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DEFINITION DER DUALITÄT – SUBJEKT UND OBJEKT
ОглавлениеNun stehst du wieder an einer Weggabelung. Um dich hier nicht zu verlaufen, musst du das Problem des Handelns klären, bevor du weitergehst.
Was ist die Grundlage der Vorstellung, dass du Freiheit erlangen kannst, indem du etwas tust? Handlung scheint zu befreien, weil du, wenn du bekommst, was du möchtest, Freiheit empfindest. Doch befreit sie wirklich?
Die Vorstellung, dass karma – Tun – mich befreien kann, basiert auf der Idee, dass die Wirklichkeit eine Dualität ist. Kurz gesagt bedeutet Dualität: „Ich bin hier und die Objekte dort. Die Objekte sind von mir verschieden und besitzen, was ich begehre.“ Auf diese Weise präsentiert sich uns die Wirklichkeit, und das ist, was wir glauben. Auf dieser Grundlage setzt sich unser Gedankengang unbewusst fort: „Da ich mich unfrei fühle, das Empfinden von Freiheit aber möglich ist, muss sie woanders verfügbar sein, und ich muss etwas unternehmen, um dorthin zu gelangen. In diesem Fall bedeutet ‚dort‘ eine andere Art von Erfahrung, die Erleuchtungs-Erfahrung. Erinnere dich daran, dass auch Erfahrungen Objekte sind.
Aus unserer Untersuchung der Verortung von Objekten wissen wir, dass die Realität nicht-dual ist, auch wenn das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Wir haben festgestellt, dass Objekte in mir durch das erfahrende Instrument, den Geist, erfahren werden und dass auch der Geist ein von mir nicht verschiedenes Objekt ist. Auf Geheiß einer rätselhaften Macht nimmt der Geist die Form von Objekten an, die von mir, dem Subjekt, verschieden zu sein scheinen. Ihm ist das möglich, weil er selbst ohne Struktur und formlos ist.
Es gibt Lehren, die behaupten, dass der Geist zu den Objekten wird, aber das ist nicht wahr. Wenn er zu den Objekten würde, könnte er sich nicht mehr verwandeln, um in der nächsten Erfahrung ein anderes Objekt zu werden. Dann wären wir auf ewig in einer einzigen Erfahrung verhaftet. Ohne die Natur des Geistes zu verändern, kannst du in der einen Sekunde einen Baum erfahren und in der nächsten einen Hund oder eine Banane. Der Geist nimmt die unterschiedlichsten Formen an, ohne durch sie beeinträchtigt zu werden. Wir sprechen davon, dass der Geist als Objekt ‚erscheint‘. Er ist wie eine Filmleinwand, auf der Objekte erscheinen, ohne eine Veränderung der Leinwand zu bewirken. Objekte sind entweder eher statische oder sehr leicht veränderliche Strukturen in Bewusstsein, die ihre jeweils besonderen Eigenschaften besitzen. Relativ statische Strukturen sind die drei Körper, auf die wir später zurückkommen werden. Die veränderlichen Strukturen sind die vorhersagbaren Erfahrungen, die in den drei Körpern auftreten. Die eher statischen Strukturen (die drei Körper, die drei Zustände, die drei gunas und die fünf Elemente)5 entstehen aus Gewahrsein, so wie das Spinnennetz aus der Spinne heraus entsteht. Gewahrsein ist (wie die Spinne) bewusst, während das Netz (wie die Objekte) nicht bewusst ist. Erfahrung ist Gewahrsein, aber Gewahrsein ist keine Erfahrung, so wie auch das Netz die Spinne ist, aber die Spinne nicht das Netz. Liebe, Hass und jedes beliebige andere Objekt deiner Erfahrung ist aus deinem eigenen Bewusstsein-Gewahrsein entstanden.
