Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Armin Engländer, Jan C. Joerden - Страница 155

b) Erstreckung des Milderungsgebots auf Richtlinien, Verordnungen und Rahmenbeschlüsse

Оглавление

96

Die Geltung des Milderungsgebots hat zur Folge, dass unionsrechtliche Regelungen, die aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts zu einer Milderung der Rechtslage im Strafrecht führen, als gesetzliche Milderungen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nicht nur für Verordnungen, die als blankettausfüllende Normen in Bezug genommen werden, sondern gleichermaßen für Richtlinien und Rahmenbeschlüsse, die begünstigend auf das Strafrecht wirken.[250] Nur auf diese Weise kann dem Milderungsgebot des Unionsrechts zu umfassender Geltung verholfen werden. Würde man Einschränkungen des Milderungsgebots in Abhängigkeit vom Unrechtsbezug des Unionsrechts vornehmen, so könnte und müsste der Richter mittels Bestimmung des geschützten Rechtsguts über den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Milderungsgebots entscheiden.

97

In der Entscheidung Antoine Kortas[251] hat der EuGH die Geltung des Grundsatzes des milderen Gesetzes und die unmittelbare Wirkung von Richtlinien auch ohne deren Umsetzung in nationales Recht bestätigt. Der Grundsatz der lex mitior gebiete es, von dem Gesetz auszugehen, welches die Tat am mildesten beurteilt.[252] Daraus ergebe sich, dass ein nachträglicher Wegfall des Verbots – mag dieser auch durch ein Ablaufen der Umsetzungsfrist zwischen Tatbegehung und Entscheidung bedingt sein – zur Straflosigkeit führen müsse.[253] Entsprechend wurde im Fall „Awoyemi“ für unerheblich erklärt, dass die Umsetzungsfrist für die Richtlinie noch nicht abgelaufen war.[254] Durch die Umsetzungsfrist bei Richtlinien soll den nationalen Gesetzgebern lediglich eine unter Praktikabilitätsgesichtspunkten unabdingbare Frist eingeräumt werden; in materieller Hinsicht ist hingegen die Anwendung des richtlinienwidrigen Gesetzes mit In-Kraft-Treten der Richtlinie nicht mehr erwünscht. Der europäische Gesetzgeber hat bereits eine andere rechtliche Grundanschauung getroffen, und diese muss auch durchgesetzt werden. Wenn aber eine nationale Gesetzesänderung nicht auf der besonderen Zeitgebundenheit des Gesetzes, sondern auf einem Wandel der Rechtsanschauung beruht, ist eine Einschränkung des Milderungsgebots nicht vertretbar. Vielmehr ist dem Gebot verhältnismäßiger Gerechtigkeit Rechnung zu tragen. Dieses Ergebnis stimmt im Übrigen mit der h.M. zum nationalen Recht überein, nach der die Sonderregelung für Zeitgesetze (§ 2 Abs. 4 StGB) im Falle einer geänderten Rechtsanschauung nicht anwendbar ist,[255] sondern das Milderungsgebot eingreift.

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх