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Die Persönlichkeit

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Palmer trat unbeugsam für seine Überzeugung ein, sagte seine Meinung direkt heraus und machte diese meist auch gleich öffentlich. Der Geradlinigkeit willen opferte er ohne zu zögern auch das gute Verhältnis zu seinen Freunden und Helfern. Von denen hatte er tatsächlich viele, verlor sie durch diese Eigenschaft wieder, gewann aber auch immer wieder neue hinzu. Er war standhaft bis zum Schluss, ob nun in einzelnen Gerichtsverfahren oder in seinem gesamten Leben als „Rebell“. Helmut Palmer beugte sich vor nichts und niemandem. Konsequenterweise lautete sein wichtigster Wahlspruch daher „cedo nulli“ – sinngemäß übersetzt mit „ich weiche keinem“. Diese Eigenschaft des Unbeugsamen, die viele Menschen bewunderten, hatte zugleich negative Auswirkungen auf ihn und seine Umwelt. In seiner Art extrem rechthaberisch, war mit ihm dauerhaft keine Zusammenarbeit möglich. Er konnte sich nicht integrieren. Sein sehr großes Ego verhinderte eine solche Integration selbst dann, wenn er in einer von ihm selbst gegründeten Partei an der Spitze stand.

Helmut Palmer blieb sich treu: Seinen Idealismus und seine Wertvorstellungen, seine Visionen von Staat und Gesellschaft bewahrte er sich über die Jahrzehnte, auch wenn man in seinen vielen Briefen und öffentlichen Äußerungen eine zunehmende Verbitterung ab den 1980er-Jahren und schon davor eine unnachgiebige Verbissenheit gegenüber den staatlichen Institutionen, den Parteien und schließlich auch der Mehrheit der Bürger selbst sehen kann. Letztere bezeichnete er immer wieder als feige, da sie ihn in seinem Kampf gegen die Obrigkeit nicht ausreichend unterstützen und sich nicht zu ihm bekennen würden.

Seine Standhaftigkeit ließ ihn auf etlichen Themenfeldern im Nachhinein als Vordenker und Vorreiter dastehen, wenn Verwaltungen, Parteien oder gesellschaftliche Strömungen erst viele Jahre später ebenso dachten oder handelten: wenn die Obstbauern in Württemberg ihre Bäume schließlich doch nach dem von Palmer propagierten Öschbergschnitt und seinen modernen Varianten pflegten, die Leitplanken landesweit versenkt wurden, Plastiktüten zunehmend auf den Märkten und in den Geschäften durch ökologischere Varianten ersetzt wurden und die Konsumkultur heimische Erzeugnisse wiederentdeckte; wenn das Rauchen in öffentlichen Räumen immer stärker eingeschränkt wurde; wenn Zersiedelung an den Ortsrändern und das Bauen auf der grünen Wiese zugunsten von Innerortssanierungen und Umstrukturierungen verringert wurden; wenn verstärkt auf positive Energiebilanzen geachtet und über Verzicht zugunsten eines effizienten Umweltschutzes nachgedacht wurde; immer dann fühlte sich Helmut Palmer in seinen Worten und Handlungen bestätigt und gleichzeitig enttäuscht, dass seiner Vordenkerrolle keine Anerkennung oder Ehrung zuteil geworden ist.

„Ich sehe sogar der Kuh am Arsch an, was der Butter in Frankfurt kostet.“

Palmer im Bundestagswahlkampf 1983

über seine Fähigkeiten

Wiederholt verkündete Palmer öffentlich, dass er seine Tätigkeit als „der unbezahlte und unbezahlbare Herzschrittmacher für ein Mehr an Demokratie in diesem unserem Lande“ nun einstelle, da ihm die Unterstützung fehle, er von oben kaputtgemacht werde oder es sich schlicht nicht mehr lohne, für die Sache zu streiten. Tatsächlich aufgehört hat er jedoch nie. Sein Biograf Michael Ohnewald verglich die öffentlichen Reaktionen, die Palmer auslöste und die zum Teil hohen Wahlergebnisse, die ja immer auch von vielfacher Anerkennung und Schulterklopfen vonseiten zahlreicher Bürger begleitet waren, mit Rauschmitteln, die Palmer süchtig und immer wieder rückfällig machten. Palmer selbst bestätigte dies Ohnewald: „Das ist wie eine Droge.“

Helmut Palmer war und blieb als öffentlich handelnder Mensch im Großen und Ganzen ein Einzelkämpfer ohne substanzielle Hilfestellung anderer. Die Risiken und oftmals sehr negativen Auswirkungen seines umtriebigen und vielseitigen Tuns mussten er und seine Familie alleine tragen, im Gegensatz zu Amtspersonen und Verwaltungen im Gesamten. Wenn diese von ihm angegriffen wurden, so schützte die strukturelle Hierarchie und geteilte Verantwortlichkeit den Einzelnen vor allzu großen persönlichen Risiken. Auch die Politiker, die auf seine Angriffe reagierten, wurden immer von ihrer Partei unterstützt, im Wahlkampf wie in der öffentlichen Auseinandersetzung, bis hin zum Rechtsstreit. Und so kann es nicht verwundern, wenn wir bei dem hochemotionalen Individuum Helmut Palmer, der es ohne viel zu überlegen gegen jeden und alles aufnahm, was sich seinen Prinzipien und seinem Idealismus in den Weg zu stellen schien, in der Konsequenz auch große Schwankungen in seinem öffentlichen Leben sehen. Sein Wahlkampf und sein Einsatz bei Wahlen konnten je nach verfügbarem Geld, aber auch je nach Motivation oder Gefühlslage, sehr flattrig sein. Ob er gerade durch die Berichterstattung der Medien über ihn oder Gerichtsprozesse und Strafanzeigen gegen ihn kämpferisch gestimmt war oder lieber Schutz und Ruhe suchte, ob sein Obsthandel gerade gut lief oder wegen gesunkener Preise schlechteren Umsatz erwirtschaftete, oder ob er zum Wohle des Haussegens Kompromisse mit der Familie einging und sich mit Kandidaturen und seiner demokratischen Mission etwas zurückhielt – letztlich wollte Helmut Palmer mit seinen Möglichkeiten der Gemeinschaft dienen, stieß dabei aber auch an seine menschlichen Grenzen.

Dass neben seinem ausgeprägten Geltungsdrang und Bedürfnis nach größtmöglicher Anerkennung aber zweifellos Idealismus, Liebe zur Natur und zu Menschen die Grundlage, das tragende Motiv und die Antriebskraft für seinen Einsatz waren, davon zeugen seine Bücher, die vielen Briefe und Äußerungen Helmut Palmers in Inseraten, in Wahlkämpfen und Interviews. Bis diese positive Sicht auf Palmers Engagement in der öffentlichen Meinung dominierend wurde, sollten jedoch Jahrzehnte ins Land Baden-Württemberg ziehen, in denen sein Wirken manches Mal spektakulär, häufig komisch und oftmals tragisch verlief. Davon handeln die folgenden Kapitel.

Helmut Palmer

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