Читать книгу Moderne Engel - J. Reiph - Страница 12
ОглавлениеUnbekannte Retterin
Mike
Das Segel drückt mich unter Wasser. Mühsam kämpfe ich mich darunter hervor.
Marie! Wo ist Marie?
Ich halte mich am Bootsrumpf fest. Neben mir tauchen meine Eltern auf. Suchend sehen wir zu der Stelle, wo ihre Rettungsweste treibt.
Gerade will ich mich abstoßen, um dorthin zu schwimmen, da erreicht der Taucher die Stelle. Ohne anzuhalten taucht er ab. Ungewöhnlich lange Flossen sehe ich. Und verspätet fällt mir auf, gar keine Pressluftflasche auf seinem Rücken gesehen zu haben.
Ich will auch dorthin, in dem Moment japst meine Mutter. Ihr Gesicht ist hochrot. Sie hält sich den Hals. Erneut höre ich einen Motor aufheulen. Sollten die Spinner etwa zurückkommen? Ich sehe in Richtung des Geräusches. Doch es ist die Wasserrettung, die zu uns eilt.
Schnell schwimme ich zu meiner Mutter. Eine Leine hat sich um ihren Hals gelegt und erdrosselt sie. Ich packe die Leine und versuche, sie zu lockern. Mein Vater kommt dazu. Gemeinsam schaffen wir es, meine Mutter zu befreien.
Marie!
Das Boot der Rettungswache erreicht uns. Ich sehe panisch über das Wasser. „Marie!“ Laut rufe ich nach ihr. In dem Moment bricht der Taucher ein ganzes Stück von uns entfernt durch die Wasseroberfläche. In seinen Armen Marie.
Er nimmt irgendetwas aus dem Mund. Dann zieht er einen Handschuh aus. Gebannt verfolge ich, was geschieht. Er fühlt ihren Puls. Die Tauchermaske wird in den Nacken geschoben. Er legt seinen Mund auf das Gesicht von Marie. Er beatmet meine Tochter!
NEIN! Marie!
Ein paar Augenblicke später greift Marie nach seinem Kopf. Marie lebt! Tränen treten mir in die Augen.
Hände erfassen mich. Ich werde zum Rettungsboot gezogen. Weitere Hände ziehen mich an Bord. Sofort drehe ich mich um. Was ist mit Marie?
Der Taucher hat sie auf seinen Bauch gezogen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit schwimmt er zum Ufer.
Das Rettungsboot beschleunigt. Sie bringen uns zum Strand.
Aus der Ferne sehe ich, wie zwei Rettungsschwimmer dem Taucher Marie abnehmen. Sie tragen ihren kleinen Körper im Laufschritt über den Strand. Hin zu einem Durchgang in den Dünen.
Unser Boot erreicht den Strand. Den Taucher verliere ich aus den Augen. Ich habe nur noch Marie im Blick.
Wir erreichen das Flachwasser. Die Rettungsschwimmer helfen uns von Bord. Überall stehen Leute. Natürlich etliche, die alles filmen. Aasgeier.
So schnell es geht laufen wir hinter Marie her. Als wir die Dünen hinter uns gelassen haben, sehen wir einen Rettungs- und einen Notarztwagen. Marie wird in den Innenraum des Rettungswagens gehoben. Ich beginne zu rennen.
„Marie!“ Schon von Weitem rufe ich ihren Namen. Einer der Rettungsschwimmer hält mich auf, bevor ich in den Wagen springen kann.
„Warten Sie! Sie können da jetzt nicht rein!“
„Aber das ist meine Tochter!“
„Der Arzt und die Sanitäter kümmern sich um Ihr Kind.“
Meine Eltern erreichen mich. Meine Mutter nimmt mich in den Arm. „Lass sie ihre Arbeit machen.“
Bange zehn Minuten später kommt der Notarzt zu uns.
„Ihrer Tochter geht es soweit gut. Ihre Vitalwerte sind stabil. Sie hat aber Salzwasser geschluckt. Deswegen möchten wir sie ins Krankenhaus bringen.“
„Ja, ja. Natürlich. Kann ich mit?“
„Sind Sie der Vater?“
„Ja, Marie ist meine Tochter.“
„Das geht nicht. Außerdem sollten Sie erst einmal zusehen, dass Sie aus den nassen Sachen kommen.“
Nasse Sachen? Was redet der denn? Ach ja, nasse Sachen.
„Ich muss mit. Meine Tochter ist Autistin. Sie wird Ihnen nicht antworten.“
„Oh. Das ist etwas anderes. Dann fahren Sie im Notarztwagen hinterher. Wir geben Ihnen eine Decke.“
Der Arzt nickt uns zu, dann verschwindet er im RTW. Dessen Türen werden geschlossen. Mit Blaulicht und ordentlich Krawall fährt der Wagen davon. Aus dem Fahrzeug des Notarztes holt der Fahrer mir eine Decke. In die wickele ich mich ein.
Mein Vater legt seine Hand auf meine Schulter. „Wir kommen so schnell nach, wie es geht.“
Zerstreut nicke ich.
„Wo ist der Taucher?“
„Welcher Taucher?“, fragt mein Vater.
„Der Marie gerettet hat.“
„Ich weiß nicht.“
Einer der Rettungsschwimmer tritt zu uns. „Die Taucherin. Das war eine Frau.“
„Kennen Sie sie?“
Er schüttelt seinen Kopf.
„Nein, nicht mit Namen. Ich weiß nur, dass sie von der Hanse-Uni aus ein Forschungsprojekt hier am Strand betreut.“
Ein zweiter RTW erreicht uns. Die Sanitäter steigen aus. Sofort kümmern sie sich um meine Mutter, die noch deutliche Male ihrer Strangulation zeigt.
Mein Vater zieht mich zu sich herum.
„Kümmere du dich um Marie. Mutter ist versorgt. Ich sehe zu, was hier noch zu tun ist.“
Ein Wagen der Polizei fährt vor. Dankbar nicke ich meinem Vater zu.
Während die Polizisten zu meinem Vater gehen, steige ich in den Notarztwagen. Kaum bin ich angeschnallt, fährt der Mann los.
Wer ist diese Taucherin?