf das Wasser.
Wir nähern uns dem öffentlichen Badestrand. Davor sind etliche Bojen gesetzt. Scheint mir ein großes Areal zu sein. Was da wohl ist? Egal.
Wir passieren das abgesteckte Gebiet. Meine Mutter genießt mit geschlossenen Augen die Sonne. Ich sehe gerade zu Marie rüber, als wir eine der äußeren Bojen des Areals passieren. Im Wasser sehe ich einen Taucher. Der beobachtet uns, aber auch irgendetwas vor uns. Träge drehe ich mich um. In dem Moment beginnt mein Vater zu winken. Wem winkt er?
Dann sehe ich es. Zwei Idioten rasen mit ihren Motorbooten die Küste entlang. Genau auf uns zu!
Die reagieren nicht! Ich sehe Bierflaschen. Verdammt. Schon stehe ich auf und winke mit beiden Armen. Plötzlich beschleunigt eines der Boote. Es rast nun förmlich über die Wasseroberfläche. Und weiterhin direkt in unsere Richtung.
Kurz bevor es uns rammt, sehe ich, wie der Bootsführer nach vorne schaut. Überraschung zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Und er reagiert immer noch nicht. Erst im letzten Moment reißt er das Steuer herum. Aus nächster Nähe treffen uns seine Bug- und Heckwelle. Unsere Jolle hüpft auf und ab. Ich muss mich schnell hinsetzen. In dem Moment schreit mein Vater auf.
Ich sehe in seine Richtung. Heißer Schreck durchfährt mich, als Marie über Bord geht. Still fällt sie ins Wasser.
Unser Boot verliert die Richtung, weil Vater die Pinne losgelassen hat, um Marie zu ergreifen. Es schlägt quer. In dem Augenblick ist das zweite Boot da. Anstatt abzubremsen, rast es eng an uns vorbei. Unsere Jolle neigt sich bedrohlich zur Seite. Meine Eltern und ich verlieren den Halt. Wir kentern.
Mein letzter Blick geht zu der Stelle, wo Marie über Bord ging. Ich sehe ihre Schwimmweste. Es dauert einen Moment, bis ich es kapiere. Ich sehe ihre Schwimmweste. Aber nicht sie! Dann drückt mich das Segel unter Wasser.