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2. Grenzüberschreitende Kooperation

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Bei der Bestimmung der Reichweite der nationalen Strafgewalt kann auch die zunehmende grenzüberschreitende berufliche Zusammenarbeit Schwierigkeiten bereiten. Nicht zuletzt Forschungsvorhaben werden inzwischen häufig international betrieben und können insbesondere dann Strafbarkeitsrisiken für sämtliche Beteiligte begründen, wenn sie ein (zumeist ethisch wie auch) rechtlich in der Staatengemeinschaft umstrittenes Projekt zum Gegenstand haben. Exemplarisch kann insoweit auf die Forschung an embryonalen Stammzellen verwiesen werden, die nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nur durch die Abtötung von Embryonen gewonnen werden können und deren Gewinnung (sowie die darauf aufbauende Forschung) demzufolge in den einzelnen Staaten äußerst unterschiedlich geregelt ist. Das Spektrum reicht von den Extremen der uneingeschränkten rechtlichen Gestattung solcher Forschungsvorhaben (z.B. in Großbritannien und in den Niederlanden) einerseits und einem völligen Verbot (z.B. in Polen und Italien) andererseits bis hin zur eingeschränkten Zulässigkeit (wie in Deutschland unter den Voraussetzungen der §§ 4 f. StZG).

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Sofern sich an solchen grenzüberschreitenden Projekten verschiedene Personen von verschiedenen Staaten aus beteiligen, sind auch die ggf. unterschiedlichen nationalen rechtlichen Regelungen einschließlich etwaiger Straftatbestände im Blick zu behalten. Da das Strafanwendungsrecht jedenfalls in Deutschland keine Kollisionsregelung enthält und das begrenzende „lex loci“-Erfordernis nur in § 7 StGB aufgenommen wurde, können sich insbesondere von Deutschland aus an dem Projekt teilnehmende Personen in der Regel nicht darauf berufen, dass ggf. in einem anderen Staat die rechtliche Zulässigkeit des Projekts außer Frage steht, selbst wenn es dort hauptsächlich betrieben wird. In diesem Fall begründet bereits die eigene Mitwirkung an dem jeweiligen Vorhaben von Deutschland aus hierzulande einen Handlungsort gemäß § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB für Täter bzw. gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 Var. 2 StGB für Teilnehmer, so dass eine Inlandstat gegeben und somit deutsches Strafrecht unabhängig von der Rechtslage am Hauptort des Projekts anwendbar ist. Für den Teilnehmer regelt § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sogar ausdrücklich, dass für die Teilnahme an einer Auslandstat vom Inland aus das deutsche Strafrecht gilt, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.

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Bei Auslandstaten sind vor allem bei Forschungsvorhaben zudem § 5 Nr. 12 und 13 StGB zu beachten, sofern es sich bei dem Wissenschaftler um einen Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten handelt. Dies betrifft vor allem verbeamtete Wissenschaftler an staatlichen Universitäten. Hingegen sind Forscher an privaten Hochschulen oder auch an Max-Planck-Instituten bei gleicher wissenschaftlicher Tätigkeit wegen ihrer fehlenden Verbeamtung nicht erfasst.

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Die vorstehenden Strafbarkeitsrisiken betreffen allerdings nicht nur Forscher im Inland, sondern auch Projektbeteiligte, die allein im Ausland tätig werden. Einen etwaigen Erfolgsort ebenfalls einmal nur im Ausland unterstellt, wäre auf ihre Forschungsbeiträge wegen ihres eigenen lediglich ausländischen Tätigkeitsortes das deutsche Strafrecht in der Regel an sich nicht anwendbar. Etwas anderes ergibt sich allerdings wegen der nach herrschender Meinung weitgehenden Zurechnung von Begehungsorten zwischen den einzelnen Beteiligten (Rn. 81 ff.). Sollte an einem vollständig im Ausland stattfindenden und dort rechtlich zulässigen Projekt jemand aus Deutschland als (Mit-)Täter mitwirken und hierzulande das Vorhaben strafrechtlich untersagt sein, würde den Beteiligten im Ausland der Tätigkeitsort ihres (Mit-)Täters zugerechnet werden. Für die im Ausland tätigen Forscher läge somit gleichfalls eine Inlandstat vor und wäre deutsches Strafrecht anwendbar, und zwar unabhängig davon, ob das Gesamtvorhaben im Ausland straflos ist. Ebenso würde im Ausland tätigen Teilnehmern der Tätigkeitsort des hierzulande aktiven (Mit-)Täters über § 9 Abs. 2 S. 1 Var. 1 StGB zugerechnet werden.[233] Ein solches Ergebnis erscheint durchaus fragwürdig. Schließlich besteht der einzige Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die im Ausland tätigen Wissenschaftler in der Mitwirkung einer Person von Deutschland aus. Unberücksichtigt bleibt hingegen völlig, dass sie sich regelkonform mit den Vorschriften ihres Aufenthaltsstaates verhalten, in dem das Projekt maßgeblich betrieben wird.

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