Materielle Objekte scheinen real zu sein, weil die Sinne, die ziemlich beständige Funktionen in Bewusstsein sind, Bewusstsein auf eine Weise strukturieren, die sie (die Objekte) stabil erscheinen lassen. Es gibt eine Macht6, die sich weder in Bewusstsein noch außerhalb davon befindet, die dies verursacht. Diese Strukturierung ist sehr hilfreich, denn ohne sie wäre das Leben völlig unvorhersehbar, und niemand würde morgens aufstehen und zur Arbeit gehen. Mit anderen Worten, die Sinne lassen Bewusstsein stabil erscheinen, auch wenn es – obwohl das beständige Substrat der Existenz – in Wirklichkeit nicht stabil ist.
Da Objekte tatsächlich nichts anderes sind als der als Objekte erscheinende Geist, können sie auf Gewahrsein reduziert werden. Wenn man materielle Objekte untersucht, zerfallen sie in Atome und weiter in Protonen, Neutronen und Elektronen, die sich wiederum in Quarks und Mesonen auflösen und schließlich in unendlich kleine Materiepartikel wie das Higgs-Boson. Auf der subatomaren Ebene werden die Teilchen zu Wellen, Schwingungen, die im Raum erscheinen und entschwinden. Da er für unsere Sinne nicht erfahrbar ist, können wir nicht einmal genau erklären, was ‚Raum‘ ist. Und wenn wir an feinstoffliche Objekte denken, an Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Träume, Fantasien etc., ist offensichtlich, dass auch diese nicht substanziell sind. Es bleibt nichts wirklich übrig, was wir ‚da draußen‘ erfahren könnten, außer uns selbst als Bewusstsein in der Form von Objekten.
Die Erfahrung selbst – der Behälter, der all die einzelnen Erfahrungen enthält – ist das einzig beständige Objekt. Individuen kommen und gehen, doch Erfahrung bleibt. Einzelne Erfahrungen sind niemals von Dauer. Was wir auf der Ebene des Individuums als Erfahrung bezeichnen, sind nur die Reflexionen der Objekte im Geist (und ihre Interpretation, wenn der Intellekt arbeitet). Der Geist ist nur Bewusstsein, und das Bewusstsein bin ich. Ich erfahre mich also bereits, unabhängig davon, ob da Objekte sind oder nicht. So bleibt nur die eine Frage übrig: „Bin ich frei oder nicht?“
Wenn die Natur von Objekten und Erfahrung verstanden ist, können wir auf das Problem des Handelns zurückkommen. Diejenigen, die für Erleuchtung einen Pfad des Handelns propagieren, behaupten, man könne durch spirituelle Übungen Freiheit erlangen: Übe dieses yoga, mach jene Meditation, rezitiere ein Mantra oder geh zu einem Guru und lass dir Erleuchtung übertragen. Es ist erstaunlich, wie viel Mühe in spirituelle Übungen gesteckt wird mit der Vorstellung, sie könnten einen dauerhaften Zustand glückseliger Erleuchtung hervorbringen.
Jeder von uns hält das Selbst für einen Macher, einen Tuenden. Wenn die bis hierher entfaltete Lehre wahr ist, geht es dieser Vorstellung jetzt an den Kragen. Früher habe ich in einer Berghütte gelebt und war dort gezwungen, die Rattenplage zu bekämpfen. Ich fand und blockierte ihre Löcher, eins nach dem anderen, und zwang sie dadurch, in meine Fallen zu laufen. Achtung, Ratte! Die Logik des Vedanta ist dabei, langsam deine Fluchtwege zu verschließen. Die Falle ist dabei, zuzuschnappen. Zuerst musstest du feststellen, dass du nicht mehr durch das Objekt-Schlupfloch entkommen kannst. Jetzt entdeckst du, dass auch die Flucht durch den Erleuchtungs-Tunnel nicht mehr möglich ist. Der hyperaktive rattenartige Macher muss sterben, damit wir in unserer Erforschung fortfahren können.